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Samstag, 29. Dezember 2018

Was Krieg bedeutet - Zum Tode von Amos Oz

Zum Tode von Amos Oz zeigt ARTE eine Dokumentation mit Zeitzeugnissen, die fast 50 Jahre von der "Zensur" zurückgehalten wurden: Der Schriftsteller begab sich 1967 nach dem Sechstagekrieg in die Kibbuze Israels und befragte Soldaten zu ihren Erlebnissen. Sie erzählten, was Krieg bedeutet - in einem universellen Sinne. Bis 2015 blieben sie unter Verschluss.

Bis 09. Januar 2019 in der Mediathek.


Samstag, 19. Mai 2018

Der 90-Minuten-Krieg: Wenn der Videoassistent den Nahostkonflikt entscheidet

Das kleine Fernsehspiel zeigte schon 2016 das erste Mal die Komödie "Der 90-Minuten-Krieg". Angesichts des Umzugs der US-Botschaft nach Jerusalem und des 70. Jahrestages der Staatsgründung Israel bot sich eine Wiederholung aus Sicht der Programmverantwortlichen wohl an, Die Geschichte des Films ist schnell erzählt. Israelis und Palästinenser sind nach jahrzehntelangen Kämpfen und ständigen Verhandlungen müde, immer wieder ergebnislos auseinanderzugehen. Da kommen die "Erzfeinde" auf eine unkonventionelle Idee: Ein Fußballspiel soll den Nahostkonflikt endgültig beenden. Der Einsatz ist hoch: Wer verliert, muss das gelobte Wüstenland verlassen. Der Sieger bekommt alles, von Jaffa bis Jerusalem, von Galiläa bis Eilat. Kein Streit mehr, keine Kriege, endlich Ruhe.



Klingt nach bösem Klamauk und Fettnäpfchen am laufenden Band. Doch nach 80 Minuten hat man das Gefühl, man hätte tiefer in den Nahostkonflikt geblickt, als bei so mancher Dokumentation oder manchem Nachrichtenbeitrag. Positiv fällt sofort auf, dass mal Englisch, mal Hebräisch, mal Arabisch, mal Deutsch und oftmals alles durcheinander gesprochen wird. Jeweils mit Untertiteln, so dass beispielsweise die Selbstverständlichkeit in der sich die eigentlich feindlich gesinnten Seiten verständigen können, erhalten bleibt. Zudem merkt man sofort, dass der Regiesseur Eyal Halfon an Authentizität interessiert ist. Die Darstellung beider Seiten strotzt nicht vor Stereotypen, wie man es bei einem Film zu diesem Thema und einer Komödie vermuten könnte.

Nun ließe sich ausführlich darüber streiten, ob und wie die Asymmetrie des Konflikts eingefangen wird. Inwiefern die Darstellung der totalen Überlegenheit der israelischen Armee den Blick auf Angriffe der palästinensischen Seite verstellt. So ist an einer Stelle im Film von "Blechraketen" die Rede, das Tunnelsystem als zivile Lebensader des Gaza-Streifens dargestellt. Doch das grundsätzliche (Un-)Gleichgewicht aus der sich die unterschiedlichen Strategien der Akteure speisen, wird glaubhaft eingefangen. Immer wieder schimmern Ursachen für den Konflikt bzw. für dessen Beständigkeit durch. Und genau wie das Ende des Films, kommt in den meisten Szenen zum Ausdruck, dass beide Seiten gemeinsam in dem Konflikt gefangen sind. So sehr, dass manche wohl die Entscheidung eines Videoassistenten der Aussicht auf weitere Jahrzehnte des Konflikts vorziehen würden.

Leider zeigt das ZDF den (selbst mit produzierten) Film nur noch bis zum 21.05. in der Mediathek.

Sonntag, 28. Januar 2018

Vergessene Seite des Nahostkonflikts

Auch eine Seite des Nahostkonflikts: Die Stellung vieler PalästinenserInnen, teils vertrieben, mittlerweile in großer Zahl in "Flüchtlingslagern" geboren, in den Staaten der Region. Diese betonen gerne den "Stachel" des Konflikts, das Leiden der "Nakba"-Opfer und die Verantwortung Israels. Auf der anderen Seite zeigt ein Blick in den Libanon oder nach Syrien, wie gering das Interesse der dortigen Regierungen an den Menschen als Bevölkerungsgruppe ist. Marginalisierung und Exklusion anstatt Integration und die Schaffung von Perspektiven. 

Die Rechte der PalästinenserInnen bleiben stark eingeschränkt, sie werden als Ausländer betrachtet und haben nur begrenzten Zugang zum Arbeitsmarkt. Zudem müssen die Meisten in den sog. "Flüchtlingslagern" (die Städte sind) leben - Grund oder Eigentum dürfen sie nämlich nicht besitzen. So sind sie politisch gesehen vor allem eine Belastung, aber auch ein Faustpfand. Gerade im Libanon, der von Fluchtbewegungen stark belastet ist, gerät die Minderheit auch in Konkurrenz mit den Hunderttausenden von syrischen Geflüchteten. Eine palästinensische Jugendliche, geflohen aus Syrien, braucht nicht viele Worte, um ihre Zukunft zu beschreiben: "Eigentlich sehe ich keine Zukunft für mich."

Die gesamte Reportage aus dem Libanon im Standard.

Mittwoch, 29. November 2017

Nahostkonflikt: Tiefe Spuren auf beiden Seiten

"Ich will durch die Beschreibungen der ausländischen Autoren den Diskurs über die Besatzung neu anregen."


Ala Hlehel, israelischer Autor

Ein Artikel in der Freitag beschäftigt sich mit einem neuen Buch, welches anlässlich der 50-jährigen Besetzung der Palästinensischen Gebiete erschienen ist. Seit dem Sechstagekrieg 1967 werden das Westjordanland und der Gazastreifen von israelischen Streitkräften kontrolliert. Eine politische Lösung zur Frage der Kontrolle und Gliederung der Gebiete wurde bisher nicht gefunden.

Screenshot freitag.de
Obwohl andere Nachrichten dominieren, bleibt der Nahostkonflikt eine der zentralen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Noch immer begründen Akteure, die kaum etwas mit einer der beiden Seite gemein haben oder nur ein oberflächlisches Interesse für die Hintergründe und Dynamiken an den Tag legen, eigene Handlungen mit dem nicht gelösten Konflikt. Auch viele BeobachterInnen sind schnell mit ihrem Urteil und sehen die Verantwortung klar bei einer Seite liegen. Dabei geht es oftmals mehr darum, was politisch und zivilgesellschaftlich von den Akteuren erwartet werden kann. Dennoch lässt sich die Frage von Schuld und Verantwortung nicht ausblenden. Auch der Freitag-Artikel kommt zum Schluss, dass das Buch, welches insgesamt 24 Autoren aus Israel, Palästina und zwölf weiteren Ländern, darunter Mario Vargas Llosa, Colm Tóibín, Eva Menasse und Colum McCann, versammelt, hier keine grundlegend neuen Antworten liefert:

"Fragen auf hohem Niveau, die das Buch nicht beantwortet. Es erscheint aber zu einer Zeit, in der andere weltpolitische Probleme die Besatzung schon fast in Vergessenheit gebracht haben: zur Normalität gewordenes Unrecht. Es tut not, daran zu erinnern, egal in welcher Sprache, aber immer mit dem notwendigen Respekt für alle Akteure. Schon deshalb ist diese Anthologie zu empfehlen."

