Samstag, 23. Januar 2010

Krieg ist besser als Frieden? Neue Zahlen zu Toten im kongolesischen Bürgerkrieg


Die Organisation "Human Security Report Project" (HSRP) mit Sitz in Kanada, hat die offiziellen Todeszahlen des Bürgerkrieges in der DR Kongo angezweifelt. Anstatt 5,4 Millionen Menschen habe der Konflikt zwischen 1998 und 2008 "nur" etwa die Hälfte gefordert. Neuere Untersuchungen würden zeigen, dass durch die Art der Kriegsführung, die bessere Versorgung der Menschen auch in Kriegsgebieten und einer deutlichen Verbesserung der grundlgegenden Gesundheitsversorgung die Opferzahlen geringer ausfallen würden.

Damit steht der Bericht des "International Rescue Committee" auf dem Prüfstand. Dieser wurde allgemein anerkannt und daraus wurden zum Teil politische Konsequenzen, wie z.B. die Einrichtung einer UN-Mission gezogen:



Die Schlüsselresultate unterscheiden sich nicht von denen des HSRP. Weniger als ein Prozent der Toten kam durch direkte Gewalteinwirkung zustande. Vertreibung, Hunger und Krankheiten erledigten die Arbeit der Aggressoren viel effektiver. HSRP postuliert nun in seinem Bericht aber die These, dass hunderttausende von Menschen in der DR Kongo ohnehin gestorben wären, auch wenn kein Bürgerkrieg ausgebrochen wäre. Das hört sich dann so an:
In determining the excess death toll, the “baseline” mortality rate is critically important. If it is too low, the excess death toll will be too high. [...] As we show later, using this 2.0 deaths per 1,000 rate as the baseline mortality figure, rather than the sub-Saharan African average of 1.5 deaths, sharply reduces the estimated excess death toll attributable to the war throughout the entire period, with the decreases being greatest for the three most recent surveys.
Die Studie soll an dieser Stelle nicht verteufelt werden. Methodische Probleme wurden schon bei der Veröffentlichung des IRC-Berichts zugegeben. Die Frage ist vielmehr, was sind die Konsequenzen? Kann sich die internationale Gemeinschaft anrechnen, den Charakter des Krieges verändert zu haben? HSRP verneint das. Doch eine bessere Versorgung in Kriegszeiten und ein besseres Gesundheitslevel könne sie sich auf die Fahnen schreiben. Doch erscheint dies sehr paradox. Denn so wird im Krieg der Studie nach weniger gestorben, in Friedenszeiten dafür mehr, als angenommen. Schlussfolgerung? Krieg ist besser als Frieden? Oder weniger zugespitzt: Kriege sind ungefährlicher, als gedacht?

Auch bei anderen Schlussfolgerungen ist Vorsicht angesagt. Erst Anfang des Jahres hat sich das Welternährungsprogramm aus dem Süden Somalis zurückziehen müssen und die Bevölkerung sich selbst überlassen. Hilfe in Kriegsgebieten ohne ausreichenden militärischen Schutz bleibt schwierig und gefährlich. Große Flüchtlingsströme, ob im Jemen, Somalia, oder der DR Kongo sind zwar nicht in großer Zahl vom Tode bedroht, leben aber in ständiger Unsicherheit und unter erbärmlichsten Bedingungen. Die Gefahr von Seuchen bleibt allgegenwärtig.

Begreift die kanadische NGO ihren Bericht als Beitrag zur Verbesserung der Aufarbeitung von Konflikten, so ist dies sicherlich zu begrüßen. Versteht sie dies aber als Plädoyer die Hände in den Schoß zu legen, deckt sich dies weder mit der Realität, noch mit dem Anspruch der Organisation. Denn es wird deutlich, dass ein Krieg zahlreiche Opfer fordert (im Kongo nach den HSRP-Zahlen etwa 2,7 Millionen) und beispielsweise in Afrika auch in Friedenszeiten täglich viele Menschen aufgrund von Krankheit, Hunger, oder schmutzigen Wassers sterben.

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