Montag, 5. September 2016

Kriegerischer Frieden

Unter dem Titel "Frieden ist schlecht" versucht der Politikwissenschaftler Stephen M. Walt im IPG Journal aufzuzeigen, dass die Sehnsucht nach Frieden reichlich naiv daher kommt. Dazu führt er Argumente ins Feld, die aus seiner Sicht der Beweis dafür sind, dass Menschen so richtig friedlich einfach nicht miteinander zurechtkommen. Gesellschaften bzw. Gemeinschaften bräuchten einen Feind, sonst entsteht Unruhe im Inneren, die erzeugt Konflikt, der dringt dann nach Außen, greift auf andere über und verursacht neue Konflikte. Die müssen mühsam befriedet werden und nach einer gewissen Friedenszeit, in der die Menschen der Dividende überdrüssig werden oder Verteilungskonflikte entstehen, geht das Ganze von Neuem los. So ungefähr lautet die These. Walt schreibt: 
Doch die naheliegende Lösung – die Suche nach einem äußeren Feind, gegen den man gemeinsam kämpfen kann – ist auch nicht gerade verlockend. So könnte am Ende leider ein wiederkehrender Kreislauf aus Konflikten stehen, in dem aus einer Friedensphase jeweils ein neuer Quell für Spannung und Spaltung entspringt. Man könnte wohl sagen, dass mich nicht zuletzt diese beunruhigenden Aussichten zu einem Realisten machen.
Die Gedanken Walts sind interessant und regen zum Nachdenken an. Aber einige Argumente sind eben nur zum Teil nachvollziehbar. So schreibt er z.B., dass bei "einer eher entspannten externen Sicherheitslage die Lebensfähigkeit multiethnischer Staaten" sinke. Später schreibt er: "Wie wir derzeit im Nahen Osten und Nordafrika sehen, hat der Zusammenbruch von Einheit und staatlicher Gewalt oft gewalttätige innere Konflikte zur Folge, in die dann auch wieder Kräfte von außen verwickelt werden."

Quelle: Pixabay


Dieser Zusammenhang ist nur schwer nachzuvollziehen. Sicher, Machtvakuum und Ressourcenkämpfe erzeugen Konflikte. Doch die kommen ja nicht aus dem Nichts. Selbst wenn die These ("Äußerer Frieden schafft innere Konflikte") stimmt, so stellt sich doch die Frage, ob Nordafrika und der Nahe Osten geeignet sind, diese zu untermauern. Die inneren Konflikte dort resultieren sicherlich nicht aus einer anhaltenden Friedenszeit oder dem Fehlen außenpolitischer Spannungen oder Interventionen. Im Gegenteil. 

So sind die Gedanken Walts klug, aber nicht überzeugend genug, um daraus eine solch provokante These zu deichseln, die am Schluss nahe legt, zwischenstaatliche Kriege seien unvermeidlich und letztlich gar nicht so schlimm, erhalten sie doch den Frieden in einem bestimmten Gebiet.

Man nennt eine solche Haltung gerne Realismus, so bezeichnet sich ja auch Walt. Doch muss man sich vor Augen führen, dass dieser sogenannte Realismus ja doch nur wiedergibt, was er sieht und was er versteht. Realität ist aber überkomplex und in allen Facetten eben nicht nachzuvollziehen. Bei der Haltung des Realismus wird jedoch alles andere zur Utopie. 

Gerade bei Fragen von Krieg und Frieden sind anhaltender Konflikt, die Dominanz militärischer Lösungen und immer neue Formen der Gewalt aber kein Beweis für deren Unvermeidlichkeit. Denn es lassen sich soziale und wirtschaftliche Muster aufzeigen, die Konflikte bedingen. Muster, die an sich bearbeitet und verändert werden können. Wer daran nicht mehr glaubt, der kann es sonst gleich mit einer Zeile aus dem deutschsprachigen Rap halten:

"Ist schon schlecht, geht bestimmt noch schlechter. Ist schon wirklich wack, aber geht bestimmt noch wacker."

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