Eigentlich hat Leo Fischer zu dem Thema alles recht treffend gesagt: "Es gibt für Deutsche keine schlimmere Kränkung, als wenn man ihre Autos angreift." Die Debatte, wann es in Hamburg warum eskalierte und dass die Gewalt der gestrigen Nacht keine angemessene Form des Protests darstellt, ist darüber hinaus zu führen.
So viele Menschen haben im Digitalzeitalter den Drang trotz unübersichtlicher Gemengelage zu urteilen, nach Konsequenzen zu rufen und Verbindungen zu den für sich selbst als wichtig befundenen Themen herzustellen. Da ist Zurückhaltung viel wert, vor allem wenn die Basics kein Gehör finden.
Ja, die Gewalt entlud sich vergangene Nacht in drastischer Form.
Nein, Gewalt gegen die Polizei ist keine legitime Globalisierungskritik.
Vielleicht sollte das Polizeigebaren (z.B. Entzug von Akkreditierungen, Überprüfung von Mobiltelefonen in größerer Zahl,...) genauso Gegenstand einer Diskussion sein, wie die Frage warum überhaupt sich Zehntausende Menschen, von denen fast alle keinen Supermarkt "geöffnet" haben, auf den Weg nach Hamburg machten.
Doch sich auf die beiden ersten Punkte zu verständigen und über den Dritten zu reden, ist kaum möglich. Dazu trägt auch manche Berichterstattung bei. Gestern Abend sendete die ARD einen Brennpunkt zum ersten Tag des G20-Gipfels. Den konnte man ungefähr so erleben (inklusive kurzer Aufgabe der Zurückhaltung):
Denn es ging einfach nicht um Inhalte. Man kann es naiv nennen das zu erwarten. Aber wenn bei der Frage nach dem angeblichem Hauptthema "Afrika", die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassel sagt: "Afrika, das ist bitter", und ansonsten immer wieder die Schlagworte Terrorismus, Handel und Klima aufgesagt werden, denkt man sich doch: Was steckt hinter Fragen der Terrorismusbekämpfung? Wie soll Handel umgestaltet werden? Stattdessen: Beethoven´s Neunte und Trump und Putin schließen eine Männerfreundschaft unter Narzissten. Dann: Gewalt, Gewalt, Gewalt. (Und falls es keine wirklichen Inhalte gibt, die diskutiert werden - ein ungefähres Bekenntnis zum freien Handel ist jedenfalls eher Worthülse denn Inhalt - könnte auch das ein Thema sein).
Das war vor der gestrigen Nacht im Schanzenviertel. Auch friedliche Demonstrationen wurden in die Nähe der Gewalt gerückt und eine inhaltliche Kritik am G20 erst gar nicht thematisiert. Dann wurde der Polizeipräsident Hamburgs interviewt, der davon berichtete, dass in einem "Arbeiterviertel" Autos angezündet wurden, zum Beispiel ein VW Golf. Natürlich geht das in einer Live-Sendung unter.
Doch es ist schon bemerkenswert, dass so etwas unwidersprochen bleibt. Denn was heißt das denn? Dass es ok wäre, wenn die Autos von "Bonzen" brennen? Wenn man marodierend durchs Villenviertel zieht? Das hat dann eine höhere Legitimität und ist angemessene Kapitalismuskritik? Wie gesagt, bei der Frage warum Autos wie indische Kühe betrachtet werden, dazu Leo Fischer. Bei welchen Modellen das Anzünden besonders perfide ist, wäre gesondert zu klären (auch was den sozioökonomischen Hintergrund der Halterinnen und Halter angeht). Und wer am Ende zum Schluss kommt, dass es halt schon besser wäre wenn Autos von Reichen brennen, der sollte Kritik an der bestehenden Form des Kapitalismus äußern und in sich gehen, um die eigene politische Verortung und Präferenzen zu checken.
Eigentlich könnte man sich schnell einigen, dass es nie wirklich gut ist, wenn Autos brennen. Und dann danach fragen, woher diese Wut und Gewaltbereitschaft kommen. Konkret lässt es sich vielleicht bei militanten Aktivisten, die sich wenig um Inhalte scheren, verorten. Das ist aber zu kurz gedacht. Denn die Wut ist auch bei anderen da, die keine Gewalttaten begehen. Die vielleicht innerlich Zustimmung signalisieren, weil ein Teil von ihnen "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" mitsummt. Das ist nicht besonders hilfreich, aber vielleicht menschlich? Ein Ausdruck der Hilflosigkeit angesichts des Wissens, dass die Politik unabhängig von dem Draußen funktioniert.
Aber solche Fragen (die keine einfachen Antworten haben) haben viele Menschen nicht im Sinn. Äußert man sich dazu, gerät man sofort in den Blick derer, die dieses "linksfaschistische" Treiben als Beweis für den bevorstehenden Untergang der geliebten Heimat sehen und nicht verstehen, dass letztlich der Ort der Gewalt ein Zufälliger ist, die Frage nach dem "Warum?" aber Erklärungen anbietet. Doch im Normalfall geschieht eben das:
Erster Tag des G20-Gipfels - Foto: Thorsten Schröder |
Ja, die Gewalt entlud sich vergangene Nacht in drastischer Form.