Neben der palästinensischen Perspektive wäre ein Sammelband von (internationalen) BesucherInnen in Israel genauso wichtig. Denn die jahrzehntelange Dominanz einer Sicherheitslogik und die alltägliche Konfrontation (auch wenn sie sich auf den ersten Blick an vielen Stellen leicht ignorieren lässt) mit dem Konflikt, hat ebenso tiefe Spuren in der israelischen Gesellschaft hinterlassen.

Screenshot PCHR

Den Teufelskreis zu durchbrechen, so lautet zumeist das diplomatische Ziel. Doch bei manchen Akteuren, wie z.B. der Trump-Administration scheint die Einsicht zu fehlen, dass dies nur durch echtes Verständnis für beide Seiten, Interesse, Durchhaltevermögen und ziemlich viel Glück erreicht werden kann. Denn der Alltag in der Region lässt kaum Raum zum Durchatmen und für einen Verständigungsprozess. Siehe obigen Screenshot oder eben hier:

Screenshot Haaretz
 

Donnerstag, 20. Juli 2017

Zerstörte Städte - Drohnenaufnahmen zeigen Folgen von Konflikten

Der Krieg ist in die Städte zurückgekehrt. Wurde Anfang und Mitte des vergangenen Jahrhunderts vor allem auf "freier Fläche" gekämpft (was nicht heißt, dass Städte keine Ziele z.B. von Luftschlägen, darstellten), sind heute urbane Gebiete auch am Boden hart umkämpft. 

Screenshot "I Saw My City Die"

Das Internationale Rote Kreuz sieht gegenwärtig die größten Gefahren für Zivilisten durch Kämpfe in und in der Umgebung von Städten (In dem Zusammenhang ist das eindrucksvolle Themenportal "I Saw My City Die" zu empfehlen, siehe hier). In Syrien und dem Irak wurden 70 Prozent der zivilen Opfer in urbanen Gebieten getötet. 
Nun mag man einwenden, dass dicht besiedelte Gebiete schon immer anfälliger waren für hohe Opferzahlen, allerdings zeigt die ICRC-Untersuchung, dass früher seltener in einer Stadt selbst gekämpft wurde und dass Waffen, die eigentlich für "offene Schlachten" entwickelt wurden, nun in engen Straßen und zwischen Häuserblocks eingesetzt werden.

Um einen Eindruck von den Folgen zu bekommen, liefern Drohnen eindrucksvolle und erschreckende Bilder. Sie können einen Beitrag leisten, um Krieg besser zu verstehen, auch wenn wir nicht "in seinem blutigen, abstossenden, schmutzigen Inneren sitzen."

Bilder aus Mossul (2017):



Bilder aus Aleppo (2016):



Bilder aus Donetsk (2015):


Bilder aus Gaza (2014):

Samstag, 4. März 2017

"Walls are hot right now..." Banksy eröffnet Hotel in Bethlehem

“Walls are hot right now, but I was into them long before Trump made it cool."

In Bethlehem hat ein Hotel eröffnet, das die Handschrift von Banksy trägt. Werke von ihm zieren die Wände, ein Zimmer wirbt mit "dem miesesten Blick der Welt", andere ermöglichen den direkten Blick auf Wachtürme der Grenzschutzanlage. Insgesamt neun Zimmer warten auf Gäste. Bilder gibt es hier.

Freitag, 6. Mai 2016

Flucht in Zahlen: Zeit im Exil mehr als verdoppelt

Über die Zahl der Flüchtlinge weltweit wird mittlerweile umfassend berichtet, Karten zeigen Ursprünge, Wege und Ziele auf und an der ein oder anderen Stelle wird sogar deutlich, dass die überwiegende Mehrzahl geflüchteter Menschen in der unmittelbaren Umgebung ihrer Heimatländer Zuflucht sucht. Diese regionale Komponente wird angesichts der angeblichen "Flüchtlingsströme" oder "Flüchtlingswelle" gerne vergessen (was nicht bedeutet, dass die Zahl Schutzsuchender in den vergangenen Jahren nicht stark gestiegen und aktuell hoch ist, aber dass sie eben in den globalen Kontext gesetzt werden und erkannt werden muss, dass Konflikte und soziale Ungleichheiten Fluchtbewegungen auslösen und verstärken. Konflikte und soziale Ungleichheiten, an denen auch die Industriestaaten ihren Anteil haben).



Doch neben der Anzahl von Geflüchteten geht eine andere Zahl etwas unter. Eine, die vor allem für die Menschen, die ihre Heimat verlassen haben von hoher Relevanz ist: Die Zeit, die Flüchtlinge im erzwungenen Exil leben müssen. Wenn es keine dauerhafte Aufnahme und Integration im Zielstaat gibt oder ein Ressettlement-Programm des UNHCR greift, kehren geflüchtete Menschen irgendwann in ihre Heimatländer zurück (und wollen dies in den meisten Fällen auch). Doch der Aufenthalt im Exil hat sich seit der 1990-er Jahre deutlich verlängert. Lebten Geflüchtete im Jahr 1993 im Durchschnitt noch 9 Jahre im Exil, waren es 2003 schon 17 Jahre. Dabei ist keine Trendumkehr in Sicht, im Gegenteil diese Zahl scheint sich in den vergangenen Jahren verstetigt zu haben.  


Quelle: The State of the World's Refugees - http://www.unhcr.org/4444afcb0.pdf, S. 107

Als Beispiel für ein Langzeit-Exil kommt einem sicher zunächst die Situation der Palästinenser in den Sinn, von denen Hunderttausende in Jordanien oder Syrien leben. Doch teilweise haben sie dort (auch wenn viele immer noch in "Flüchtlingslagern" leben) eine Art neue Heimat gefunden. Mehr als 300.000 Palästinenser leben aber auch als Flüchtlinge in Saudi-Arabien oder Ägypten. Doch auch in Algerien leben beispielsweise 165.000 Menschen, die aus der Westsahara geflüchtet sind. In Armenien haben fast eine Viertelmillion Menschen aus Aserbaidschan Zuflucht gesucht, in China fast 300.000 Menschen aus Vietnam. Pakistan hat eine Millionen Afghanen aufgenommen, in Tansania leben seit den 90er-Jahren mehr als 400.000 Menschen aus Burundi.

Die Beispiele zeigen, dass es sich in der Mehrheit um Konflikte handelt, die schwelen, immer wieder aufflammen und nicht nachhaltig befriedet werden können. Dabei spielen wirtschaftliche und soziale Gesichtspunkte ebenfalls eine Rolle. 

