Al-Shabaab, die extremistische Gruppe, die Verbindungen zu zahlreichen anderen Terrororganisationen unterhält und vor allem in Somalia operiert, hat Plastiktüten, die nur einmal benutzt werden, verboten. Aus Respekt vor der Umwelt, wie Vertreter der Gruppe selbst sagten. Es wurden aber keine Details genannt, wie das Verbot umgesetzt werden soll. Auch zu den Strafen bei Zuwiderhandlung machten sie keine Angaben. Doch es handelt sich bei Al-Shabaab um radikale Islamisten, die Dieben gerne mal die Hand abhacken.
Der Gouverneur von Al-Shabaab in der Region Jubaland, Mohammad Abu Abdullah, sagte, die Tüten würden "eine ernsthafte Bedrohung für das Wohlergehen von Mensch und Tier" darstellen.
Die militante Gruppe ist eigentlich nicht für ihren Einsatz für die Umwelt bekannt. Viel eher für Entführungen, Angriffe auf die Truppen der Afrikanischen Union in der Region und Terroranschläge. 2013 töteten sie zum Beispiel mehr als 60 Menschen bei einem Angriff auf ein Einkaufszentrum im benachbarten Kenia, im Oktober 2017 kam es zum schwerwiegendsten Anschlag des letzten Jahrzehnts in Mogadischu, für den Al-Shabaab verantwortlich gemacht wurde. Mehr als 300 Menschen wurden bei den Explosionen getötet.
Dennoch schmunzelt man über diese Meldung oder hebt die Augenbrauen. Auch würden sich Witze über Terroristen, die Plastiktüten verbieten und zwangsverordnete Umweltschutzmaßnahmen in unseren Gefilden anbieten (auch wenn davon gar nicht besonders viele existieren). Oder die Frage, warum in einem der am härtesten von Konflikten und Krisen geschüttelten Länder ein progressiverer Umgang mit Plastiktüten möglich ist, als in Deutschland.
Dennoch schmunzelt man über diese Meldung oder hebt die Augenbrauen. Auch würden sich Witze über Terroristen, die Plastiktüten verbieten und zwangsverordnete Umweltschutzmaßnahmen in unseren Gefilden anbieten (auch wenn davon gar nicht besonders viele existieren). Oder die Frage, warum in einem der am härtesten von Konflikten und Krisen geschüttelten Länder ein progressiverer Umgang mit Plastiktüten möglich ist, als in Deutschland.
Eine Patrouille der "African Union Mission in Somalia (AMISOM)" bei einem Besuch des Markts von Baardheere. Der Plastikmüll ist an manchen Orten aufgrund der fehlenden Entsorgungsstruktur mittlerweile selbstverständlicher Teil der Straße und die Tüten kaum mehr als solche erkennbar. Ihre Reste gelangen dennoch am Ende ins Wasser oder verteilen sich in der Umwelt. Credits: AMISOM Photo/ Abdi Dakane |
Das ist natürlich Unsinn. Denn unabhängig vom Hintergrund von Al-Shabaab, ist das Verbot kein neues Phänomen. In Kenia kann seit einiger Zeit zu bis zu vier Jahre Gefängnis oder zu einer Geldstrafe von 40.000 US-Dollar verurteilt werden, wer Plastiktüten herstellt, vertreibt, aber auch benutzt. Mittlerweile haben mehr als 40 Staaten Plastiktüten verboten. Letztlich weil deren Benutzung die Grundlagen des menschlichen Lebens gefährden, indem sie Lebensraum zerstören.
So zeigt sich, dass aufgrund der menschengemachten Umweltzerstörung und des Klimawandels, ökologische Faktoren an politischer Bedeutung gewinnen. Für einen quasi-staatliche Akteur wie Al-Shabaab spielt dies damit ebenfalls eine wichtige Rolle. Außerdem ist davon auszugehen, dass ökologische Faktoren zunehmend mobilisierend wirken können.
Die Earth Liberation Front (ELF), also die "Front zur Befreiung der Erde", wird hin und wieder als Akteur des "Ökoterrorismus" bezeichnet. Dabei ist dieser Begriff äußerst schwierig, da er auf der anderen Seite für Akteure, die ohne Rücksicht auf Verluste, die Umwelt zerstören, benutzt wird. Ganz zu schweigen von der Frage, ob die Befreiung von Tieren und Sachbeschädigungen terroristische Aktivitäten sein können. Für das FBI aber kein Problem, es ging äußerst hart gegen Mitglieder der ELF vor.
In Somalia sind mittlerweile die Schäden einer Wegwerf-Gesellschaft (deren Mechanismen die wirtschaftliche Globalisierung nach Somalia brachte) bei einer gleichzeitigen Abwesenheit eines wirksamen Recycling- und Entsorgungssystems deutlich zu spüren und unübersehbar. Ideologisch ist es also relativ einfach dieses Umweltproblem als solches zu benennen und als Verursacher den schon bekannten Feind, "den Westen", für schuldig zu erklären.
So durchschaubar dieses Muster sein mag und so offensichtlich es ist, dass Al-Shabaab nicht plötzlich seine Liebe für Mensch und Tier entdeckt hat, so wenig sollte man davon ausgehen, dass dieses Erklärungsmuster sich selbst entlarvt (so weit möglich) und verschwindet. In knapp 30 Jahren könnten bis zu 250 Millionen Menschen aufgrund klimatischer Veränderungen und der Zerstörung der unmittelbaren Umwelt zur Flucht gezwungen werden. Terrorismus entsteht niemals im luftleeren Raum, braucht Missstände, die zur Mobilisierung und Rekrutierung von UnterstützerInnen dienen. Perspektivlosigkeit, oder der Verlust der Heimat scheinen da sehr erfolgversprechend für Terror-Gruppen zu sein.
"Öko" als (Mit-)Begründung für terroristische Aktionen könnte dabei unser Bild auf extremistische Positionen verändern. Bisher geht man davon aus, dass "Radikale" am Ende irrational handeln oder Fakten falsch bzw. verzerrt darstellen. Diese Annahmen bilden eine wichtige Säule der Radikalisierungsprävention und der Deradikalisierung.
Sollten Terror-Gruppen aber die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen in den Mittelpunkt ihrer Ideologie stellen und Akteure ins Visier nehmen, die aktiv dazu beitragen, dann könnten Umweltkatastrophen "helfen", dass sich die Akzeptanz terroristischer Gewalt erhöht. Niemand würde Al-Shabaab unterstützen, weil sie Plastiktüten verbieten. Doch die Überflutung eines Inselstaates bei gleichzeitigem Schweigen der Weltgemeinschaft und der Rhetorik eines Donald Trump in Fragen der Klimapolitik, könnte die Sichtweise vieler Menschen ändern.
Eon sogenannter "Ökoterrorismus" ist weit davon entfernt eine Bedrohung der öffentlichen Sicherheit zu sein. Kehren wir bestimmte Entwicklungen aber nicht um, könnte er an Bedeutung gewinnen. Die gute Nachricht ist, es gibt einen Schutz, der ohne Überwachung und Betonblöcke auskommt: Eine progressive und konsequente Umweltpolitik. Die Akteuren wie Al-Shabaab zu überlassen, wäre nicht nur ein Sicherheitsrisiko, sondern auch eine Bankrotterklärung einer Gesellschaft, die nach eigener Aussage die nachfolgenden Generationen im Blick hat.
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