Samstag, 17. Juli 2010

Sudanesische Armee: mehr als 375 Tote bei Kämpfen in Darfur


Die sudanesische Armee hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen mehr als 300 Rebellen getötet. Bei schweren Kämpfen mit bewaffneten Kräften des Justice and Equality Movement (JEM) sollen auch 75 Regierungssoldaten gefallen sein. Vertreter der dort stationierten Soldaten der Afrikanischen Union (AU) bestätigten die Kämpfe, nannten aber keine Opferzahlen. Nur einige Tage nach dem Erlass eines weiteren Haftbefehls gegen Sudans Präsident Omar al-Bashir wegen Völkermordes wächst die Spannung in der Konfliktregion. Versuche einen Friedensvertrag zu implementieren, bzw. Waffenstillstandsabkommen umzusetzen, schlugen vor Wochen fehl. So war der Mai 2010 der blutigste Monat mit mehr als 600 Toten seit Friedenshüter im Jahr 2008 nach Darfur entsandt wurden. 

Im Freitag kommentiert die Direktorin der NGO Wagin Peace die aktuellen Entwicklungen folgendermaßen:
Für die internationale Gemeinschaft gibt es im Umgang mit dem Sudan ein grundsätzliches Problem: Wie sind scheinbar konkurrierende Ziele miteinander zu vereinbaren, einerseits Präsident al-Bashir und seine Regierung für Gräueltaten in Darfur zur Rechenschaft zu ziehen und gleichzeitig das Referendum über eine Sezession des Südsudan im Januar 2011 nicht zu gefährden. Wie es in der Vergangenheit schon des öfteren der Fall war, weiß der Präsident, gegen den bereits 2008 durch ICC-Chefankläger Moreno-Ocampo Anklage erhoben wurde, dass die UN in dieser Klemme stecken und vor der Wahl stehen, die Strafverfolgung des ICC zu unterstützen und dadurch möglicherweise zu riskieren, dass al-Bashir das Referendum sabotiert, oder ihm nachzugeben, die Anschuldigungen zu ignorieren und damit zu bestätigen, dass es gegen die Diktatoren dieser Welt international keine Rechtsprechung gibt.

Eigentlich hielten die Vereinten Nationen den Konflikt in der Unruheprovinz für beendet – die Frage der Wiederansiedlung von 2,7 Millionen Vertriebenen galt nur noch als humanitäres Problem. Doch kam es bereits im Februar wieder zu Luftangriffen der sudanesischen Armee. Zusammen mit örtlichen Milizen sorgte sie dafür, Städte und Flüchtlingslager zu zerstören. In einem vertraulichen UN-Bericht von Anfang Juni berichtet das Kommando der Friedenstruppe von UNO und Afrikanischer Union darüber, dass die Todesrate im Darfur-Konflikt im Mai auf den höchsten Wert gestiegen sei, seit die Mission 2007 ihre Arbeit aufnahm.

Während der kürzlichen Präsidentenwahlen verfolgte die internationale Gemeinschaft eine Politik des Stillschweigens und verzichtete darauf, al-Bashir für seine Taten in Darfur und für Wahlmanipulationen zu verurteilen. Man fürchtete, er könnte sich hierfür dadurch rächen, dass er die Wahl scheitern ließ. Dies führte zu einer Eskalation der Gewalt. Al-Bashir um des Südsudan-Referendums willen nochmals gütig zu stimmen, wäre ein schwerwiegender Fehler. Es gibt nicht nur die moralische Verpflichtung, den Millionen von Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – sie gilt auch für die Arbeit des Internationalen Gerichtshofes, wenn künftige Krisen vermieden werden sollen.

Der Blogger Agilis Lux sieht vor allem die chinesische Öl-Pipeline als Faktum, welches den anstehenden Sezessionsprozess maßgeblich beeinflussen wird. Er schrieb unter dem Titel "Missbrauch eines Zwangsehe" bereits im Februar diesen Jahres in seinem Blog:

Das Friedensabkommen, bekannt als „Comprehensive Peace Agreement“ oder auch Naivasha-Abkommen beendete einen 23 Jahre andauernden Krieg zwischen der süd-sudanesischen Bevölkerung und der sudanesischen Zentral Regierung in Karthum. Dieses nunmehr 5 Jahre alte Friedensabkommen sieht vor das sich die süd-sudanesischen Völker nächstes Jahr per Volksabstimmung für ihre Unabhängigkeit als autonomer Staat abstimmen können.