Mittwoch, 30. März 2016

Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung: Britische Soldaten operieren in Libyen

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit soll Großbritannien Bodentruppen nach Libyen geschickt haben. Dies geht zumindest aus Aussagen jordanischer Quellen hervor, die das Newsportal Middle East Eye zitiert. Jordanien soll die britischen Einheiten nämlich vor Ort unterstützen. 

Von 1977 bis 2011 war die Flagge Libyens nur "ein grünes Tuch". Das Land war damit der einzige unabhängige Staat, der ein einfarbiges Tuch ohne jegliche Symbole als Nationalflagge führte.


Es wird schon lange davon ausgegangen, dass U.S.-Spezialeinheiten regelmäßig am Boden operieren. Hinzu kommen Einsätze von Drohnen. Insofern wird der politische Prozess in Libyen ständig von Militäroperationen "begleitet". 

He did not reveal the size or scope of the operations in Libya, where IS has seized control of territory amid a political vacuum that has emerged in the chaos since former leader Muammar Gaddafi was overthrown and later killed in a NATO-backed 2011 uprising.

Letztlich tobt ein Bürgerkrieg in Libyen, der seit dem Sturz Gaddafis nicht eingedämmt werden könnten. Die zahlreichen Versuche eine Übergangsregierung sind bisher immer wieder gescheitert. Dies liegt zum einen am Erstarken des IS, zum anderen an dem fortwährenden Konflikt der anderen zahlreichen Gruppierungen, wie ein aktueller Bericht deutlich macht:

„Haftar muss Teil der Lösung sein“, sagt der UN-Sondergesandte über den mächtigen General, der unter seinen Gegnern verhasst ist. Kobler strebt den Aufbau einer Einheitsarmee an, die sich dem IS entgegenstellen solle, bevor es der Westen auf eigene Faust tun muss. „Der Kampf gegen den IS muss zuallererst ein Kampf der Libyer sein, ein ausländischer Alleingang könnte den Konflikt verschärfen“, sagt Kobler.

Doch genau dies scheint nicht zu geschehen. Das internationale militärische Engagement wird verstärkt - wenn auch verdeckt. Gruppen werden unterstützt, Spezialeinsätze unternommen. Doch die Haltung, dass dies zu einer Befriedung dieses hochkomplexen Konflikts beitragen könnte, kann nur allzu leicht entlarvt werden, wenn man auf die Entwicklung in anderen Staaten, aber auch im Land selbst blickt. Sanktionen sollen auf diplomatischer Ebene Abhilfe schaffen, doch letztlich wird deutlich, dass diplomatische Mittel an ihre Grenzen stoßen, wenn längst die militärische Logik regiert.

Fußnote dieser Meldung ist, dass Jordanien offenbar eine deutlich stärkere außen- und sicherheitspolitische Präsenz anstrebt. Nicht nur in Libyen engagiert sich das Land, auch in Syrien kämpfen jordanische Soldaten gegen den IS.

Montag, 7. März 2016

Libanon: Einblicke in die alltäglichen Herausforderungen einer NGO

Wer sich für einen Einblick in die tägliche Arbeit von Hilfsorganisationen interessiert, dem sei der Blog "Mission to MENA" ans Herz gelegt.



Rouven Brunnert berichtet als Mitarbeiter des Roten Kreuzes/Roten Halbmonds von den Herausforderungen, welchen sich Nichtregierungsoganisationen im Libanon angesichts der hohen Zahl von Geflüchteten gegenüber sehen, erzählt von seinen ganz persönlichen Eindrücken und der Situation der Helferinnen und Helfer und liefert so eine andere Perspektive auf die Debatte um Flucht und Migration.   

Freitag, 1. Januar 2016

Soldatische Zeugnisse aus Hebron 2005 - 2007

Auf die Organisation "Breaking The Silence" wurde hier schon desöfteren verwiesen. Unter anderem auf Aussagen von Soldaten, die in Hebron ihren Dienst verrichteten.

Es sind, wie beschrieben, Zeugnisse der Gewalt, der Langeweile, von Misshandlungen, Verhaftungen, darüber, wie die Besatzung funktioniert. Was es mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten macht. Wie es sich auf die zumeist jungen israelischen Soldatinnen und Soldaten auswirkt. Es ist ein sehr gehaltvolles Dokument, hat es doch Aussagen verschiedenster Dienstgrade zur Grundlage. Auch die Tatsache, dass die israelische Armee in den Gebieten mit zahlreichen Militärdienstleistenden (etwa 65 Prozent des Personals der regulären Streitkräfte sind Wehrdienstleistende) operiert, ist bemerkenswert. Denn das bedeutet, dass die soziale Selektion deutlich geringer ist, als in anderen Streitkräften.

Verfehlungen und systematische Menschenrechtsverletzungen sind also kein ausschließlich sozial zu erklärendes Phänomen, sondern ergeben sich direkt aus der Aufgabe, welche die israelische Armee im Auftrag der Gesellschaft erfüllt. Da die Aufzeichnungen bisher nur auf Hebräisch und Englisch vorliegen, soll an dieser Stelle nach und nach eine deutsche Übersetzung veröffentlicht werden. Das PDF-Dokument wird sukzessive aktualisiert.


In hebräischer Sprache und englischer Übersetzung liegen noch zahlreiche weitere Sammlungen vor, speziell von weiblichen Soldaten, oder zur Operation "Gegossenes Blei".

Freitag, 20. November 2015

Bloße Empörung hilft nicht weiter

"Wer den Terror bekämpfen will, der muss verstehen: Man kann Terror nicht von Terror unterscheiden. Das war schon falsch nach 9/11, als Kommentatoren den kaltblütigen vielfachen Mord mit der Nahostpolitik der USA hinweg zu erklären versuchten. Das war falsch nach den Attentaten in Madrid und London, als der Irakkrieg als Erklärung herhalten musste. Das ist falsch in Paris und ebenso falsch in Tel Aviv und Jerusalem. Man kann die Nahostpolitik der Amerikaner für ebenso falsch halten wie den Irakkrieg oder die israelische Siedlungspolitik. Doch nichts rechtfertigt den Mord an Zivilisten. Nirgendwo.

Wollen wir Freiheit und Sicherheit bewahren, dann brauchen wir für die Bekämpfung des Terrors diese analytische und moralische Klarheit."

 Trauernde am Place de la République am 19. November. Foto: sébastien amiet;l, via flickr.com.

Das schreibt Judith Hart im Cicero. Schade. Sie analysiert in ihrem Kommentar zwei Dimensionen auf eine Art und Weise , dass am Schluss bloßer Betroffenheitsbrei übrig bleibt. Und das obwohl von ihr "analytische und moralische Klarheit" gefordert werden . Es ist richtig Terrorakte zu verurteilen. Es ist jedoch fahrlässig jegliche Frage nach möglichen Hintergründen von Terroranschlägen als Rechtfertigung für (Massen-)mord zu betrachten oder die Suche nach Kausalzusammenhängen als Legitimierung von Terror zu diffamieren.

