Nach den blutigen Unruhen in Nigeria haben rund 3000 Einwohner die Flucht ergriffen. Sie verließen den Teilstaat Plateau im Zentrum des Landes und suchten im benachbarten Staat Bauchi Schutz. Dies teilte Internationale Komitee vom Roten Kreuz und das Rote Kreuz in Nigeria am Donnerstag mit. Nach Ausschreitungen im Januar waren bereits 3800 Einwohnergeflüchtet. Bei schweren Ausschreitungen zwischen Muslimen und Christen waren am Sonntag in mehreren Dörfern in der Nähe der Stadt Jos mindestens 200 Personen getötet worden, die meisten von ihnen Christen. Regierungsvertreter versicherten, dass sich so etwas nie wieder ereignen werde. Angesichts der wachsenden Gewalt wirken diese Versicherungen fast hilflos.
Gouverneur Jonah Jang rief für die kommenden drei Tage eine öffentliche Trauer aus. Er warf auch der Armee vor, seine Warnungen ignoriert zu haben und so eine große Mitschuld an dem Tod vieler hundert Menschen zu tragen Er habe Warnungen erhalten, die er sofort weitergegeben habe, drei Stunden später sei er dann aber über das Massaker informiert worden. Zu den Hintergründen ein kurzes CNN-Interview mit dem Ex-Präsidenten Nigerias Olusegun Obasanjo:
Die nigerianische Zeitung "Daily Trust" schreibt in ihrer Ausgabe vom Mittwoch zu den Gründen der Gewalt:
As trite as this may sound a lasting solution can only come from having a correct understanding of the nature of the crisis. Most analysts, including occasionally this reporter I must admit, have tended to highlight the religious dimension of the crisis. This is understandable because of the overlap between the ethnic and religious identities of the two warring camps, namely the Berom Christian "indigenes" and the Hausa Muslim "settlers."
Ein Kommentator der NZZ schrieb:However, in spite of this overlap, the crisis on the Plateau, as with all crises the world over, is essentially about the control of society's political economy. In the case of Plateau what has since degenerated into a blood feud between the Beroms and the Hausa has been about the control of Jos as the state's capital. As usual members of other ethnic groups resident in the city have found themselves caught in the cross-fire between the two.
«Im harten Kampf um Arbeitsplätze und um Land entzweit sich die Bevölkerung. Politiker stacheln diesen Kampf an, weil sie damit punkten wollen», sagt der Soziologe Ogoh Alubo. Religion und ethnische Zugehörigkeit würden benutzt, um vom echten Problem der knappen Ressourcen abzulenken. Das Hauptproblem sei die Arbeitslosigkeit. Seit der staatliche Mischkonzern Nasco, einst der grösste Arbeitgeber der Region, nach Missbrauchs- und Korruptionsvorfällen praktisch pleite sei, hätten mehr als 10 000 Personen ihre Jobs verloren. Viele Berom glaubten, dass die Haussa-Fulani ihnen die Arbeit wegnähmen, und sie fürchteten sich vor einer Zwangsislamisierung.
Umgekehrt fühlten sich die Haussa-Fulani, zum Teil schon seit Generationen in Jos ansässig, als Bürger zweiter Klasse. Alubo schildert seinen Fall: «Ich lebe seit 1983 in Jos, meine Kinder sind alle hier geboren. Aber auch sie gelten hier als Siedler. Deshalb haben sie keine Stipendien bekommen, sie können nicht in der Verwaltung arbeiten, und sie bekommen kein politisches Amt.» Alubos Tochter hat Jos deshalb verlassen. Andere, meint der Wissenschafter warnend, seien bereit, ihrer Frustration mit Gewalt Ausdruck zu verleihen.
Volksvertreter traten nach den Vorfällen zusammen und versuchen dauerhafte Lösungen zu finden. Doch die Hinweise auf Armut und wirtschaftliche Ungleichheit, die durchaus richtig sind, wirken aus deren Mündern grotesk, findet sich doch ein großer Teil des Problems in Korruption und politischer Misswirtschaft. Währenddessen gab die Polizei bekannt etwa 350 Personen im Zusammenhang mit dem Massaker verhaftet zu haben. Außerdem soll sich auch Verantwortliche für das Massaker vom Januar befinden.
Auch zwei Tage nach der Gewalt vom Sonntag konnte man in den Dörfern Gewehrfeuer hören. Zum Zeitpunkt des Massakers galt eigentlich ein Ausgehverbot, und Soldaten hätten in der Gegend patrouillieren sollen. Nigeria ist in einen christlichen Süden und einen muslimischen Norden geteilt. Zu Zusammenstössen kommt es immer wieder im sogenannten Mittelgürtel, in dem es viel fruchtbares Land gibt. Bereits Ende Januar starben mehrere hundert Menschen, 40.000 flohen. Seit 2001 starben damit mehr als 3.000 Menschen in dem Gebiet. Das Land steht nicht nur der vermehrten Gewalt im Mittelgürtel gegenüber, sondern auch der politischen Stagnation, Armut und Gewalt im Niger-Delta. Ausführlicher zu den Hintergründen und den vergangenen Gewalttaten eine "Inside Story" vom 11. März:
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