"Wenn man eine Gemeinschaft aufbaut, dann verschwindet die Gewalt."
In den USA gibt es vermehrt Stimmen, die Alternativen zur Polizei als (einzige) Trägerin der öffentlichen Sicherheit suchen. Das können gemeinschaftliche Ansätze sein, wie im oberen Zitat angedeutet, die kriminalitätsbelastete Orte aufwerten wollen. Oder sog. "Peace Circles", die Gewalt und Verbrechen aufarbeiten sollen. Auch Formen der Rechtssprechung, wie sie z.B. in Ruanda nach dem Völkermord von 1994 praktiziert wurden (die sog. Gacaca wurden 2002 reaktiviert, um den Versöhnungsprozess voranzutreiben), können alternative Formen der Strafverfolgung sein.
Doch inwiefern untergräbt dies nicht die Legitimität des Staates, dessen Bürgerinnen und Bürger selbst Träger der staatlichen Gewalt sind und ein Interesse daran haben, dass staatliche Institutionen die eigene Unverletzlichkeit schützen?
Kommen wir also schlicht nicht ohne Polizei aus? Das kommt darauf an, wer mit diesem «wir» gemeint ist. Die Argumentation von Hobbes ist gänzlich aus der Perspektive des Besitzbürgers formuliert, der sich um sein Eigentum sorgt. Tatsächlich wird Menschen, die zur hiesigen Mehrheitsgesellschaft gehören, einen Job haben, vielleicht eine Immobilie ihr Eigen nennen und keine Suchterkrankung haben, die Institution der Polizei kaum Kopfzerbrechen bereiten. Mit dieser dürften sie im Alltag nur selten in Berührung kommen.
Oberes Zitat macht deutlich, worum es geht: Nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind gleichermaßen von Verfehlungen betroffen. Vorschläge zu Alternativen des staatlichen Gewaltmonopols, das mit Hilfe der Polizei durchgesetzt wird, kommen zum Beispiel aus der Richtung der Black Lives Matter-Bewegung, deren AktivistInnen sich u.a. gegen Polizeiwillkür und -gewalt einsetzen. Die Kritik an der Polizei zielt dabei aber direkt auf innerinstitutionelle Veränderungen ab, bzw. richtet sich gegen ursächliche systemimmanente Phänomene, wie es der Rassismus in den USA eben auch heute noch ist.
"The Wall of Plexiglass" - Polizisten beim G20-Gipfel in Toronto 2010. Credits: ebt47563, via Flickr |
Das ist wichtig sich vor Augen zu rufen, denn Polizeikritiker kommen durchaus auch aus ganz anderen Richtungen. Zum Beispiel aus den Reihen der Libertarier, die Sicherheit als ein Gut wie jedes andere ansehen, das sich durch private Anbieter "herstellen" und "verteilen" lässt. Welche Konsequenzen dies hat, lässt sich leicht prognostizieren. Das Sicherheitsluxuspaket für die einen (möglicherweise sogar inkl. des Schutzes privater Daten), der Basisschutz mit zahlreichen Einschränkungen, was den "Service" (Reaktionszeiten; Ausschluss bestimmter Gebiete für Hilfe; Datenerfassung;...) angeht.
Also auch ein Ungleichgewicht, allerdings ein transparenteres und marktgesteuertes? So einfach ist es nicht, schließlich kann eine staatliche Institution viel stärker evaluiert und reguliert werden. Kritik am Vorgehen staatlicher Akteure kann zu Konsequenzen und Veränderungen führen, die deeskalierend wirken und weit über die Möglichkeiten der Regulierung privater Akteure hinausgehen.
Daniel Hackbarth kommt so in seinem Artikel "Wer braucht schon die Polizei" in der Wochenzeitung - WOZ zum Schluss, dass die Alternativen sicherlich nicht als ultimative Problemlöser taugen - aber manche:
"[...] beweisen politische Fantasie, die humanere gesellschaftliche Zustände anvisiert. Und schon das ist in einer Zeit, in der ReaktionärInnen den Ton angeben, viel wert."
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