Montag, 1. Mai 2017

Konflikt in Darfur: Bewusst vergessen

Um Darfur ist es ruhig geworden. Während der Konflikt des Sudan mit dem neuen Nachbarn Südsudan zumindest hin und wieder in den Nachrichten auftaucht - hauptsächlich aufgrund der humanitären Auswirkungen - gibt es aus Darfur kaum mehr Nachrichten. Liegt es daran, dass nur schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind? Diese Sichtweise vertreten Vereinte Nationen und die Afrikanische Union, welche beide die Erfolge in der Region hervorheben:
“The Darfur of today is a very different place from what this region was in 2003, when the armed conflict began, and from that of a year ago” 

Joint Special Representative, Jeremiah Mamabolo
Dabei ist es völlig richtig, dass die Situation in Darfur nicht mit der von 2003 zu vergleichen ist. In der Folge des Konflikts wurden 300.000 Menschen getötet, mehrere Millionen vertrieben. Der Konflikt begann als eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Darfur und der sudanesischen Regierung in Khartum. Letztendlich handelt es sich aber in Teilen auch um einen Stellvertreterkonflikt, an dem zum Beispiel der Tschad oder Eritrea beteiligt waren bzw. sind.

Anfang der Nuller-Jahre war der Darfurkonflikt weltweit Gegenstand der Berichterstattung. George Clooney begann 2006 sich für Darfur zu engagieren, ab 2010 startete er ein Projekt, um Menschenrechtsverletzungen per Satellit zu dokumentieren. Doch auch das hat nichts an dem abflauenden Medieninteresse geändert. Foto: Cover des REFUGEES-Magazin von 2004.
Nach Angaben der UN-Mission UNAMID hat es 2017 keine neuen Vertreibungen gegeben. Dies sah vor einigen Jahren noch anders aus, Zehntausende flüchteten damals vor allem in die umliegenden Länder, wie den Tschad.

Wie ist die Situation heute? 

Die Antwort ist schwierig, was vor allem daran liegt, dass die Zentralregierung in Khartum eine unabhängige Berichterstattung unterbindet, was Vermutungen nahe legt, dass der Konflikt weiterhin schwelt, immer wieder ausbricht und keinesfalls von einer Befriedung gesprochen werden kann.

Ende 2016 wurden zwei Journalisten entführt, darunter der Brite Phil Cox. Für den guardian hat er seine Erlebnisse protokolliert. Sie machen deutlich, wie militarisiert die gesamte Region weiterhin ist und dass es kaum Anstrengungen gibt die systematischen Menschenrechtsverletzungen zu beenden. Die beiden Journalisten wurden nach ihrer Entführung misshandelt und gefoltert. Cox wollte nach eigenen Angaben den Konflikt in Darfur wieder auf die öffentliche Agenda setzen:
We talked about Darfur, both of us baffled by how, after being the media’s favourite cause for a few years, it had now dropped off the international radar. Europe and the US had begun talks about lifting sanctions and welcoming Sudan back into the international fold.
Konkret ging es bei der Recherche um den Gebrauch von Chemiewaffen in der Jebel Marra-Region im vergangenen Dezember. Die letzten bekannt gewordenen militärischen Auseinandersetzungen liegen also nicht weit zurück. Und das Urteil von Cox ist eindeutig, was die Lage in Darfur eingeht:
My imprisonment gave me a window into a hidden Sudan, one that the Sudanese government, now desperate to return to the international fold, does not want us to see.
Die UN geben zwar an, dass sie die Möglichkeit bekommen hätten bestimmte Regionen zu besuchen, allerdings sind offizielle und angekündigte Besuche gerade bei einer Administration, die es gewohnt ist keinesfalls "mit offenen Karten zu spielen" mit großer Vorsicht zu genießen.

Die Flüchtlingszahlen zeigen, dass der ganze Sudan mit der Aufnahme von Geflüchteten aber auch internen (zum Teil von der Regierung verschuldeten) Fluchtbewegungen zu kämpfen hat. Auch dies trägt dazu bei, dass der internationale Fokus nicht mehr auf Darfur liegt, wo die internen Zahlen seit einigen Jahren gesunken sind. Viele Binnenvertriebene aber konnten bis heute nicht zuürckkehren. Quelle: UNHCR
Außerdem ist der Konflikt eben faktisch nicht beigelegt. Auch die Afrikanische Union, die mit einem "High-level Implementation Panel (AUHIP)" Friedensgepräche initiierte, kann noch keinen Erfolg vermelden. Weder ein offizieller Waffenstillstand, noch eine Erklärung zur Verurteilung und Beendigung der Gewalt in der Region und die Aufnahme von Gesprächen über ein Abkommen wurden bisher unterzeichnet. Damit ist ein echter Friedensvertrag noch in weiter Ferne. 

Auch wenn die Vereinten Nationen davon ausgehen, dass zum Beispiel die Sudan Liberation Army/Abdul Wahid al-Nur (SLA/AW) nicht länger in der Lage ist echte und umfassende Militäroperationen durchzuführen, will diese ihren bewaffneten Kampf fortsetzen (Zu den Hintergründen dieser und anderer bewaffneter Gruppen siehe hier).

Kleinteiliger, unübersichtlicher, voller Gewalt

Selbst wenn es also Fortschritte gibt, versucht die sudanesische Regierung weiterhin mit aller Macht jegliche Bestrebungen für mehr Autonomie im Keim zu ersticken. Dabei setzt sie auf Stammes-Milizen, die der Regierung gewogen sind. Auch die staatliche Armee ist stark präsent und arbeitet mit den militanten nicht-staatlichen Gruppen zusammen. Neben dem Einsatz von Waffen gibt es auch immer wieder Berichte über Entführungen, Folter und Vergewaltigungen als Waffe.

Auch wenn in den vergangenen Jahren mehr Gelder flossen und die prominente Unterstützung für eine gewisse Aufmerksamkeit sorgte - der internationalen Gemeinschaft ist es nicht gelungen Sicherheit in der Region zu implementieren. Dies liegt auch am fehlenden Druck auf Khartum, da der Sudan als Partner im Kampf gegen "den" Terror gilt und aufgrund der umliegenden Instabilität umworben wird:
Der westliche Nachbar Libyen ist zum neuen Sammelpunkt radikaler Islamisten geworden. Weiter im Süden, in Nigeria, tobt die Terrorgruppe Boko Haram. In Somalia im Osten kontrolliert die Miliz Al Shabab immer noch große Teile des Landes und drängt gen Kenia und nach Äthiopien. Und im Norden Sudans liegt Ägypten, von dem kaum einer weiß, wie es dort politisch in zehn Jahren aussehen wird. Jenseits des Roten Meeres wiederum liegen Saudi-Arabien und der Jemen. Aus dem einen kommt das Geld für die Radikalen, und in dem anderen haben sie mehr oder weniger gerade die Macht übernommen. Und mittendrin liegt Sudan – ein Land, von dem die Amerikaner einerseits behaupten, es sei ein Schurkenstaat, sich andererseits aber trotzdem gerade vorsichtig annähern.
Die Zentralregierung fühlt sich schon seit einiger Zeit realtiv unangreifbar, dies kommt auch in dem Satz von Kamal Ismael, 2015 Staatsminister im sudanesischen Außenministerium, zum Ausdruck, der damals sagte: "Ich habe den Eindruck, der Westen hat seine Lektion aus dem Sturz Gaddafis gelernt."

Dieses Wissen ist die Basis um Menschenrechtsanwälte zu inhaftieren und jegliche Berichterstattung über Darfur zu unterbinden. Faktisch ist Darfur in den vergangenen Jahren zudem weiter zerfallen und wurde zwischen rivalisierenden Stämmen aufgeteilt. Das macht den Konflikt noch kleinteiliger, unübersichtlicher und schafft ein (gewolltes) Machtvakuum, in dem Gewalt ungehindert gedeihen kann.

Menschen aus dem Südsudan suchen Zuflucht

Neben dem politischen und militärischen Konflikt sind die Migrationsbewegungen in der Region eine große Herausforderung. Tausende geflüchtete Menschen aus dem Südsudan suchen im Sudan Schutz vor dem Konflikt oder fliehen vor dem drohenden Hungertod. 365.000 Personen kamen seit Dezember 2013 in die Grenzregionen, darunter auch den südlichen Teil Darfurs.

Fazit: Nicht heiß, aber schwelend

Als Fazit bleibt also, dass der Konflikt in Darfur nicht mehr die Intensität aufweist wie noch vor einigen Jahren. Auch ist die Zahl der Militäroperationen offenbar zurückgegangen und die regionale UN-Mission hat einen groben Überblick über bewaffnete Akteure und deren Aktivitäten. Allerdings sind unabhängige Informationen weiterhin ein rares Gut und Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen, Folter oder Vergewaltigungen sind als glaubhaft einzustufen.

Der Regierung ist offenbar nicht daran gelegen eine nachhaltige Befriedung der Region anzustreben, da sie die politische Opposition und damit einhergehende Autonomie- oder Sezessionsbewegungen fürchtet. Und die internationale Gemeinschaft hat sich u.a. aufgrund einer fehlenden kohärenten Strategie in der Region und der Angst vor dem worst-case (Erstarkung und regionale Verbreitung islamistischer Terrorgruppen) dazu entscheiden das Land als Partner zu betrachten.

Folgender TED-Talk vom November vergangenen Jahres verleiht einer jungen Künsterlin aus Darfur eine Stimme. Sie schildert das Leben der Menschen unabhängig von offiziellen Verlautbarungen, Medienberichten und prominenten Aktivisten:


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