Freitag, 16. Juli 2010

Al-Assad feiert zehnjähriges Jubiläum seiner Präsidentschaft - viele Hoffnungen blieben unerfüllt


Zehn Jahre ist es her, dass Bashar al-Assad seinen Vater beerbte. Jenen Vater, der 1976 den Libanon unter seine Kontrolle brachte, der einen Bürgerkrieg gegen seinen eigenen Bruder gewann und der vor allem für den Tod von bis zu 30.000 Menschen beim Massaker von Hama verantwortlich war. Bashar war der Hoffnungsträger der syrischen Gesellschaft, wirtschaftliche Reformen kamen langsam in Gang, das Internet fand Verbreitung. Gleichzeitig profitiert nur eine kleine, politisch einflussreiche Gruppe von dem neuen Reichtum.


Human Rights Watch beschreibt in einem heute erschienenen Report die Bilanz der bisherigen Präsidentschaft als "verschwendetes Jahrzehnt":
After Bashar al-Asad succeeded his father as president in July 2000, many people in Syria hoped that the human rights situation would improve. In his first inaugural speech on July 17, al-Asad spoke of the need for “creative thinking,” “the desperate need for constructive criticism,” “transparency,” and “democracy.”1 A human rights lawyer summed up his initial feelings on the succession, reflecting the mood and aspirations of many others in the country: “Bashar’s inaugural speech provided a space for hope following the totalitarian years of President [Hafez] Asad. It was as if a nightmare was removed.”2 Ten years later, these initial hopes remain unfulfilled, and al-Asad’s words have not translated into any kind of government action to promote criticism, transparency, or democracy.
Auch die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) zog eine kritische Bilanz:
"Die Ergebnisse unserer Untersuchung der Situation der Pressefreiheit sind deprimierend: Die Versprechungen der Regierung, das Land zu öffnen, haben keine politischen und gesetzlichen Reformen nach sich gezogen. Die regierende Arabische Sozialistische Baath-Partei hält ihre vollständige Kontrolle über die Presse aufrecht.
Gleichzeitig schaffte es Al-Assad sein Land langsam aus der internationalen Isolation zu führen und so die Voraussetzung zu schaffen, um in der konfliktreichen Region künftig als vermittelnder Akteur aufzutreten und eine aktive Rolle im Nahost-Friedensprozess zu spielen. Doch gibt es noch immer enge Bande mit der libanesischen Hizbullah und der iranischen Führung. Ina Rottscheidt von der Deutschen Welle berichtet ausführlich über das Jubiläum:
Kürzlich, nach einem Vortrag über die wachsende Rolle privater Banken in Syrien kam aus dem Publikum eine unbequeme Frage an den Wirtschaftswissenschaftler Mohammed Ayman al-Maidani: Er möge doch seine kurze Bemerkung über Korruption im privaten und öffentlichen Sektor des Landes näher ausführen. "Wenn ich darauf antworte, kann ich die Nacht vielleicht nicht zu Hause verbringen", witzelte er in Anspielung auf die Möglichkeit, verhaftet zu werden. Nervöses Lachen quittierte seinen Scherz. Die Episode zeigt, wie viel und wie wenig sich in Syrien unter Präsident Baschar al-Assad in den letzten Jahren geändert hat. Ganz allmählich hat er der Wirtschaft die sozialistischen Fesseln gelockert, die ihm sein Vater und Vorgänger Hafes al-Assad hinterlassen hatte. Er ließ ausländische Banken ins Land, öffnete die Tore weit für Importe, genehmigte private Hochschulen und stärkte die Privatwirtschaft.

Wirtschaftliche Öffnung bei Verweigerung demokratischer Freiheiten ist ein gängiges Regierungsmodell der arabischen Welt. Ägypten, Jordanien und Tunesien waren Pioniere. Aber das bleibt nicht ohne Risiken. In der Vorstellung der Menschen sind nach freier Marktwirtschaft oft politische Reformen der nächste logische Schritt. Zudem warnen manche syrische Ökonomen, dass die Veränderungen die Kluft zwischen Arm und Reich vertieft haben und das Volk beginnen könnte zu murren.
Anders als sein Vater lässt Assad politische Gegner nicht zu Tausenden ins Gefängnis werfen oder ganze Wohnviertel dem Erdboden gleichmachen. Dennoch ist er Kritikern gegenüber, von einer kurzen Phase der Duldsamkeit nach dem Amtsantritt im Jahr 2000 abgesehen, nicht weniger unnachgiebig.

Die gefürchteten Sicherheitsorgane haben ein Auge auf jedermann und beobachten auch das Internet genau. Über Politik zu reden, sagen viele Syrer, geht trotzdem nur im Flüsterton, genau wie unter dem alten Assad. 

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