Samstag, 16. November 2013

Äthiopien: Ein anderes Bild

Filmtipp abseits der Nachrichten: "Der junge Roba ist 23 Jahre alt und ein äthiopischer Viehhüter. Indem Roba die Geschichte seines bisherigen Lebens aus seiner ganz persönlichen Perspektive erzählt, entwirft er gleichzeitig das Porträt eines Landes, das zwischen Modernität und Tradition, zwischen Hirten- und Stadtleben zerrissen ist."



Die Doku vermittelt einen kleinen Eindruck in ein Land, welches in den vergangenen Jahrzehnten viele Konflikte erlebt hat und dessen Wahrnehmung vor allem nit Hungerkatastrophen und Flüchtlingen verbunden ist. Die Armut vieler Äthiopier führt beispielweise zu einer großen Zahl von Emmigranten, mit der sich aktuell ein Artikel der WELT beschäftigt:
In Äthiopien, dem fünfzehntärmsten Land der Welt, in dem kaum ein Mädchen einen festen Job findet. Denn rund 85 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch, dass sie nicht zuverlässig erfasst werden kann. Und weil das geschätzte durchschnittliche monatliche Einkommen 2012 laut CIA bei umgerechnet rund 75 Euro liegt, gilt die Auswanderung vieler Mädchen als einzige Chance, der Armut zu entfliehen.
Auch die politische Situation gibt Anlass zur Sorge. In einem Bericht von Human Rights Watch vom Oktober diesen Jahres wird von schweren Menschenrechtsverletzungen, illegalen Verhörmethoden und schlechte Haftbedingungen berichtet:
Unter den Gefangenen sind Hunderte Oppositionspolitiker, Journalisten, Organisatoren von Protesten und angebliche Unterstützer von ethnischen Aufständen. Der Bericht beruht auf Interviews mit mehr als 35 ehemaligen Häftlingen und deren Angehörigen. Ihren Angaben zufolge verweigert das Gefängnispersonal den Insassen lebensnotwendige Versorgung und foltert und misshandelt sie, um Informationen und Geständnisse zu erpressen. Darüber hinaus können die Gefangenen weder zu einem Rechtsbeistand noch zu ihren Angehörigen Kontakt aufnehmen. „Im Herzen der Hauptstadt verletzen die äthiopischen Behörden ständig Menschenrechte, um an Informationen zu kommen“, so Leslie Lefkow, stellvertretende Leiterin der Abteilung Afrika von Human Rights Watch. „Es ist völlig inakzeptabel, dass Journalisten oder Oppositionelle geschlagen, gefoltert und zu Geständnissen gezwungen werden.“
Die wirtschaftliche Lage des Landes wird dagegen durchaus positiv betrachtet. Äthiopien sei auf dem Weg zum "afrikanischen Tigerstaat":
Doch es tut sich noch mehr in dem ostafrikanischen Land. In den letzten 5 Jahren kämpfte sich Äthiopien mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 8,7 Prozent aus dem Sumpf der Armut. Äthiopien konnte seine Armutsquote stark von 56% im Jahr 2000 auf 31% im Jahr 2010 reduzieren – verglichen mit einem Durchschnitt von 49% in Subsahara-Afrika. Natürlich ist die soziale Armut immer noch ein Problem, doch das heutige Äthiopien ist weit entfernt von den Bildern der Hungersnöte der 1980er- und 1990er-Jahre, die vor allem in unseren Breiten bei einigen noch präsent sind. Der Lebensstandard der Bürger Äthiopiens bewegte sich sichtlich nach oben.
Gerade der Agrar- und Energiesektor böten Chancen. Doch speziell diese Wirtschaftszweige können nicht auf ihre Entwicklungschancen hin überprüft werden, ohne damit einhergehende Einflüsse, wie das Phänomen des Landgrabbing, Nahrungsmittelspekulation, Umweltschäden oder Korruption zu betrachten. Die Tatsache, dass sich die Zahl der Dollar-Millionäre in dem Land verdoppelt hat, ist jedenfalls noch kein Nachweis nachhaltigen Wachstums und sollte zumindest die Sinne für die Frage der notwendigen Verteilungsgerechtigkeit schärfen. Ohne diese wird es keine Stabilität in Äthiopien geben.

In der Ogaden-Region wird seit langem ein Konflikt um mehr Autonomie ausgetragen . Dieser wird unterschiedlich begründet, doch wird schon aufgrund der Variabilität der Ziele klar, dass z.B. ethnische Erklärungen viel zu kurz greifen. Die Region ist wirtschaftlich und politisch marginalisiert, Flüchtlinge aus umliegenden Ländern und der Konflikt in Somalia verschärfen die Auseinandersetzung. Immer wieder entlädt sich dies gewaltsam. Anfang der Woche wurden mindestens 12 Menschen von paramilitärischen Einheiten getötet. Berichte über Opfer sind jedoch sehr schwierig zu verifizieren. Klar ist aber, dass die Zentralregierung nicht weniger zimperlich vorgeht, wie gegen Teile der eigenen Bevölkerung und die dort operierenden Rebellen auch der Verletzung von Menschenrechten beschuldigt werden.

Einfache Lösungen für den Konflikt gibt es schon nicht aufgrund der regionalen Umgebung. Ende 2010 überschritten reguläre äthiopische Truppen wieder die Grenze zu Somalia und kämpften dort gegen die somalische Al-Shabab-Miliz, nachdem diese ein Dorf erobert hatten und mindestens zehn Menschen töteten. Beobachter schätzen, dass der Nachbar Eritrea teilweise somalische Rebellen unterstützt und so am Horn von Afrika ein regionaler Stellvertreterkonflikt ausgetragen wird.

Die Zerrisenheit des Films lässt sich also auch in sicherheitspolitischen Fragen wiederfinden. Allerdings erlaubt die gewählte Perspektive der Dokumentation einen Blick über den Tellerrand hinaus.

Noch verfügbar bis zum 21.11.

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