Samstag, 27. Mai 2017

"Moralische Wende" in Burundi: Heirate, sonst...!

Per Zwangsheirat zur moralischen Erneuerung und Senkung der Geburtenrate - das plant die burundische Regierung. Doch die Situation im Land ist vor allem geprägt von politischer Repression, Instabilität und humanitärer Notlagen. Die Zahl der Flüchtlinge wird laut UNHCR bis Ende des Jahres auf über eine halbe Millionen ansteigen - trotzdem gibt es Probleme mit der Finanzierung.

Vor einigen Tagen warnte das UNHCR, dass die Gesamtanzahl der burundischen Flüchtlinge bis Ende 2017 auf über eine halbe Million ansteigen wird. Dies liegt auch an der schleppenden Finanzierung der humanitären Hilfe. Dass laufende Hilfsoperationen fast immer zu spät und oft nicht ausfinanziert werden, lässt sich angesichts des inflationären Gebrauchs des Begriffs "Fluchtursachenbekämpfung" kaum verstehen. Natürlich geht es dabei nur am Rande um Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe und vor allem um Weichenstellungen in der Handels- und Sicherheitspolitik. Dennoch trägt diese Unterfinanzierung ihren Teil dazu bei, dass Menschen fliehen und weiterziehen.

Bei Burundi hat man auch vergessen, warum die Menschen eigentlich fliehen, bzw. es wird kaum mehr darüber berichtet. Das Auswärtige Amt schreibt aktuell: "Die Sicherheitslage in Burundi ist aufgrund der instabilen innenpolitischen, wirtschaftlichen und kritischen menschenrechtlichen Lage unübersichtlich und angespannt. In der Hauptstadt Bujumbura kann es jederzeit zu gewaltsamen, politisch motivierten Auseinandersetzungen kommen. (...) Aufgrund der sich rasant verschlechternden wirtschaftlichen und humanitären Lage der Bevölkerung sind Akte von Gewaltkriminalität (Raubüberfälle, Plünderungen) mit entsprechenden Gegenreaktionen der Sicherheitskräfte nicht auszuschließen." Seit April 2015 mussten knapp 410.000 Menschen ihr Zuhause verlassen.

Letztlich fehlt es an einer wirklichen Strategie seitens der internationalen Gemeinschaft in Ost- und Zentralafrika. Auf der einen Seite verlängerte die EU im September 2016 "restriktive Maßnahmen" gegen Burundi bis zum 31. Oktober 2017. Neben Deutschland haben weitere wichtige Geber ihre Entwicklungszusammenarbeit suspendiert bzw. auf Nothilfe für die Bevölkerung beschränkt. Auf der anderen Seite ist das Land Mitglied der AMISOM-Truppen in Somalia und damit sicherheitspolitischer Partner. Politischer Druck ist also da, doch die Aufmerksamkeit schwindet schnell.

So hat Staatspräsident Nkurunziza in seiner dritten Amtszeit trotz internationaler Warnungen nahezu freie Hand. LGBT*I-Personen werden verfolgt, Journalisten müssen Repressionen fürchten und auch die breite Bevölkerung spürt die harte Hand des Machthabers. Neueste "Idee" der Regierung: eine Art Zwangsheirat.

Um die "Bevölkerungsexplosion" in den Griff zu bekommen (die Geburtenrate ist mit 5,9 unbestritten hoch), sollen nun unverheiratete Paare bis Ende des Jahres heiraten. Per Dekret. Ansonsten drohen Strafen, wie das Recht ein Kind in die Schule schicken zu können zu verlieren, oder Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung zu erleiden. Auch Bußgelder drohen, deren Nichtzahlung mit Haft geahndet werden kann. Präsident Nkurunziza will so die Gesellschaft "moralisieren" - ein Anliegen, das in der Geschichte der Menschheit schon Millionen das Leben kostete. 

Noch immer zeigen vor allem afrikanische Staaten extrem hohe Geburtenraten, die direkt mit der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung korrespondieren. Quelle: Weltbank

Natürlich ist dies eine Art Randnotiz, angesichts des 184. Platzes (von 188), den Burundi im Human Development Index belegt und einer Lebenserwartung von etwa 57 Jahren. Doch es sollte eine weitere Warnung für die internationale Gemeinschaft sein. Denn statt guter Regierungsführung und dem Versuch der Entwicklung, sollen Repressionen Verbesserungen im Land herbeiführen. Dies wird nicht gelingen und die Spannungen wieder verschärfen. Die Warnungen vor Massakern und Massenflucht sind seit Ausbruch der Unruhen nie ganz verklungen.
 
Platz 184 von 188 und kaum Entwicklung seit 1990 - das ist die Lage in Burundi. Quelle: UNDP

Und wie es eigentlich um "Moral" und Menschlichkeit im Land bestellt ist, illustriert folgendes Beispiel. So skandierten vor einigen Wochen hunderte junge Mitglieder der Jugendorganisation (-miliz) Imbonerakure der Regierungspartei: "Schwängert unsere Gegner, sie sollen kleine Imbonerakures gebären." und riefen zu Vergewaltigungen und Morden auf. Wer die Situation in den vergangenen Jahren verfolgt hat, weiß: Es ist keine leere Drohung.

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