Nein, Gewalt gegen die Polizei ist keine legitime Globalisierungskritik.
Vielleicht sollte das Polizeigebaren (z.B. Entzug von Akkreditierungen, Überprüfung von Mobiltelefonen in größerer Zahl,...) genauso Gegenstand einer Diskussion sein, wie die Frage warum überhaupt sich Zehntausende Menschen, von denen fast alle keinen Supermarkt "geöffnet" haben, auf den Weg nach Hamburg machten.
Doch sich auf die beiden ersten Punkte zu verständigen und über den Dritten zu reden, ist kaum möglich. Dazu trägt auch manche Berichterstattung bei. Gestern Abend sendete die ARD einen Brennpunkt zum ersten Tag des G20-Gipfels. Den konnte man ungefähr so erleben (inklusive kurzer Aufgabe der Zurückhaltung):
Denn es ging einfach nicht um Inhalte. Man kann es naiv nennen das zu erwarten. Aber wenn bei der Frage nach dem angeblichem Hauptthema "Afrika", die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios Tina Hassel sagt: "Afrika, das ist bitter", und ansonsten immer wieder die Schlagworte Terrorismus, Handel und Klima aufgesagt werden, denkt man sich doch: Was steckt hinter Fragen der Terrorismusbekämpfung? Wie soll Handel umgestaltet werden? Stattdessen: Beethoven´s Neunte und Trump und Putin schließen eine Männerfreundschaft unter Narzissten. Dann: Gewalt, Gewalt, Gewalt. (Und falls es keine wirklichen Inhalte gibt, die diskutiert werden - ein ungefähres Bekenntnis zum freien Handel ist jedenfalls eher Worthülse denn Inhalt - könnte auch das ein Thema sein).
Das war vor der gestrigen Nacht im Schanzenviertel. Auch friedliche Demonstrationen wurden in die Nähe der Gewalt gerückt und eine inhaltliche Kritik am G20 erst gar nicht thematisiert. Dann wurde der Polizeipräsident Hamburgs interviewt, der davon berichtete, dass in einem "Arbeiterviertel" Autos angezündet wurden, zum Beispiel ein VW Golf. Natürlich geht das in einer Live-Sendung unter.
Doch es ist schon bemerkenswert, dass so etwas unwidersprochen bleibt. Denn was heißt das denn? Dass es ok wäre, wenn die Autos von "Bonzen" brennen? Wenn man marodierend durchs Villenviertel zieht? Das hat dann eine höhere Legitimität und ist angemessene Kapitalismuskritik? Wie gesagt, bei der Frage warum Autos wie indische Kühe betrachtet werden, dazu Leo Fischer. Bei welchen Modellen das Anzünden besonders perfide ist, wäre gesondert zu klären (auch was den sozioökonomischen Hintergrund der Halterinnen und Halter angeht). Und wer am Ende zum Schluss kommt, dass es halt schon besser wäre wenn Autos von Reichen brennen, der sollte Kritik an der bestehenden Form des Kapitalismus äußern und in sich gehen, um die eigene politische Verortung und Präferenzen zu checken.
Eigentlich könnte man sich schnell einigen, dass es nie wirklich gut ist, wenn Autos brennen. Und dann danach fragen, woher diese Wut und Gewaltbereitschaft kommen. Konkret lässt es sich vielleicht bei militanten Aktivisten, die sich wenig um Inhalte scheren, verorten. Das ist aber zu kurz gedacht. Denn die Wut ist auch bei anderen da, die keine Gewalttaten begehen. Die vielleicht innerlich Zustimmung signalisieren, weil ein Teil von ihnen "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" mitsummt. Das ist nicht besonders hilfreich, aber vielleicht menschlich? Ein Ausdruck der Hilflosigkeit angesichts des Wissens, dass die Politik unabhängig von dem Draußen funktioniert.
Aber solche Fragen (die keine einfachen Antworten haben) haben viele Menschen nicht im Sinn. Äußert man sich dazu, gerät man sofort in den Blick derer, die dieses "linksfaschistische" Treiben als Beweis für den bevorstehenden Untergang der geliebten Heimat sehen und nicht verstehen, dass letztlich der Ort der Gewalt ein Zufälliger ist, die Frage nach dem "Warum?" aber Erklärungen anbietet. Doch im Normalfall geschieht eben das:
Merke: Ironie passt nicht immer.
Es ist zu erwarten, dass der heutige Brennpunkt vor allem Bilder geplünderter Geschäfte zeigen und von den massivsten Ausschreitungen der Geschichte der Bundesrepublik sprechen wird. Das wäre in Ordnung, wenn "alles andere" gleichberechtigt thematisiert werden würde. Davon ist aber nicht auszugehen, allein weil die Aufmerksamkeitsspanne von Zuschauerinnen und Zuschauern zu kurz ist. Und verwackelte Videos den größeren Unterhaltungsfaktor haben.
Genau das ist aber zu kritisieren, denn die Schäden des G20-Gipfels in Hamburg werden trotz aller individuellen Härten schnell beseitigt sein. Dessen Folgen (des "Weiter so") für viele Menschen dieser Erde aber tagtäglich spürbar bleiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen