Mittwoch, 1. November 2017

Donald Trump: Demagoge des 21. Jahrhunderts

Wer oder was ist Donald Trump? Ein neuer, strategisch agierender, Politikertypus oder großes Kind, das kaum einmal weiß, worüber überhaupt im Detail gesprochen wird? Die Menschen in den USA sind über die Person Trumps tief gespalten, wobei mittlerweile fast 60 Prozent mit der Amtsführung des US-Präsidenten unzufrieden sind.

Es fällt schwer die Gedankenwelt Trumps zu durchdringen und seine scheinbar sehr übersichtlichen intellektuellen Fähigkeiten zu ignorieren. Doch eines wird immer klarer: Donald Trump ist ein Demagoge. Ein Demagoge des 21. Jahrhunderts.

Betrachtet man eine allgemein gehaltene Definition von Demagoge oder Demoagogie, wird deutlich, dass eine relativ enge, direkte Bindung oder Möglichkeit der Kommunikation Grundvoraussetzung ist:
Ursprünglich war der Begriff in der Regel positiv gefüllt. Der antike Demagoge war ein angesehener Redner und Führer des Volkes bei politischen Entscheidungen. Für Perikles war es ein Ehrentitel, auf Kleon wurde der Begriff von Thukydides jedoch abwertend angewandt. Im Zeitalter des Absolutismus galt Demagogie im Sinne von Aufhetzung des Volkes als Gefahr für die Stabilität der Staatsform: Ein Verbot der positiven Berichterstattung über die Englische Revolution und Oliver Cromwell, das die deutschen Fürsten 1653/54 beschlossen, wurde damit begründet, dass sie „sich zu demagogis gebrauchen lassen“ und „auf eine vitiosam Democratiam oder gar Anarchiam hinaußlaufe“.
Um eine Gruppe aufzuhetzen, kann man eine Rede halten. Die Menschen im Saal werden damit direkt erreicht. Man kann diese auch im Radio übertragen lassen, oder im Fernsehen, Zweiteres setzt aber schon voraus, dass man Zugriff auf den Sender hat, bzw. diese kontrolliert, um die Inhalte zu steuern. Denn im Parlamentsfernsehen mag man sich lang und breit äußern können, niemand sieht dort zu. Demagogie setzt also ein Mindestmaß an Macht voraus, bei der Kontrolle der Massenmedien eine Totalitäre.

Trump nutzt die direkte Form, wenn er beispielsweise weiterhin Veranstaltungen, die sonst Teil des Wahlkampfs waren, organisieren lässt, um seine Botschaft unter die Anhängerinnen und Anhänger zu bringen. Da die USA eine Demokratie sind, kann er trotz Polarisierung, wirtschaftlicher Verflechtung und Hofberichterstattung andere Kanäle nicht komplett kontrollieren und festlegen, was wann wie berichtet wird.



Doch nun leben wir im Zeitalter Sozialer Medien. Dies bedingt, dass die nachfolgende Definition von Max Morlock aus dem Jahr 1977 durch Trump ohne auf andere Akteure (außer die Server von Twitter) Rücksicht nehmen zu müssen, mit Leben erfüllt werden kann: 
Demagogie betreibt, wer bei günstiger Gelegenheit öffentlich für ein politisches Ziel wirbt, indem er der Masse schmeichelt, an ihre Gefühle, Instinkte und Vorurteile appelliert, ferner sich der Hetze und Lüge schuldig macht, Wahres übertrieben oder grob vereinfacht darstellt, die Sache, die er durchsetzen will, für die Sache aller Gutgesinnten ausgibt, und die Art und Weise, wie er sie durchsetzt oder durchzusetzen vorschlägt, als die einzig mögliche hinstellt.
Ein wichtiger Aspekt ist also, dass jemand an die Bevölkerung "appelliert", sich direkt an die Menschen wendet, ungefiltert, ohne Fragen, ohne externe Einordnung. Dies ist in den USA zum Beispiel bei der State of the Union (oder ähnlichen Anlässen) möglich. Doch dort und bei vielen anderen Anlässen zeigt man eher Zurückhaltung und Demut denn Aggressivität und herabsetzende Rhetorik. Lügen werden bestraft, da sie in den direkten Zusammenhang mit der Würde des eigentlichen Anlasses gesetzt werden. Erfüllt man diese implizite Erwartungshaltung nicht, droht die eigene Botschaft unterzugehen.

Womit wir bei Twitter wären. Ein virtueller Raum, der ohne viele Regeln auskommt. Und offenbar kontrolliert kaum jemand Donald Trump. Seine Tweets können jede und jeden zu jeder Zeit treffen. Und sie zeigen, dass er sie im klassisch demagogischen Sinne nutzt: Um die Menschen aufzuwiegeln.


Dieses Tweetgewitter ließ er am Wochenende los, als sich weitere Ermittlungen und Konsequenzen aus den FBI-Ermittlungen abzeichneten. Zur Einordnung siehe auch das Video von Stephen Colbert. Er endete mit folgendem Tweet:




"Tu/Tut etwas!" - es klang wie ein Hilferuf, wie zahlreiche Beobachterinnen und Beoabachter befriedigt fest stellten. Doch es war ein Ruf vorbei an allen demokratischen Institutionen, vorbei an Medien, Partei und Interessengruppen Ein Ruf, der noch unbestimmt bleibt. Kein direkter Aufruf zu Protest oder gar Gewalt. Doch wenn der gewählte Präsident der USA bei politischen Problemen oder drohenden rechtlichen Konsequenzen seines Wirkens oder dem seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die Bevölkerung appelliert "Tut etwas!", dann kann es gefährlich werden. 

Man mag einwenden, dass die Mehrheit der Bevölkerung eben nicht auf Twitter unterwegs ist, um die Befehle des Präsidenten entgegenzunehmen. Doch allein der Versuch und die Akzeptanz einer solchen Rhetorik können einem vor einem möglichen Amtsenthebungsverfahrens Angst und Bange machen.   

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