Oper in Sydney: Ausdruck der Solidarität. Foto: Clint Budd, via flickr.com.

Wer den Umgang mit militanten Gruppen in Afghanistan und Pakistan nicht mit 9/11 in Verbindung bringt, wer das entstandene Machtvakuum im Irak (nun aber auch z.B. im Jemen, in Syrien, in Libyen oder in Somalia aufzufinden) nicht als gefährliche Existengrundlage terroristischer Gruppen begreift, wer den Verlauf des Konflikts mit den Palästinensern nicht als Bedrohung für Israel ansieht, der bleibt bei der Betrachtung des bloßen singulären Ereignisses stehen und vermag nicht viel mehr als Betroffenheit, Trauer, Wut und Angst auszudrücken. Diese Reaktionen haben ihre Berechtigung, helfen aber nicht bei der Bekämpfung des Terrors.

Dienstag, 17. November 2015

Nahostkonflikt: Kritiker aus den eigenen Reihen


Der ehemalige Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes und Friedensaktivist Ami Ajalon äußerte sich in einem Interview zur Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Er zweifelte darin die Sinnhaftigkeit der EU-Entscheidung an, unterstrich aber die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung.

Interessant ist das Interview, da es deutlich macht, dass gerade (ehemalige) hohe Verantwortliche aus Armee und Sicherheitsbehörden den politischen Verantwortungsträgern und deren Entscheidungen sehr kritisch gegenüberstehen. Dies mag in vielen Staaten ähnlich sein. In Israels Fall gewinnt solche Kritik allerdings an Brisanz, da sich außen- und sicherheitspolitische Fehleinschätzung und -entscheidungen in der bestehenden Konfliktsituation unmittelbarer in der israelischen Gesellschaft (z.B. Erlebnisse von Wehrpflichtigen in der Armee, Sicherheitsempfinden, Umgang mit Minderheiten) niederschlagen. 

In diesem Zusammenhang ist die Dokumentation "The Gatekeepers" (dt. "Töte zuerst") zu empfehlen. Sie zeigt die hohe Komplexität des Konflikts mit den Palästinensern, die Dominanz militärischer Logik, aber auch die Fähigkeit der kritischen Auseinandersetzung und Reflektion seitens Israels Exekutive.


Vollversionen finden sich u.a. auf Vimeo.  

Sonntag, 23. August 2015

Webspecial: Rückzug aus Gaza, zehn Jahre danach

ARTE Info beschäftigt sich mit dem israelischen Rückzug aus Gaza, der vor zehn Jahren von Ariel Sharon durchgesetzt wurde. 




Mit einer Chronologie der Ereignisse, Interviews mit Verantwortlichen und Betroffenen und dem vergleichenden Blick ins Westjordanland wird versucht, den Rückzug aus dem Küstenstreifen zu analysieren und in das komplexe Gesamtgeschehen des Nahostkonflikts einzubetten. 

Samstag, 16. Mai 2015

Waltz with Bashir: Hollywood vs. Arthaus

Bei Filmen ist eines klar: Hollywood steht für den Blockbuster, Frankreich für den schwarz-weißen Kunstfilm, bei dem man ein Gähnen nicht unterdrücken kann. Soweit das Klischee.

Der grandiose Animationsfilm Waltz with Bashir, eine Dokumentation des israelischen Regisseurs Ari Folman, über den Libanon-Krieg 1982, aber vor allem über den Umgang der Soldaten mit dem Erlebten und die Aufarbeitung innerhalb der israelischen Gesellschaft (und unbedingt sehenswert!!!), hat wie so viele Filme unterschiedliche Trailer für die Releases in den unterschiedlichen Ländern. Und was soll man sagen. Klischee Hollywood vs. Arthauskino hin oder her, bei solch einem klugen, sensiblen und anrührenden Film, fallen doch ein paar kleine Unterschiede bei der Trailergestaltung zwischen Europa und den USA auf.

Hier der deutsche Trailer:



Hier die internationale Version:



Hier die (u.a.) US-Version:



Es mag auch am Film selbst liegen, der ernsthafte Erzählung mit Actionszenen und schnellen Schnitten vereint. So oder so, wer ihn noch nicht gesehen hat, anschauen! Die 8,0 von IMDB erscheinen da fast zu niedrig, die 96% von Rotten Tomatoes treffen es besser.

Sonntag, 12. April 2015

Open Source-Archiv zur Geschichte des Nahen Ostens

Ein seit kurzem online verfügbares offenes Archiv zur Geschichte des Nahen Ostens mit Briefen, Tagebüchern, Karten, Audio-Files und Fotografien, gibt einen Einblick in die sozialen, politischen und kulturellen Umwälzungen der Region in den vergangenen 150 Jahren.

Es finden sich genauso Bilder eines Kaffeehauses in Kuwait von 1918 wie die digitalisierten Seiten des "Handbook of Arabia Vol. II" aus dem Jahre 1917. Manche Fotografien reichen bis 1886 oder 1888 zurück.




Die Bilder sind auch Zeugnisse der frühen Orientforschung, darunter auch die Arbeit deutscher Orientalisten. Viele Fotografien zeigen "exotische" Szenen und Menschen und dokumentieren dabei unfreiwillig den teilweise kolonialen Charakter der wissenschaftlichen Arbeit.


 
Dies lässt sich nicht ohne weiteres verallgemeinern, viele Wissenschaftler zeigten ein echtes Interesse an Gesellschaft und Kultur, ohne damit politische Ziele zu verfolgen. Doch im Geist der damaligen Zeit war die Forschung oftmals von Stereotypen geprägt. Die beiden oberen Aufnahmen des Fotografen Christiaan Snouck Hurgronje sind auf das Jahr 1888 datiert.

Viele Aufnahmen zeigen Orte und Ereignisse zum ersten Mal, so z.B. Pilger auf dem Berg ‘Arafah während der jährlichen Versammlung (von Süden aus gesehen) im Jahr 1886/1889 (nicht genau datiert) oder die britische Vertretung im iranischen Buschehr im Jahr 1902:






Alle Bilder: (c) qdl.qa Im Ganzen sind folgende Archive verfügbar:
  •  India Office Records that span the period 1763–1951, comprising files from the Bushire Political Residency Records and the Bahrain Agency Records
  • J. G. Lorimer’s Gazetteer of the Persian Gulf , Oman and Central Arabia (1908, 1915), a classic introduction to the history of the Gulf
  • 500 maps, charts and plans of the Persian Gulf and the wider region
  • The Private papers of Sir Lewis Pelly, Political Resident in the Persian Gulf between 1862 and 1872
  • Arabic Scientific Manuscripts from the British Library’s Manuscripts Collections, covering topics such as medicine, mathematics, astronomy and engineering
  • A selection of photographs, postcards and other printed objects as well as sketches, drawings and watercolours; etchings, engravings and illustrations
  • A selection of audio collection materials including 200 shellac discs recorded in Bahrain, Kuwait and Iraq between 1920 and 1940

Montag, 9. Februar 2015

Neue Zahlen zu ISIS: Luftangriffe töten etwa 7.000 Kämpfer

Schon wieder neue Zahlen zum Thema ISIS. Diesmal verkündet durch Jordanien. Offizielle gaben an, dass seit Ende September die Luftschläge der Koalition u.a. bestehend aus Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA etwa 7.000 ISIS-Kämpfer getötet habe.
Nach der Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten kündigten die Verantwortlichen eine harte Reaktion an. Dabei gaben Sie sich mit der bisherigen Offensive zufrieden und machten deutlich, dass ein Ende der Angriffe nicht absehbar sei: “And this is not the end. This is the beginning.” Mit den aktuellen Anstrengungen soll etwa ein Fünftel der Waffen der Militanten vernichtet worden sein.

