Sonntag, 28. Mai 2017

Auch bei der Nato hat Trump unrecht

"Die Europäer lassen sich ihre Sicherheit von den USA finanzieren. Das ist unsolidarisch und gefährlich. Höhere Verteidigungsausgaben sind kein Geschenk an die USA." Mit diesem Teaser erschien Ende der Woche ein Kommentar auf ZEIT Online. Hier eine kleine Gegenrede anhand von drei Fragen.

Worum gehts? Die beiden AutorInnen stimmen darin Trump´s Kritik an den seiner Meinung nach zu niedrigen Ausgaben für Verteidigung zu. Zwei Prozent des BIP sollen es laut Claudia Major, Senior Associate der Stiftung Wissenschaft und Politik und Christian Mölling, stellvertretender Direktor des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, sein: "Für die USA waren die zwei Prozent nie ein Problem, die Problemkinder waren immer die Europäer." Sie schreiben von Solidarität, gerechter Lastenteilung und der großen Gefahr, wenn die Ausgaben so niedrig bleiben.

Worüber reden wir? "Die Verteidigung Europas, also der Schutz seines Territoriums, seiner Bevölkerung und seiner politischen und gesellschaftlichen Systeme, hängt von den nuklearen und konventionellen Fähigkeiten der USA ab." Damit ist natürlich vor allem Russland gemeint, die Ukraine-Krise habe nach Meinung vieler Beobachter die Notwendigkeit wehrhaft zu sein vor Augen geführt. Nun ist es richtig, dass Russland unter Putin Außenpolitik militärisch unterfüttert. Und Schwachstellen (die aber zu einem großen Teil nicht militärisch, sondern diplomatischer Natur sind) ausnutzt. Daraus aber die Gefahr einer Invasion abzuleiten, ist erstmal nur ein Szenario unter vielen. Eine solche "Bedrohung" bedarf zunächst einmal der intensiven politischen Bearbeitung. Und was die Mittel für Rüstung angeht: Deutschland, Großbritannien und Frankreich geben zusammen mehr als doppelt so viel für Verteidigung aus wie Russland. Stand 2016 (Mehr: http://visuals.sipri.org/).

Quelle: SIPRI

Natürlich ist die Dynamik der russischen Rüstungsausgaben besorgniserregend. Davon auszugehen, dass eine Erhöhung der NATO-Ausgaben diese Dynamik bricht, ist naiv. Nochmal: Zusammen geben die europäischen NATO-Mitglieder drei Mal so viel für Verteidigung aus wie Russland, insgesamt (mit den USA) sind es 12-mal so viel.

Insgesamt gab die Welt 2016 etwa 1,7 Billionen US-Dollar für Rüstung aus. Quelle: SIPRI

Was ist eigentlich zu tun? "Mehr Geld – klug – ausgeben, dann profitieren beide: die USA und Europa" - das finden die beiden AutorInnen. Kein Wort darüber, dass die Stärkung militärischer Mittel die der zivilen Konfliktbearbeitung und der Entwicklungszusammenarbeit weiter schwächt. Bei Letzterer diskutiert man seit mehr als 40 Jahren über 0,7 Prozent - die meisten Staaten sind bei 0,3 oder 0,4 Prozent angekommen. Die USA unter Trump können mit dem Thema insgesamt nicht mehr viel anfangen. Doch eine echte Stärkung (oder gar eine Umkehr - 0,7 Prozent für Rüstung und zwei Prozent für Entwicklung und Konfliktbearbeitung) gepaart mit Veränderungen in der Handels- und Wirtschaftspolitik würden am Ende wohl die Verteidigungshaushalte am nachhaltigsten entlasten. Scheinbar endlose Einsätze ohne Perspektive wie in Afghanistan hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit zu enden oder einen anderen Verlauf zu nehmen als mit der aktuellen Politik. Diese Politik der militärischen Intervention und des langfristigen militärischen Engagements würde durch die Erhöhung der Ausgaben gestärkt werden - keine gute Aussicht für die internationalen Beziehungen.

Eines ist in diesem Zusammenhang auch klar: Die NATO ist nicht dazu da, einen Führungsanspruch eines bestimmten Teils der Welt zu formulieren. Für die USA mag das Verteidigungsbündnis diese Rolle einnehmen, die europäische Seite sollte sich davon deutlich distanzieren. Wenn es am Ende ums Geld geht, dann werden auch zwei Prozent nicht ausreichen, falls China sich irgendwann dafür entscheidet zur größten Militärmacht aufsteigen zu wollen. Insofern sollte die NATO eher Vorbild für Abrüstung/Begrenzung militärischer Mittel sein, das würde der europäischen Selbstwahrnehmung (und dem Titel "Friedensnobelpreisträgerin" für die EU) ohnehin mehr entgegenkommen.

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