Samstag, 17. Juli 2010

Militante töten in Pakistan bei Überfall auf einen Konvoi mindestens 18 Menschen


Bei einem Überfall auf einen Fahrzeug-Konvoi im Nordwesten Pakistans sind heute mindestens 18 Zivilisten getötet worden. Sieben weitere wurden verletzt. Der Konvoi war von der Stadt Parachinar in der Kurram-Region unterwegs nach Peschawar, als Bewaffnete das Feuer auf zwei der Fahrzeuge eröffneten. Unter den Toten sollen auch zwei Frauen sein, die Todeszahlen könnten auch noch steigen. Bei den Toten handelt es sich ausschließlich um schiitische Muslime, ob dies der Hintergrund des Überfalls ist, ist aber noch unklar. Vergangene Woche starben bei einem ähnlichen Überfall elf Menschen.


Die Armee geht seit Monaten gegen militante Taliban-Kämpfer und andere extremistische Gruppen vor. Doch der Erfolg blieb bisher aus, die Durchlässigkeit der Grenze zu Afghanistan nutzen die Kämpfer, um sich den massiven Militärschlägen zu entziehen. Ein düsteres Bild malt der politische Beobachter und pakistanische Publizist Ahmed Rashid in einem SZ-Interview vom 7. Juli:

SZ: Warum sind die Extremisten in Pakistan inzwischen so mächtig?

Rashid: Es ist eindeutig, dass der Staat selbst dazu beigetragen hat. Obwohl das Militär nun gegen die pakistanischen Taliban vorgeht, geben wir immer noch keine klare, eindeutige Botschaft gegen den Extremismus heraus. Nach Anschlägen gibt es Politiker, die sagen: Das war sicher kein Muslim, das war sicher kein Pakistaner. Das ist ungeheuerlich. Den Leuten werden Lügen erzählt, sie sind verwirrt, wissen nicht, wem sie was glauben sollen - jeder sagt etwas anders.


SZ: Die pakistanische Armee kämpft gegen pakistanische Taliban, aber ...

Rashid: ... die afghanischen Taliban werden weiterhin als Kapital betrachtet, das man einsetzen will im aufziehenden Post-Amerika-Afghanistan. Pakistan geht davon aus: Die Nato und die Amerikaner gehen, wir wollen eine uns freundlich gesinnte Regierung in Kabul. Also haben sie sich die Extremisten in den vergangenen Jahren hier gehalten.

SZ: Es gibt unzählige extremistische Gruppen, die im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet aktiv sind. Wie stehen sie zueinander?

Rashid: Die pakistanischen und afghanischen Taliban sind zwei unterschiedliche Einheiten. Viele der Pakistaner waren in den neunziger Jahren in Afghanistan, um gegen die Nordallianz zu kämpfen. Später haben sie sich Gruppen angeschlossen, die gegen Indien in Kaschmir kämpfen. Ihre Radikalisierung und Fähigkeit, an der einen oder anderen Front zu kämpfen, wurde vom Staat und dem pakistanischen Geheimdienst ISI gefördert. Nach dem 11. September kamen dann afghanische Taliban über die Grenze und installierten hier ihre Basis. Manche paschtunischen Stämme, die in ihrer Umgebung lebten, hat das radikalisiert. Und mit den Taliban waren auch noch al-Qaida und andere Terrorgruppen gekommen. Die paschtunischen Stämme haben dann nach und nach ihre eigene Agenda entwickelt: die Armee aus den Stammesgebieten zu vertreiben und dort etwas aufzubauen, das sowohl sie selbst als auch ihre afghanischen Gäste schützt.


SZ: Aber der Einfluss der Taliban ist nicht mehr ausschließlich auf das Grenzgebiet beschränkt.

Rashid: Das innerpakistanische Szenario hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren gewandelt. Die Taliban beschränken sich mehr oder weniger auf die Stammesgebiete, aber es gibt Zusammenschlüsse mit Gruppen in der Provinz Punjab, mit Gruppen in Karatschi, den Gruppen, die vom ISI trainiert wurden, um in Kaschmir zu kämpfen und die seit einigen Jahren frei unterwegs waren. Viele von ihnen haben sich den pakistanischen Taliban angeschlossen. Das sind Gruppen, die erst gegen Indien waren und sich nun betrogen fühlen vom pakistanischen Staat. Die afghanischen Taliban sind nicht in die Kämpfe in Pakistan involviert. Sie wissen ja, dass ihr Brot hier mit Butter beschmiert wird und sie die Unterstützung des ISI brauchen.

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