Eine Gesamtrechnung aus den unterschiedlichen Quellen bleibt schwierig. Das syrische Militär will mehr als 5.000 Kämpfer innerhalb von drei Monaten getötet haben. An anderer Stelle sollen mehr als 1.000 ISIS-Mitglieder bei der Schlacht um Kobane gefallen sein, zusätzlich etwa 450 kurdische Kämpfer und mehr als 30 Zivilisten.

Addiert man die Angaben der vergangenen Monate zusammen, so lautet die äußerst konservative Schätzung, dass mindestens 12.000 ISIS-Kämpfer und mindestens 10.000 Zivilisten getötet wurden. 

Sonntag, 18. Januar 2015

Der Feind in meinem Bus

Empfehlenswertes Multimedia-Projekt des BR zum Nahostkonflikt: "Der Feind in meinem Bus" zeigt den Arbeitsweg verschiedener Palästinenser vom Westjordanland nach Israel. 


Doch der Titel gilt auch andersherum. Jüdische Siedler warten an der gleichen Haltestelle auf ihren Bus, nur wenige Meter entfernt stehend beäugen sie sich mißtrauisch. Oder ignorieren sich...

Einfach mal durchklicken



Montag, 27. Oktober 2014

„Sie haben Europa bereits erobert“ - über den Drogenkrieg in Mexiko und die gemeinsamen Finanzströme von Kartellen und Terroristen

Organisierte Kriminalität und Terrorismus nutzen zunehmend die gleichen Geldquellen. Die verfahrene Situation in Mexiko mit Tausenden Opfern zeigt die Auswirkungen des Drogenkriegs genauso wie die immer engere Verflechtung von Kriminellen und Militanten - und die Rolle des Bankensystems.

In der vergangenen Woche erschien ein Artikel des Journalisten und Wissenschaftlers Musa al-Gharbi, der die mexikanischen Drogenkartelle mit ISIS (oder IS oder ISIL) verglich, ja noch weiter ging und titelte: „Mexican drug cartels worse than ISIL“. Dabei bezog er sich auf Enthauptungen, Vergewaltigungen und andere Grausamkeiten, die von beiden Gruppierungen verübt werden. Ebenfalls in der vergangenen Woche sendete ARTE die Dokumentation: "Die Macht der Kartelle“. Darin wurde deutlich, dass der Vergleich dieser Akteure sinnvoller ist, als es auf den ersten Blick erscheint.

Denn: Organisierte Kriminalität und Terrorismus hängen zunehmend zusammen, und es gibt ein Verbindungsglied, eine Schnittstelle: die Geldwäsche. Der Konflikt in Mexiko veranschaulicht, wie eng die Verbindungen mit der nationalen und transnationalen Finanzwirtschaft sind, aber auch wie die Kartelle immer neue Strategien entwickeln, um das Geld zu waschen. Der Drogenhandel hat längst einen globalen Charakter und vermischt die Finanzströme und die Geldquellen der Organisierten Kriminalität mit denen des Terrorismus.


Viel erfährt man bereits, wenn man die Situation in Mexiko betrachtet
. Dort herrscht in manchen Bundesstaaten faktisch Anarchie. Die Drogenkartelle mischen in allen Wirtschaftszweigen mit, ob beim Anbau von Avocados oder in der Logistikbranche. Es lässt sich kaum deutlicher formulieren, als es der ehemalige Chef des Geheimdienstes CISEN, Guillermo Valdés Castellanos, tut: „Der Staat wird unterwandert, die Institutionen werden gekauft und mischen aktiv mit. Die Polizeibehörden ebnen dem organisierten Verbrechen den Weg und beteiligen sich persönlich am Schmuggel, an der Liquidierung rivalisierender Banden und der Entführung unbescholtener Zivilisten.“ Castellanos war fünf Jahre lang Chef des Geheimdienstes.

Ein Beispiel zeigt die simple, aber effektive Vorgehensweise der Gruppen, die das staatliche Gewaltmonopol aufgebrochen haben. Sinken die Preise, wird die Produktion verknappt. Dies gilt für Drogen genauso wie für die von ihnen kontrollierten Zweige der Landwirtschaft. Dort verhängen sie einfach einen mehrwöchigen Erntestopp. Wer sich wehrt, stirbt. Unternehmer entlassen Leute, damit ihr Betrieb nicht aufgrund der Größe in den Fokus der Kartelle gerät. „Wenn Du einen großen Betrieb hast, werden sie persönlich vorstellig“, erzählt ein Unternehmer.


Sichergestellte Waffen in Ciudad, Ende 2010. Der Waffenhandel zwischen den USA und Mexiko floriert, 90 Prozent der konfiszierten Waffen stammen aus den USA. Mittlerweile stellen auch zahlreiche ehemalige Angehörige von Sicherheitskräfte und Spezialeinheiten ihre Expertise den Drogenkartellen zur Verfügung. Photo Credits: Jesús Villaseca P/Latitudes Press, via flickr.com

Das Sicherheitsproblem verursacht Kosten. Die Ausgaben für Sicherheit seitens der Wirtschaft sollen 0,7 Prozent des BIPs betragen. Oder zwingt zu unkonventiellen Arrangements. Anfang des Jahres legalisierte die mexikanische Regierung Bürgerwehren, die sich regelmäßig Gefechte mit bewaffneten Gruppierungen liefern. Ausländische Unternehmer werden abgeschreckt, 20 – 30 Prozent ehemals privater Besitzungen sollen mittlerweile illegal an die Kartelle übergegangen sein. Die Importeure, z.B. in den USA, wissen Bescheid. Doch sie geben sich unbeteiligt, Schutzgelder werden als unvermeidlich akzeptiert. Lokale Behörden machen dagegen keinen Hehl aus ihrer Beteiligung.


