In Deutschland tut man sich weiterhin schwer mit dem Begriff des Rechtsterrorismus.
 Gerade der NSU-Prozess zeigt, dass die Morde nur zum Teil in eine 
kohärente Betrachtung von Ideologie, Vernetzung und Gewaltbereitschaft 
eingebettet werden. Doch auch international wird das Phänomen oft 
unterschätzt, kleingeredet oder aus vielfältigen Gründen nicht 
ernstgenommen. Wir leben eben in den Augen vieler Betrachter im 
Zeitalter des islamistischen Terrorismus.
Gerade dieser wird als Bedrohung globalen Ausmaßes wahrgenommen. Folgende Grafik des “The National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (START)”
 zeigt jedoch zum Beispiel, dass sich die realen Gefahren rechten 
Terrors auch in den USA nicht in der öffentlichen Debatte widerspiegeln:
| Quelle: The National Consortium for the Study of Terrorism and Responses to Terrorism (START) | 
Man 
kann darüber streiten, ob die jüngere Vergangenheit eine Trendwende nahe
 legt, aber in der Gesamtbetrachtung von 1990 bis heute zeigt sich ein 
eindeutiges Bild mit 158 Toten durch rechte Terroristen und 119 Toten 
durch Terrorakte mit islamistischen Hintergrund.
Klar ist: Die Mehrheit von Terrortoten
 ist nicht in den westlichen Industrieländern zu finden. Klar ist aber 
auch, dass die hiesige “Terrorangst” vor allem durch islamistischen 
Terror begründet wird — der ist aber eben vor allem in Konfliktgebieten 
präsent. Und in vielen Ländern gibt es Terrorakte, die keinen 
islamistischen Hintergrund haben. Eben z.B. von Rechts. Es handelt sich 
also um ein reales Phänomen mit Verletzten und Toten und wird gemeinhin 
unterschätzt.
So
 beschäftigt sich offenbar auch die wissenschaftliche Erforschung des 
Gegenstandes vor allem mit islamistischen Terrorismus. Das zeigt 
beispielhaft auch ein Blick auf die Veröffentlichungen, die nach dem 11.
 September 2011 sprunghaft anstiegen:
| Quelle: Kitterer 2013: 17 | 
Auch der Anteil islamistischer Terrorakte an der Gesamtzahl aller weltweiten terroristischen Anschläge wird zumeist stark überschätzt, während andere Gruppen eher unterschätzt werden:
| Quelle: Kitterer 2013: 41 | 
Dazu auch ein wirklich aufschlussreicher und interessanter Beitrag von Deutschlandradio Kultur, in dem der Autor Daniel Köhler zu Wort kommt. Er hat systematisch Verfassungsschutzberichte, Gerichtsurteile, Presseartikel und antifaschistische Archive ausgewertet In seiner Datenbank listet er vereitelte oder erfolgreiche Taten von 1971 bis heute auf. Die Zahlen:
12 Entführungen
174 bewaffnete Überfälle
123 Sprengstoffanschläge
2.173 Brandanschläge,
229 Morde mit rechtsextremen Motiven
Seit 1963 hat Köhler 92 rechtsterroristische Gruppen und Einzelpersonen identifiziert. Er sagt dazu:
"Die Zahlen sind relativ das Minimum von dem Feld an rechtsextremen terroristischer Gewalt, das wir in Deutschland bekanntermaßen wissen. Ich gehe davon aus, dass das Dunkelfeld um einiges größer ist. Die Zahlen zeigen für mich auch auf, dass es in Deutschland eine lange, kontinuierliche Geschichte von rechtsterroristischer Gewalt, die eben nicht nur anhand einzelner Anschläge oder mal einzelner Gruppen sichtbar wird, sondern sich wie ein roter Faden durch Nachkriegsdeutschland zieht, bis heute hin, diese Gruppen auch voneinander lernen, die sich miteinander vernetzen teilweise, die sehr eng angebunden sind in die breitere rechtsextreme Bewegung, die Parteienlandschaft und auch die subkulturelle Szene.Köhler kommt also zu einem eindeutigen Urteil und der Beitrag erzählt von zahlreichen Beispielen rechter Terrorgruppen in der Bundesrepublik Deutschland. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage nach den Strukturen:
Da ist ein starker Austausch, und diese Gewalt, die sich auch in Wellen bewegt und auch von internationalen Konzepten lernt, sich weiterentwickelt und Gewalttaten strategisch ausrichtet an bestimmten Zielgruppen. Also wir haben es mit einer äußerst gewalttätigen und gefährlichen Form von politischer Gewalt zu tun, die im Vergleich der Wahrnehmung, auch der wissenschaftlichen Bearbeitung, der juristischen Bearbeitung, massiv unterschätzt wird."
Wichtiger als professionelle "Terrororganisationen" sind bei Rechtsterroristen die Netzwerke, sogenannte "Ermöglichungsnetzwerke", Strukturen aus legalen und illegalen Vereinen, Gruppierungen und Organisationen.
Es 
erscheint also sinnvoll noch stärker die Vernetzung und die Kombination 
aus gesetzlich erlaubten und verbotenen Aktivitäten in die Analyse 
miteinzubeziehen.
Was den globalen Charakter angeht: Rechten Terror gibt es nicht nur in Deutschland und in den USA, sondern in ganz Europa, Russland, und Australien — sicher,
 vor allem also in westlichen Industriestaaten. Aber eben nicht nur. 
Insofern scheint der Term “Global” angemessen (auch wenn er sicherlich 
diskussionswürdig ist), da die potentielle Betroffenheit nicht auf 
einzelne Regionen beschränkt werden kann.
Es
 geht also nicht darum zu sagen: NUR rechter Terror ist 
gefährlich — oder islamistischer Terrorismus spielt keine Rolle. Sondern
 darum deutlich zu machen, dass rechtsextremistische Terrorstrukturen 
eine reale Bedrohung waren und sind und sie bei den zahlreichen 
Diskussionen um die Bekämpfung von Terrorismus nicht ausgeblendet werden
 sollten.
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