Dienstag, 27. Juni 2017

Warum Wirtschaftsförderung (noch) keine Entwicklungshilfe ist

"Auch hier müssen wir umdenken. Wirtschaftsförderung ist die beste Entwicklungshilfe, insofern sollten dafür Gelder des Entwicklungsministeriums bereitgestellt werden. Dann können sie mit einigen Hundert Millionen Euro mehr erreichen als in klassischer Entwicklungshilfe mit Milliardensummen."

Die Frankfurter Rundschau hat ein interessantes Interview mit Stefan Liebing, Chef des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft geführt. Auch wenn er ein erfreulich differenziertes Bild vermittelt, hält auch er am Mythos "Entwicklung durch Wachstum" fest. 

Doch ohne substantielle Veränderungen der globalen Wirtschafts- und Handelspolitik werden nur wenige - zu wenige - Menschen von einer wirtschaftlicher Entwicklung des afrikanischen Kontinents profitieren. Diese Tatsache sollte auch in der öffentlichen Debatte auftauchen, zu oft werden noch "Umfeldverbesserungen" (gute Regierungsführung und Institutionen) gefordert, doch deren Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum ist offenbar kleiner als gedacht:
Grundsätzlich  stehen  zu  spät  kommende  Industrialisierer – wie die meisten subsaharischen Länder – vor dem Problem, dass Industrialisierung nicht mehr als Allheilmittel für Wachstum und Beschäftigung  angesehen werden kann.
Der Entwicklungsbericht der UNIDO zeigt deutlich, dass der allgemeine Trend zu einem geringeren Anteil von industrieller Fertigung am BIP, auch in afrikanischen Staaten zu finden ist (S. 32). Doch dort ist er besonders problematisch, da der Industriesektor gut bezahlte Arbeitsplätze schafft und Technologie bindet und Entwicklungsmöglichkeiten schafft. Letztlich haben sich entwickelnde Länder oder schwach entwickelte Länder von der Globalisierung nicht in dem Maße profitiert, wie dies vorgesehen war. Problematisch ist, dass auch heute noch argumentiert wird, dass die Globalisierungsgewinne eintreten werden. Stattdessen lassen sich zunehmend Oligopole und dominante technologisch hoch entwickelte Akteure, die mit einer kleinen Zahl an Beschäftigten hohe Gewinne erwirtschaften, beobachten.

Nicht umzudenken ist also gefährlich, auch wenn das Interesse im Rahmen der sog. "Fluchtursachenbelkämpfung" an echten Veränderungen steigt. Die lassen sich aber nur mit Veränderungen auf allen Seiten erreichen, die afrikanischen Staaten werden hier "nicht liefern können":
Erstens müsste der Westen seine Märkte endlich vollkommen für unsere Produkte öffnen. Zweitens müssten die westlichen Länder die Barrieren beseitigen, die sie gegen den Aufbau von Produktionsstätten in Afrika errichtet haben. Die Zölle, die beispielsweise auf Kaffeebohnen aus Kenia erhoben werden, sind als Folge der Zolleskalation oft niedriger als die Zölle auf gemahlenen Kaffee. Die Botschaft an die Kenianer lautet: Produziert keine Endprodukte! Packt die Rohwaren in Säcke und liefert sie uns, und wir schicken euch gerne die Endprodukte. Diese Politik hemmt die wirtschaftliche Entwicklung, und sie behindert ausländische Investitionen hierzulande. Viele Afrikaner sehen es wie folgt: Wenn westliche Länder uns Hilfsgelder geben, verwenden sie den Profit, den sie zu Hause mit unseren Rohwaren erzielt haben.
Fairness und Augenhöhe (realisiert in fairen Handelsbeziehungen) in Wirtschaftsbeziehungen können also Basis für eine echte Entwicklung sein. Dann könnte auch Wirtschaftsförderung als Entwicklungshilfe durchgehen.

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