Die allgemeine Lebenserwartung in Mexiko sinkt

Doch nicht nur die Opfer der Verbrechen kennen keinen normalen Alltag mehr und denken darüber nach, das Land zu verlassen. Auch die Drogenbosse selbst, die der ständigen Gefahr durch rivalisierende Banden ausgesetzt sind, bringen ihr Geld und ihre Familien außer Landes. Der ehemalige US-Beamte Javier Pena geht davon aus, dass immer größere Investitionen in den USA mit Hilfe von Drogengeldern getätigt werden. Eine anonyme Ermittlerin erzählt: „Sie handeln nicht. Und sie zahlen immer in bar.“

Mexiko will dies unterbinden und stärker gegen die Geldwäsche vorgehen. Doch bisher sind die Erfolge bescheiden. Ernesto Cordero Arryo, mexikanischer Finanzminister 2010 bis 2011, gibt in diesem Zusammenhang an, dass allein 2010 20 Milliarden US-Dollar von Mexiko in die USA flossen. Das Geld wurde in Mexiko bar eingezahlt und dann in die USA transferiert. Ein neues Gesetz versuchte dies zu unterbinden – auf dem Papier ein Erfolg. Der Geldfluss sank auf acht Milliarden US-Dollar. Doch trifft das Gesetz nicht nur ganz normale Unternehmer, sondern es hat die Geldströme nur verlagert. Nun wird es direkt in bar in die USA geschleust, oder über Drittstaaten transferiert. Schon hier, in dem bilateralen Verhältnis zwischen Mexiko und den USA, wird deutlich, dass transnationale Banken eine wichtige Rolle spielen.


Vor zwei Wochen beschlagnahmten US-Beamte bei einer großangelegten Operation mit dem Namen "Fashion Police" an einem Tag 90 Millionen US-Dollar in bar. Die mehr als 1.000 Beamten stießen auf eine verschachtelte Struktur von Textil-Import-Export-Firmen, die laut Foreign Policy nach der Entscheidung von 2010 aufgebaut wurden: "Officials say the effort to keep criminals from laundering their money through the banking system has pushed them into more complex plots."



Immer mehr Kokain gelangt nach Europa, die Einfuhr in die USA ist zwischen 1998 und 2008 gesunken. Doch genauso wie die Routen, haben sich auch die Geschäfte der Kartelle diversifiziert. Neben den Drogen verdienen sie mit Hilfe von Schutzgeldern, Entführungen und Investitionen in legale Unternehmungen Milliarden. Die Verlagerung zeigt auch, dass neue Akteure am Drogenhandel verdienen. Mit dem Wachstum verbinden sich auch immer größere Risiken für illegale Aktivitäten an den europäischen Finanzplätzen, wie London oder Franktfurt. Abbildung: World Drug Report 2011, UNODC.

Was den konkreten Drogenschmuggel in die USA angeht, so sagt ein Ermittler: „Entscheidend ist es, das Zeug über die Grenze zu bringen, danach können sie sich eigentlich frei bewegen." Ware im Wert von ursprünglich 30 Millionen US-Dollar, kann dann für bis zu 750 Millionen US-Dollar an Endverbraucher verkauft werden. 


2006 gab es den Versuch, die Macht der Kartelle mit militärischen Mitteln zu brechen. Doch bereits Informationen über die Strukturen der Kartelle waren Mangelware. Die Regierung Felipe Calderón (2006 - 2012) erklärte in Absprache mit den USA den Kartellen den Krieg, ohne genau zu wissen, was für einem Gegner der mexikanische Staat gegenüberstand.

Die Bilanz dieser offensiven Vorgehenweise ist erschreckend: mehr Drahtzieher, mehr Drogenringe, 70.000 Tote (andere Schätzungen gehen von bis zu 250.000 Toten aus), 20.000 Vermisste, Zehntausende Vertriebene. Die tatsächliche Zahl der Opfer könnte noch weit höher liegen. In Mexiko werden von 100 verübten Verbrechen nur acht gemeldet. Die Dunkelziffer bei allen Arten von Verbrechen ist also sehr hoch. Zudem ist die Zurechenbarkeit von Morden zu Drogenvergehen auch nicht immer gegeben. Dies hat spürbare Auswirkungen auf die Gesellschaft: die Lebenserwartung in Mexiko ist seit Jahrzehnten das erste Mal gesunken und bei den 20 – 25-Jährigen sind Tötungsdelikte die Haupttodesursache. Trotzdem haben Investitionen in den Sicherheitsapparat weiterhin Priorität, ohne dass es greifbare Ergebnisse gibt.

Mittlerweile haben die Kartelle zahlreiche Ex-Mitglieder von Spezialeinheiten in ihren Reihen und ihre Schlagkraft weiter erhöht. Die meisten Waffen stammen aus Texas. Über 150.000 wurden in der Amtszeit Calderóns beschlagnahmt. Auch die Brutalität nimmt zu. Es sind beklemmende Aufnahmen, wenn sich Mitglieder einer Gruppe nach dem Mord an 49 Menschen daran machen, diese aufeinanderzustapeln, um damit ihre Botschaft zu übermitteln. Aufgeklärt werden solche Massaker selten. Anfang des Jahres gab es Bemühungen, das Verschwinden von 300 Menschen im Jahr 2011 aufzuklären, Ergebnisse und Verhaftungen gab es jedoch nicht. 


An dieser Stelle kann nicht unerwähnt bleiben, dass ein Teil der Waffen auch aus Deutschland stammt. 4.500 Sturmgewehre von Heckler & Koch sollen in vier Unruheprovinzen exportiert worden sein. Zudem steht das Unternehmen unter Verdacht, dass auch Baupläne verkauft wurden, mit deren Hilfe die Waffen nachgebaut werden können.

Milliardengewinne mit dem Handel von Benzin

Manche Gruppierungen erzielen wie oben angedeutet nur noch 50 – 60 Prozent ihrer Einnahmen mit Hilfe des Drogenhandels. Ihre Vorgehensweise ist simpel: sie verdienen an allen Verbrechen in einem Gebiet mit. Eine Art „nationaler Dachverband des Verbrechens“, nennt es Ex-Geheimdienstchef Castellanos. So werden Lastwagen mit Stoffen gestohlen und Lösegeld gefordert. Die Unternehmer bezahlen, um ihre Lieferfristen einhalten zu können. Lukrativ ist auch der Diebstahl und Handel mit Benzin. Der Präsident des Senatsausschusses für Energie, David Penchyna Grub, geht von einem jährlichen Schaden von vier Milliarden US-Dollar aus. Das Produkt ist fertig aufbereitet und wird in das legale Verkaufsnetz eingespeist. Um den langfristigen Erfolg sicherzustellen, werden Mitarbeiter und sogar Provinzregierungen bestochen oder bedroht.


Angesichts der alltäglichen Gewalt haben viele Journalisten kapituliert. Viele wurden entführt oder getötet. Einige Blogs, oder wenige Zeitungen, wie hier die Los Angeles Times, versuchen trotz der unübersichtlichen, komplexen und dynamischen Strukturen ein Gesamtbild des war on drugs zu vermitteln. Photo Credits: Los Angeles Times.

Das Geschäft ist sehr einträglich. Die Kartelle haben praktisch keine Kosten. Begünstigt bzw. zementiert wird dieser Zustand vor allem durch die grassierende Korruption. Im Ölgeschäft wirkt sich die Monopolstellung des staatlichen Konzerns Pemex besonders ungünstig aus. Die Probleme sind so groß, dass zwar Rohöl exportiert wird, teures Benzin aber importiert werden muss.

Kaum jemand wird selbst bei solch großen Skandalen zur Verantwortung gezogen. Auf dieser Straffreiheit beruht die Macht der Kartelle. Deregulierung fördert ihre Strategie, die sie auch jenseits der Grenze umsetzen. Dabei sind sie auf Hilfe angewiesen. Everett Stern, ehemaliger Mitarbeiter der britischen Großbank HSBC, sagt: „Die Leute verstehen nicht, dass es nicht um einen Bankenskandal geht, sondern um einen Krieg.“ Es gäbe zwar keine direkte Zusammenarbeit, aber die Banken kümmert es einfach nicht, woher das Geld stammt. Dies bestätigen ehemalige Mitarbeiter genauso wie Vertreter von Strafverfolgungsbehörden.

„Ein Mausklick dieser Leute genügte, um Terroristen zu finanzieren“, sagt Stern. Angst macht seine Stimme während des Interviews brüchig. Hunderte von HSBC-Mitarbeitern würden Dinge genehmigen, von denen sie keine Ahnung hätten. Das interne Programm, um dies zu verhindern sei ein „Schwindel“, mehr nicht. Ein solches Programm würde schlicht nicht existieren. Filter würden manipuliert, um Verbote innerhalb der Außenwirtschaftskontrolle zu umgehen. So hätten Drogenkartelle, aber auch die Hizbollah Hunderte Millionen US-Dollar erhalten. Da nütze kein Anti-Geldwäsche-Programm etwas.

HSBC benutzt mittlerweile Software der Firma Norkom, mit der sich massenhaft verdächtige Transaktionen freischalten lassen, die dann als überprüft gelten. Nach Aussagen von Stern gab es interne Vorgaben, um keinen Rückstand bei den Freigaben solcher Transaktionen zu generieren, da diese Verzögerungen möglicherweise die Aufmerksamkeit der Behörden geweckt hätten. Bei den Aussagen von Personen, die mit internen Abläufen vertraut sind wird schnell deutlich, dass die Einspeisung von illegalem Geld System hat.
Ein Artikel des US-Journalisten Chris Dolmetsch von 2012 trägt die Überschrift: "HSBC Mexican Branches Said to Be Traffickers’ Favorites". 

"Wollen Sie Gesetze der Cayman-Islands einhalten, oder die der USA?"

Offizielle der US-Administration gehen davon aus, dass jährlich mehrere Hundert Milliarden US-Dollar auf diese Weise gewaschen werden. Es ist nicht ganz einfach solche Zahlen zu verifizieren. Die Zahl scheint sehr hoch, allerdings beläuft sich die Summe gewaschenen Geldes nach Schätzungen von UNODC auf 1,6 Billionen US-Dollar jährlich. Andere Schätzungen gehen von 2,3 Billionen US-Dollar aus. Eine andere Zahl macht das Ausmaß noch deutlicher: trotz aller gemeldeten Erfolge wird gegenwärtig nur ein Prozent des schmutzigen Geldes konfisziert oder Einlagen auf illegalen Konten eingefroren.

Zwischen 1,4 und 3,2 Billionen US-Dollar werden jährlich an illegalen Gewinnen erzielt, ein bedeutender Teil davon wird ins internationale Finanzsystem eingespeist. Je nach Schätzung bis zu vier Prozent des globalen Bruttoweltprodukts. Quelle: UNODC-Report: "Estimating illicit financial flows", 2011.

Viele Banken lassen ihre Tochtergesellschaften vollständig autonom agieren und verzichten auf einen internen Informationsaustausch und die Überprüfung verdächtiger Konten. Der Ablauf ist folgender: Geld wird in Wechselstuben eingezahlt, auf Konten eines mexikanischen Ablegers einer international agierenden Bank transferiert und dann per Lastwagen oder Flugzeug in die USA geschickt. Danach stehen den Kartellen unterschiedlichste Finanzinstrumente zur Verfügung. HSBC stellt dabei kein Einzelfall dar, zahlreiche transnationale Großbanken sind in die Geldwäsche verwickelt. Eine DEA-Mitarbeiterin gibt sich keinen Illusionen hin: „Money talks.“ 

In einer Ausschussanhörung in den USA sagte eine HSBC-Vertreterin: „Wir bedauern das alles sehr. Wir entschuldigen, dass wir die Erwartungen nicht erfüllt haben.“ Ein Vertreter der Rechtsabteilung wurde mit der Frage konfrontiert: „Wollen Sie die Gesetze der Cayman-Islands einhalten, oder die der USA?“ Eine Antwort blieb er schuldig. Bartlett Naylor, Mitglied der Initiative Public Citizen machte die Kluft zwischen moralischer Debatte und tatsächlichen Folgen deutlich. Für ein paar Gramm Marihuana könne man ins Gefängnis kommen, wer 200 Millionen US-Dollar wasche komme mit einer Geldstrafe davon, die „einer Mahnung der Leihbücherei“ entspreche. Ein paar Millionen Dollar seien für die Bank keine Abschreckung. Naylor: „Es spricht Bände, dass die HSBC-Aktie nach einer solchen Einigung gestiegen ist.“ Illegales Verhalten wird vom Aktienmarkt bei entsprechender Reaktion der Strafverfolgunsbehörden offenbar belohnt. Letztendlich zahlte HSBC 2012 für das Waschen von Drogengeld in Höhe von 881 Millionen US-Dollar die Rekordsumme von 1,9 Milliarden US-Dollar. Das sind knapp 12 Prozent vom Gewinn eines Jahres.

Brad Miller, der zehn Jahre Mitglied des Finanzausschusses des Repräsentantehauses war, kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Wenn es jemals eine Bank gab, der als Strafe für einen Gesetzesvorstoß die Lizenz entzogen werden sollte, dann ist es HSBC.“ Es seien nicht ein oder zwei Mitarbeiter auf „Abwege geraten“, sondern die Mitwisser waren in den höchsten Ebenen zu finden. Die Wirtschafts- und Finanzkrise habe die Straffreiheit noch begünstigt. „Too big to fail“ trifft also genauso zu wie „Too big to prosecute“. Mehr als einvernehmliche Beilegungen, wie im Fall HSBC konnten die Behörden nicht vorweisen. Zudem werden die Banken nicht kleiner, was eine effektive Verfolgung von Gesetzesverstößen weiter verhindert. Die Politik beklagt offen ein Scheitern der Arbeit des Office of the Comptroller of the Currency (OCC). In den USA kommt hinzu, dass die Verflechtung von Politik und Wirtschaft äußerst eng ist. Die Drehtüre ermöglicht einen ständigen Austausch, der zunehmend gesamtgesellschaftliche Anliegen zugunsten von Partikularinteressen unterdrückt. Gerade die Finanzbranche ist äußerst aktiv und beschränkt sich nicht auf ein bestimmtes politisches Lager. Täglich gebe sie 2,4 Millionen US-Dollar für Lobbying aus, sagt der Aktivist Naylor: „Man darf nicht sagen, dass Stimmen gekauft werden. Aber es ist so.“


Dabei ist der Druck auf die Banken und den Drogenhandel in den USA deutlich erkennbar. Meldepflichten für Bargeldeinzahlungen und Sperrlisten in besonders gefährdeten Regionen sind hierfür Beispiele. Einzelne Behörden versuchen dort mit allen Mitteln die Geldwäsche einzudämmen. Doch auf der höchsten politischen Ebene in den USA und in Mexiko fehlt es an einer kohärenten Strategie.

Die Einigung zwischen HSBC und dem US-Justizministerium wurde am 11. Dezember 2012 verkündet. Die Rekordsumme von 1,9 Milliarden US-Dollar hatte keine sichtbaren negativen Folgen für die Entwicklung des Aktienkurses. Quelle: Screenshot von bloomberg.com

Europa bildet die neue Front im Drogenkrieg, seit es zum Hauptabnehmer von Kokain aufgestiegen ist. Damit eröffnen sich für den Vertrieb, aber auch die Geldwäsche ganz neue Möglichkeiten. Ein verdeckter Ermittler sagt: „Wo es Drogen gibt, gibt es auch Kartelle und Geld. […] Sie haben Europa bereits erobert.“ Cliff Knukey arbeitete 20 Jahre für die Abteilung für Wirtschaftskriminalität von Scotland Yard. Er hat einen deutlichen Wandel festgestellt. Klar ist dabei aber, dass nicht unbedingt der gesetzliche Rahmen das Problem ist, sondern dass die Gesetze schlicht nicht eingehalten und Verstöße nur unzureichend verfolgt werden. So unterscheidet sich die Situation in Deutschland nicht entscheidend von anderen Staaten. Die Bundesregierung rühmte sich zwar erst in der vergangenen Woche drei Geldwäscherichtlinien der EU umgesetzt und eine „verbesserte Sensibilisierung“ erreicht zu haben. Doch die Staaten stehen offensichtlich Akteuren gegenüber, die keinerlei Absicht zeigen, sich an verabschiedete Gesetze zu halten oder umfassend mit den Behörden in diesem Bereich zu kooperieren.

Kein Interesse den Geldfluss zu unterbinden
 
In Großbritannien stellten die Behörden fest, dass Dreiviertel der Banken ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen. Im Ausland eingezahlt, gelangt das schmutzige Geld zu einer von 580 britischen Banken, Steueroasen inklusive. Schwächen der dortigen Rechtssysteme werden zu Schwächen des nationalen Systems. Doch auch hier: es existiert einfach kein Interesse diesen Geldfluss zu unterbinden. Teure Immobilien in London gehören mittlerweile zu einer großen Zahl anonymen Strohfirmen, die den eigentlichen Besitzer und die Herkunft des Geldes verschleiern. Zwei bis fünf Prozent des Bruttoweltprodukts entfallen auf illegale Aktivitäten. Zählt man die sog. Schattenwirtschaft hinzu könnten es beinahe ein Fünftel aller erwirtschafteten Produkte und Dienstleistungen sein. Der Markt ist also gewaltig.


Entscheidender Teil des Systems sind transnationale Banken. Nur durch ihre Beteiligung lässt sich das schmutzige Geld waschen, ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Gruppierungen möglich und lassen sich die Gewinne reinvestieren. Hier eine Aufnahme der Zentralen von Barclays und HSBC in London, aufgenommen im Spetember 2014. Photo Credits: George Rex, via flickr.com

Es kommt bereits zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, wie Verhaftungen in Spanien und Italien zeigen. Dort sollen sich bereits Kartellangehörige mit Mafiavertretern getroffen haben. Der hohe Kokainpreis macht Europa als Markt so attraktiv. 


Neben der Internationalen Organisierten Kriminalität haben auch Terror-Gruppen den Drogenhandel und die damit einhergehenden Möglichkeiten der internationalen Geldwäsche für sich entdeckt. Seit 9/11 ist zudem die staatliche Unterstützung von terroristischen Gruppierungen deutlich gesunken. Viele Terror-Gruppen verdienen mittlerweile Geld im Drogengeschäft. Sie nutzen die gleichen Vermittler und Finanzexperten. So wird die Verbindung zwischen Organisierter Kriminalität und Terrorismus dichter. Ein Beispiel: die Geldwäscheaktivitäten der Hizbollah sollen bereits direkt mit den Aktivitäten mexikanischer Kartelle verknüpft sein. Geld wurde vom Libanon aus in die USA transferiert. Damit wurden Gebrauchtwagen gekauft und nach Westafrika verschifft. Das Geld aus dem Weiterverkauf wurde mit afrikanischen Drogengeldern vermischt, über Europa zurück in den Libanon geschmuggelt und dann ins hiesige Finanzsystem eingespeist. Bei jeder Station verdienen Akteure mit und haben die Möglichkeit illegale Gewinne zu legalisieren. So kommen solch unterschiedliche Gruppen wie mexikanische Kartelle, westafrikanische Drogenhändler, die Hizbollah aber auch AQIM-Kämpfer zusammen. Der libanesische Generalstaatsanwalt gibt zu, dass die grenzüberschreitenden Geldströme „völlig frei fließen.“ Das Bankgeheimnis tut sein Übriges.

Dabei geht es um erstaunlich hohe Beträge. So sollen bis zu 200 Millionen US-Dollar pro Monat gewaschen worden sein. Durch den syrischen Konflikt droht der Libanon noch anfälliger für Geldwäsche und Waffenschmuggel zu werden. Beides geht Hand in Hand. Auch das politische und das Justiz-System bleiben davon nicht unbehelligt.

Es handelt sich um einen dynamischen Kreislauf, und die Verbindungen werden zunehmend enger. Dies lässt wenig Hoffnung auf eine effektive Bekämpfung zu, vor allem wenn die globalen Verflechtungen weiterhin ignoriert werden. Erfolge gegen die Finanzierungsquellen der Internationalen Organisierten Kriminalität und des Terrorismus setzen aber den politischen Willen voraus, nicht nur gegen illegale Akteure entschlossen vorzugehen, sondern auch die Institutionen an der Schnittstelle, also in der Finanzbranche, genauer unter die Lupe zu nehmen und den vorhandenen Gesetzen zu unterwerfen.

Dienstag, 15. Juli 2014

Videos aus Gaza: Raketenbeschuss und Luftangriffe

Abgefeuerte Raketen der Hamas aus dem Gaza-Streifen







Angriffe der israelischen Luftwaffe und Marine auf Ziele in Gaza: