Sonntag, 11. April 2010

Erste Wahl im Sudan seit 25 Jahren hat begonnen


Viel wurde in den letzten Tagen spekuliert. Von Boykott und Gewalt war die Rede. Die UN zog ihre Wahlhelfer ab, nachdem Sudans Präsident al-Bashir ihnen drohte. Deswegen ist es zweifelhaft, ob die ersten Wahlen seit 25 Jahren internationalen Standards genügen werden. Trotzdem: heute haben die Tage der Abstimmung begonnen. Mehr als 100.00 Sicherheitskräfte sollen einen friedlichen Ablauf der historischen Wahl gewährleisten. Doch vor allem die Tage nach der Abstimmung werden entscheidend sein, wenn sich zeigen wird, wie fair das Votum verlaufen ist und wie sich der Boykott zahlreicher Parteien ausgewirkt hat. 16 Millionen Menschen müssen unter etwa 14.000 Kandidaten auswählen und vom Präsidenten, bis hin zu kommunalen Gremien die Machtverteilung bestimmen.


Die ZEIT-Autorin Andrea Böhm schrieb vor der Wahl in einem lesenswerten Artikel:
In einem Hinterhof in Nordkhartoum greift ein altes Männchen, das aussieht wie Mahatma Gandhi mit Turban, zum Mikrofon und ruft: »Es lebe die Revolution! Es lebe die Arbeiterklasse!« Ibrahim Nugud, Präsidentschaftskandidat der Kommunistischen Partei, beschwört vor seinem Publikum in einem Künstlertreff die Demokratie, die Freiheit der Kunst und verspricht für den Fall seines unwahrscheinlichen Wahlsiegs mehr staatliche Unterstützung für Sudans säkulare Poeten, Maler und Musiker. Streiklieder und Spottverse auf Militärs, Islamisten und »andere Lügner« runden den Abend ab, so manche Faust reckt sich aus der wehenden Jellabah in den Nachthimmel, Lautsprecher tragen den gut gelaunten Aufruhr über die Dächer der Nachbarschaft, der Geheimdienst hört aufmerksam mit. »Mal sehen, wie lange sie uns in Ruhe lassen«, sagt einer der Künstler. Man praktiziere hier »freedom by hand, not by law«. Freiheit, die man sich mit eigenen Händen nehmen muss, kurz vor den Wahlen. So sie denn wie geplant am 11. April und ohne Teil- oder Totalboykott der Opposition stattfinden, was sich im Sudan nie ganz sicher sagen lässt.
Wahlen im Sudan? In einem Land, dessen Präsident erneut kandidiert, aber vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen der Gräueltaten in Darfur mit Haftbefehl gesucht wird? Wahlen, die schon im Vorfeld jeder Diplomat als nicht frei und fair bezeichnet, die aber trotzdem von UN und EU unterstützt werden? In einer Nation, die es in dieser Form schon bald nicht mehr geben wird, weil der Süden sich Anfang 2011 per Referendum in die Unabhängigkeit entlassen will? Wozu das Ganze?
Vor allem im Süden wird das Ergebnis mit Spannung erwartet. Denn laut Friedensabkommen von 2005 soll die neu gewählte Regierung vor allem das Referendum im kommenden Jahr vorbereiten, wenn der Süden über eine mögliche Abspaltung entscheiden wird. Zur Lage im Süden schreibt das Deutschlandradio:
In der Hauptstadt Juba kann man den Aufbau täglich mitverfolgen: Wo gestern noch eine holprige Sandpiste war, stehen heute die Straßenbau-Maschinen. Neue Gebäude entstehen, Plätze und Straßen.

Doch wie eine Metropole sieht die 200.000 Einwohnerstadt noch längst nicht aus. Kaum ein Gebäude hat mehr als ein Stockwerk, die meisten gehören ohnehin den 150 Nichtregierungsorganisationen, die sich dem Wiederaufbau des Südens verschrieben haben. 80 Hotels hat die Stadt, um all die Helfer und Experten unterzubringen, die sich hier die Klinke in die Hand geben. Für die Bevölkerung entstehen kurzfristig Jobs, doch selbst die werden inzwischen oft nicht an Sudanesen, sondern an Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern Uganda oder Eritrea vergeben.

Ehemalige Kämpfer als Politiker gehören zum Alltag im Südsudan. Auch bei der Aufstellung ziviler Sicherheitskräfte hat die südsudanesische Regierung auf die SPLA zurückgegriffen: Junge Männer, die als Kinder zu den Buschkämpfern gegangen sind und seither nichts anderes gelernt haben als zu kämpfen, wurden über Nacht zu Polizisten gemacht.

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