Donnerstag, 18. Februar 2010

Peshawar: eine von Gewalt erschütterte Stadt


Die von Dauergewalt erschütterte Nordwest-Provinz Pakistans ist auch heute wieder Schauplatz eines blutigen Anschlags geworden. Mindestens 29 Menschen starben bei einem Bombenanschlag, mindestens 50 wurden verletzt. Der Anschlag trifft mit dem Besuch des US-Abgesandten für Pakistan und Afghanistan Richard Holbrooke zusammen. Dieser trifft in Pakistans Hauptstadt Islamabad auf den pakistanischen Ministerpräsidenten. Thema ist die andauernde Gewalt, die Flucht von vielen afghanischen Taliban-Kämpfern nach Pakistan und die Festnahme hochrangiger Taliban-Kommandeure, sowie die weitere Zusammenarbeit. Kurz nach dem Anschlag bekannte sich keine Gruppe zu dem Gewaltakt, die Behörden gehen aber davon aus, dass die Organisation "Lashkar-al-Islam" sich für die Bombe verantwortlich zeichnet, da auch mehrere Militante dieser Gruppe unter den Toten seien. Sie wird ideologisch den Taliban zugerechnet. 

Peshawar ist immer wieder Schauplatz von Bombenanschlägen und Attentaten. Mittlerweile sind die vielen toten schon fast zur alltäglichen Routine geworden. Anfang Januar starben z.B. fast 100 Menschen bei einem Anschlag auf ein Volleyball-Spiel. France24 hat in einem Feature vom 17.02. pakistanische Polizisten bei ihrer gefährlichen und bedrückenden Arbeit begleitet und gibt einen Einblick in das Alltagsleben in einer der gefährlichsten Städte der Welt:



Währenddessen bestätigten die pakistanischen Behörden weitere Festnahmen von afghanischen Taliban-Kommandeuren. So sollen zwei weitere ranghohe Funktionäre der extremistischen Bewegung festgenommen worden sein. Dabei handle es sich um die "Schatten-Gouverneure" der afghanischen Provinzen Kunduz und Baghlan, Mullah Abdul Salam und Mullah Mohammed, teilte der offizielle Gouverneur von Kunduz, Mohammed Omar, am Donnerstag mit. Die beiden seien bereits vor zehn bis zwölf Tagen in Pakistan gefangen genommen worden - ebenso wie Militärchef Mullah Abdul Ghani Baradar, dessen Festnahme Anfang der Woche verkündet wurde. In den kommenden Wochen könnten weitere Festnahmen folgen, sind doch Taliban "in großer Zahl" aus dem umkämpften Marjah Richtung Pakistan, insbesondere Karatschi, geflohen. Welche Auswirkungen dies auf den politischen Prozess und die Schlagkraft der Taliban haben wird, ist nur schwer zu sagen. Die NZZ kommentierte dies so:
Daher ist es nicht sicher, dass die Festnahme Mullah Baradars eine Neuausrichtung der Politik Pakistans ankündigt. Laut der «New York Times» könnte die Verhaftung des Mannes ein Mittel Pakistans sein, von Kontakten und allfälligen Verhandlungen zwischen den Taliban, der Regierung von Präsident Karzai in Kabul und den Amerikanern nicht ausgeschlossen zu bleiben. Es heisst, Baradar sei im Gegensatz zu anderen Kriegsherren offen für den Versuch, eine Teilung der Macht auf politischem Weg zu erzielen.
Amerikanische Funktionäre bis hinauf zu Aussenministerin Clinton haben Pakistan immer wieder vorgeworfen, dessen Geheimdienst wisse genau, wo sich die afghanischen Taliban – und auch einheimische Extremisten – befänden, lasse diese jedoch gewähren. Die in Zusammenarbeit mit der CIA durchgeführte Festnahme ist geeignet, Washington in dieser Hinsicht zu besänftigen. Die CIA dürfte ihre Anstrengungen verstärkt haben, afghanische Extremisten in Pakistan zu jagen, seitdem ein Selbstmordattentäter Ende des Jahres in Khost sieben Agentinnen und Agenten – und einen Jordanier – umgebracht hatte. Das Attentat war von Pakistan aus geplant worden.

Dass Baradar nun in einem pakistanischen Gefängnis sitzt, bedeutet ein Signal, das nicht nur in Washington gelesen wird, sondern auch bei den Taliban. Es kommt zur gleichen Zeit wie die Offensive der USA, der Nato-Truppen und afghanischer Kräfte in der Provinz Helmand im Süden Afghanistans. Pakistan sieht gerade jetzt sein Interesse offenbar nicht darin, den Taliban den Rücken bedingungslos frei zu halten.

Die Taliban sind laut Kennern ihrer Struktur keine zentral geführte Organisation. Daher ist schwer abzuschätzen, in welchem Ausmass sie der Verlust von Mullah Baradar schwächt. Noch nicht absehbar ist ferner, ob dieser nun im Gefängnis demonstrativ umgänglich behandelt wird, um andere Kriegsherren zu Gesprächen zu bewegen, oder ob man ihn unsanft auszuquetschen versucht, um weiterer wichtiger Anführer der Taliban habhaft zu werden.
Ob sich also daraus eher eine Chance für die geplante Aussöhnung und Einbindung der Taliban ist, oder eine Demonstration von Stärke bleibt also offen. Wie eine politische Einbindung, oder gar das Niederlegen der Waffen aber möglich sein soll, da doch gerade erst eine der größten Militäroperationen seit Beginn des Krieges im vollen Gange ist, dazu mögen sich weder Holbrooke in Pakistan, noch die Militärs in Afghanistan äußern. Doch der anfängliche Enthusiasmus über den scheinbaren Schlüssel zum Frieden in Afghanistan ist schnell verflogen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen