Bärbel Krauß beschäftigt sich in der Stuttgarter Zeitung mit der Ankündigung des Verteidigungsministeriums, Workshops über „Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr“ abzuhalten und Fragen der Toleranz gegenüber Minderheiten zu thematisieren. Krauß schreibt:
Mit dieser Argumentation ist es leicht, jede Maßnahme für überflüssig, da nicht wirksam genug, zu erklären und trotz der essentiellen Bedeutung unter ferner liefen abzuheften. Richtig ist: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Doch Krauß geht noch weiter, wenn sie schreibt:
Doch hier liegt Krauß falsch. Im Gesetz über die Rechtstellung der Soldaten heißt es u.a. im § 8:
Es mag gute Gründe geben den Vorstoß von der Leyens in den Gesamtkontext der Bundeswehr mit all ihren Besonderheiten und Problemen einzubetten und davon augehend auch in anderen Bereichen Verbesserungen einzufordern. Daraus jedoch eine generelle Ablehnung zu konstruieren, wird der Bedeutung von Vielfalt und Toleranz schlicht nicht gerecht. Sie sind kein Luxus in Friedenszeiten, sondern Voraussetzung für eine effektiv funktionierende Armee.
Wenn Ursula von der Leyen nun in ihrer Not – Ende der Wehrpflicht, hoher Arbeitskräftebedarf der Privatwirtschaft –, das nötige Personal für die Bundeswehr dadurch gewinnen will, dass sie auf Inklusion und Vielfalt in der Truppe setzt und demonstrativ einen Workshop über „Sexuelle Orientierung und Identität in der Bundeswehr“ abhält, dann bricht sie damit nicht nur mehrere Tabus. Sie führt die Öffentlichkeit auch in die Irre über das, was die Truppe leisten kann.An mehreren Stellen macht die Journalistin darauf aufmerksam, dass "die sexuelle Orientierung der Soldaten nicht im Mittelpunkt stehen sollte", aber "manche Soldaten in der Bundeswehr sich nach wie vor schwer tun, Minderheiten zu akzeptieren." Darüber zu sprechen bzw. sich aktiv im Rahmen eines Workshops auseinanderzusetzen, hält Krauß jedoch offenbar für überflüssig:
Diskriminierenden Sprüchen und anzüglichen Bubenspielchen, die unter pubertierenden und post-pubertierenden jungen Männern in Uniform und in Zivil häufiger vorkommen als im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung, kann und sollte die Truppe aber anders begegnen, als mit dem starken Augenmerk, das von der Leyen der Sexualität der Soldaten nun widmet.Richtig ist - das schreibt Krauß auch - dass die Bundeswehr im soldatischen Bereich keine normale Arbeitgeberin ist. Debatten über die sexuelle Identität und die Toleranz in der Truppe sollten nicht von anderen Problemen ablenken. Doch mit dieser Begründung solche Vorstöße abzulehnen, erinnert an jemanden, der zwar gerne gesünder essen würde, aber genau weiß, dass ein einmaliger Besuch im vegetarischen Restaurant dafür nicht ausreicht. Das könnte maximal ein Auftakt sein, um anders einzukaufen und zu kochen. Und überhaupt ist die Ernährung auf der eigenen Prioritätenliste womöglich eher im Mittelfeld angesiedelt, schließlich gibt es im Beruf und Privatleben genug Baustellen.
Mit dieser Argumentation ist es leicht, jede Maßnahme für überflüssig, da nicht wirksam genug, zu erklären und trotz der essentiellen Bedeutung unter ferner liefen abzuheften. Richtig ist: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Doch Krauß geht noch weiter, wenn sie schreibt:
Es ist konstitutiv für das Militär, dass der einzelne Soldat dem bedrohten Staat sogar sein individuelles Recht auf Leben zur Verfügung stellt. Mehr Entindividualisierung geht nicht. Das gilt auch in unserer nach wie vor glücklichen Zeit, in der die Bundeswehr trotz Auslandseinsätzen weit überwiegend im Friedensbetrieb operiert."Minderheiten egal welcher Art [dürfen] nicht diskriminiert werden", schreibt die Journalistin weiter in ihrem Kommentar, aber gleichzeitig sei der "Truppendienst auch im Frieden nicht geeignet", um "Vielfalt und Individualität auszuleben."
Doch hier liegt Krauß falsch. Im Gesetz über die Rechtstellung der Soldaten heißt es u.a. im § 8:
Der Soldat muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.Die Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung schließt die Soldatinnen und Soldaten mit ein. Mit ihrer Verpflichtung bleiben sie Subjekt des Grundgesetzes mit allen Rechten und Pflichten, die explizit eingeschränkt werden müssen, wenn dies das Soldatentum erfordert. Dazu § 12, der weiter lautet:
Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.Deutlicher und an prominenterer Stelle könnte man es nicht ausdrücken. Wenn Krauß von der fehlenden Eignung für Vielfalt und Individualität schreibt, dann kann das eine Feststellung, muss aber auch eine Anklage sein. Denn laut Soldatengesetz sind genau die herzustellen. Nun einfach zu sagen: "In einer Armee funktioniert das nicht", wird diesem gesetzlichen Anspruch nicht gerecht. Vor allem wird bei der Debatte schnell deutlich, wie viel Potential vorhanden ist, um hier Verbesserungen zu erzielen:
"Es ist mir nicht klar, was der Sinn dieser Veranstaltung ist. Mir ist nicht bekannt, dass Homosexuelle in den Streitkräften diskriminiert werden", sagte der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, der "Passauer Neuen Presse". Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, warf von der Leyen vor, "falsche Prioritäten" zu setzen. Und auch der Bundeswehrverband schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Diversity sollte nicht das erste Thema ihrer Tagesordnung sein. Dort sollte es mehr um das scharfe Ende des Berufs gehen.Wenn es viele Probleme gibt, heißt das, dass vieles angegangen werden muss. Die Ausrichtung eines Workshops bindet aber sicherlich keine Ressourcen, die bei der Anschaffung neuen Materials fehlen. Und wenn der ehemalige Generalinspekteur keine Kenntnis von jedweder Diskriminierung hat, ist dies ein sicheres Zeichen, dass einiges im Argen liegt. Christian Thiels, der sich der Herausforderungen in anderen Bereichen durchaus bewusst ist, kommentiert in diesem Zusammenhang:
Dennoch: Der Workshop, den sie ihrer Bundeswehr verordnet hat, ist richtig. Die tarngefleckte Truppe darf und sollte gerne etwas bunter werden. Dieses Ziel als abwegig abzutun, mutet kleinmütig und ziemlich gestrig an.Genau als solches Abtun mutet der Kommentar von Krauß an, wenn sie schreibt:
Es gibt vieles, das man an von der Leyen kritisieren kann, etwa die schleppende Umsetzung ihrer vollmundig verkündeten Reformen. Aber der Versuch, die Bundeswehr zu einer toleranteren und gesellschaftlich moderneren Armee zu machen, gehört wahrlich nicht dazu.
Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, in denen von der Leyens männliche Amtsvorgänger solche vermeintlich "weichen" Themen als Gedöns abtaten.
Nun wirbt aber die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt nicht für Toleranz gegenüber Soldaten, die an irgendeinem Punkt anders verfasst sind als die Mehrheit ihrer Kameraden. Sie stellt deren sexuelle Orientierung und Identität in den Mittelpunkt, obwohl diese den Dienstherrn an sich nicht zu interessieren hat. Post-pubertierenden Sprüchen und Spielchen sollte man anders begegnen.Dies ist genau die Rhetorik die sexuelle Übergriffe, Diskriminierungen und ein Klima der Intoleranz begünstigt. Intoleranz oder Missbrauch sind kein post-pubertierendes Verhalten und Mobbing ist kein Spielchen.
Es mag gute Gründe geben den Vorstoß von der Leyens in den Gesamtkontext der Bundeswehr mit all ihren Besonderheiten und Problemen einzubetten und davon augehend auch in anderen Bereichen Verbesserungen einzufordern. Daraus jedoch eine generelle Ablehnung zu konstruieren, wird der Bedeutung von Vielfalt und Toleranz schlicht nicht gerecht. Sie sind kein Luxus in Friedenszeiten, sondern Voraussetzung für eine effektiv funktionierende Armee.
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