Warum also all die Sorge? Weil nämlich schon 1983 die Zentral-Regierung ein sehr ähnliches Abkommen gebrochen hatte. Diese frühere Scheidung aus der ersten Zwangsehe brachte ziemlich ekelige Erfahrungen hervor: 23 Jahre Krieg, 2 Millionen Tote, 4 Millionen Vertriebene. Genau darum wurde 2005 die Volksabstimmung als „Sicherheitsventil“ in das Friedensabkommen als integraler Bestandteil aufgenommen.

Ironischer-weise, genau dieses „Sicherheitsventil“ entpuppt sich aber nun als Schwachstelle: Unter dem Druck der internationalen Unterhändler, musste die Zentral-Regierung in Karthum der Volksabstimmung zustimmen. Damit sollte sichergestellt werden das Erlöse aus dem Verkauf der großen Ölvorkommen dem Wiederaufbau des Süd-Sudan zugute kommen. Nach über 30 Jahren Krieg gibt es dort nicht einmal annähernd ein Infrastruktur. Für den Fall, das sich Süd-Sudanesen unter Führung der SPLM/A und der Zentral-Regierung nicht auf eine gleichberechtigte Verteilung der Erlöse aus dem Verkauf der natürlichen Vorkommen einigen könnten, wurde festgelegt das 2011 eine Volksabstimmung durchgeführt werden soll und so die beiden nach einer friedlichen Scheidung ihre eigenen Wege gehen können.

Nur, der Konflikt ist jetzt schon ausgebrochen: Ein deutscher UNMIS Beobachter berichte inoffiziell das, wie schon im Bürgerkrieg, die Zentral Regierung in Karthum die Volksgruppe der Nuer gegen die der Dinka bewaffnet. Karthum bezeichnet die Kämpfe lapidar als „Stammeskämpfe“. Und wenn die regierungstreuen „Sicherheitskräfte“ eingreifen, täten sie das natürlich ganz selbstlos und nur um diese Stammesfehden zu beenden die angeblich doch nur um Vieh und Land geführt würden.

Klar ist das in einer Region in der Menschen an Unterernährung sterben geht es auch um Vieh und Land. Und darum sind Waffen auch willkommen. Trotzdem, die wirkliche Urasache bei diesem Ehestreit zwischen nord- und süd-sudanesischer Regierung ist wie überall: es geht es um die massiven Erd-Öl-Vorkommen. Chinas Sinopec ist praktisch der einzige Abnehmer, hat riesige Ölfelder erschlossen und kollaboriert noch ganz schamlos mit der Regierung in Karthum die sich nicht einmal annähernd an die vereinbarte Aufteilung der Gewinne, 50:50, hält.



Zusammenfassend, die vergangenen 5 Jahre machen folgendes deutlich: Die Süd-Sudanesen haben praktisch nicht wirklich Gewinn aus dem Friedensabkommen gewinnen können und werden mit Sicherheit für die Unabhängigkeit votieren. Und, weil die größten Ölvorkommen im Süden liegen, die Pipelines und Raffinerien aber im Norden nach Port Sudan führen, wird die Entscheidung zur Unabhängigkeit der Zündstoff für die Rückkehr zum Krieg sein. Anzunehmen das Karthum den Süden so einfach gehen lässt ist Wunschdenken.

Das sind die Komponenten die zum Krieg führen, aber es gibt auch andere, die einen Frieden erhalten könnten: dann nämlich wenn die USA, Europa und China aufhören sich selbst vor zumachen sie könnten das Friedensabkommen retten. Es ist notwendig die Realitäten anzuerkennen. In neuen Verhandlungen müsste für beide Parteien sichergestellt werden das ihre jeweiligen Bedürfnisse so weit wie möglich erfüllt werden. Der Norden braucht das Rohöl, der Süden braucht Hilfe beim Aufbau einer Infrastruktur. Besser als gute Nachbarn zusammenleben, als in einem Einheitsstaat mit dem permanenten Schreckgespenst eines vor sich hin glimmenden Bürgerkrieges. Das belastet jede zukunftsorientierte Politik.

Wie sehr das Öl als Schmiermittel des Konflikts dient, machte eine Studie aus dem vergangenen Jahr deutlich, welche die Verteilung der Ölmilliarden untersuchte.

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