Mittwoch, 3. Januar 2018

Über was unterhalten sich IS-Anhänger?

Das "Program on Extremism" der George Washingon-Universität beschäftigt sich vor allem mit dem Online-Verhalten von IS-Anhängern. Folgende aktuelle Infografik gibt einen Überblick, wie sie organisiert sind und welche Themen vor allem eine Rolle spielen:

Quelle: Program on Extremism

Natürlich wäre es noch spannender, nicht nur die vorgefertigten Kategorien zu IS-Themen abzufragen, sondern auch zu erfassen, inwiefern Hinweise für den Lebenswandel gegeben werden, die Diskussion religiöser Inhalte überhaupt stattfindet und welche anderen Dinge für die radikalisierten oder sich radikalisierenden Mitglieder eine Rolle spielen. 

Zur Frage, wie diesen Inhalten begegnet werden kann, wird schnell klar, dass Telegram zunächst eine gute Möglichkeit bietet, anonym und unauffällig zu bleiben. Andererseits wollen die Extremisten auch explizit die öffentliche Meinung beeinflussen. Dazu nutzen sie dann zum Beispiel Twitter. Hier sind sie - trotz Gegenmaßnahmen - weiterhin recht erfolgreich. Eine aktuelle Studie kommt zum Schluss: "Die Politik von Twitter behindert zwar Sympathisanten auf der Plattform. Aber Anti-IS-Akteure sollten die Wirkung dieser Maßnahmen im Gesamtrahmen der Bekämpfung der Organisation nicht überschätzen."

Eine Untersuchung vom vergangenen Jahr der Universitäten Osnarbrück und Bielefeld kam zum Schluss, dass in den Chats zwar religiöse Themen eine große Rolle spielen, fundierte Kenntnisse aber kaum vorhanden sind:
Das Chat-Dokument enthält insgesamt 5.757 Postings von zeitweilig bis zu zwölf Gruppenmitgliedern. Die Postings zeigen die Kommunikation und Gruppendynamik unmittelbar vor einem geplanten Anschlag von jungen Menschen aus „normalen Verhältnissen“. Diese „natürlichen Daten“ vermitteln Informationen zu einer Vielzahl von Aspekten, die für die Radikalisierung wichtig sind: Die Gruppenstrukturen, ihre Hierarchie, die Dynamik und der Druck der Gruppe auf ihre Mitglieder, wie auch die Entwicklung einer so genannten „Lego“-Ideologie, die immer stärker die Gemeinsamkeiten und das Selbstbild der jungen Menschen prägt.

Die Studie des Forschungsnetzwerks Radikalisierung und Prävention (FNPR) der Universitäten Osnabrück und Bielefeld zeigt, dass die Gruppenmitglieder offenkundig nur über rudimentäre oder gar keine Islamkenntnisse verfügen. Selbst die Gestaltung einfachster ritueller Alltagshandlungen – wie zum Beispiel die Verrichtung des Pflichtgebets –  ist Teilen der Gruppenmitglieder nicht bekannt. „In Gänze betrachtet konstruiert die Gruppe nach dem Baustein-Prinzip einen Gruppenkult, der in all seinen zentralen Aussagen auf Willkür beruht und als krude und einfältig bezeichnet werden kann“, stellt Dr. Michael Kiefer von der Universität Osnabrück fest. Er und sein Kollege Bacem Dziri haben auf der Grundlage einer islamtheologischen Analyse gezeigt, wie zentrale Figuren in der Gruppe geschickt eine Copy-und-Paste-Ideologie aus Koranversen und Botschaften djihadistischer Führer zusammengeschnitten haben. Zentral dabei ist von Anfang an die Gewaltorientierung.
Die gesamte Studie wurde als Buch mit dem Titel „Lasset uns in shaʼa Allah ein Plan machen“: Fallgestützte Analyse der Radikalisierung einer WhatsApp-Gruppe" veröffentlicht.

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