Sich zu empören
ist einfach. Eine konstruktive Auseinandersetzung weniger. Folgende
Geschichte macht eine sachliche Thematisierung, ohne das Ganze zu
überspitzen oder einfach nur satirisch zu betrachten, aber sehr sehr
sehr schwierig.
Der Sachverhalt ist Folgender: Seit langem kämpft eine Alteigentümerin
vergeblich um die Rückgabe ihrer Grundstücke auf dem früheren
BND-Gelände in München. Neue Dokumente könnten Hinweise darauf liefern,
dass der damalige Verkauf unrechtmäßig war und Entschädigungsansprüche
bestehen. Denn sie verkaufte 1934 bzw. 1936 an Martin Bormann, einen der
mächtigsten Männer des NS-Regimes und angeklagt als
Hauptkriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen. Ob ein Anspruch
besteht, ist noch nicht geklärt.
Das Bemerkenswerte ist aber das zugehörige Gutachten der Bundesanstalt
für Immobilienaufgaben (BImA), die seit 2009 Eignerin des Grundstücks
ist. Es ist... -nun ja, nennen wir es unsensibel.
Gegenüber tagesschau.de argumentiert
die BlmA, dass es nicht nachgewiesen sei, dass der Klägerin bzw. deren
Erben überhaupt irgendein Unrecht widerfahren sei.
Quelle: Screenshot tagesschau.de - http://www.tagesschau.de/inland/bnd-grundstuecke-101.html |
Das Gutachten geht dabei auf einen Brief ein, in dem Bormann der
damaligen Besitzerin schrieb, er würde sich zu seinem "Bedauern
gezwungen sehen, alle mir nur möglichen Maßnahmen gegen Sie zu
ergreifen." Da ging es um den Zustand der Wege in der Nachbarschaft.
Über das Schreiben kommt die Studie zu dem Schluss: "Das Schreiben ist
zwar scharf formuliert, belegt aber weder eine Schikanierung noch eine
persönliche Bedrohung von Frau Pauckner, und schon gar nicht in Bezug
auf die Veräußerung der Grundstücke".
Vor allem - und hier wird es schon dreist, Bormann habe Pauckner nie
"mit einer Einweisung in ein Konzentrationslager oder einer sonstigen
Verfolgung von Leib und Leben gedroht." Es handle sich um einfach nur um
eine "scharf geführte nachbarliche Streitigkeit."
So ungefähr?
Mit einem Mann, der eine wesentliche treibende Kraft in jeder Phase
der Judenverfolgung und Judenvernichtung war? Hitlers Trauzeuge?
Man darf das alles nicht leichtfertig vermischen, es handelt sich um
Vorfälle von 34 und 36 und letztlich wird ein Gericht die Frage klären
müssen.
Denn natürlich ist es von Relevanz ob es einen Zwang gab.
Fraglich ist, ob dieser körperlich, oder durch die Drohung mit KZ
hergestellt werden muss, um vorhanden zu sein.
Ruft man sich die vielen Berichte von Zeitzeugen vor Augen, in denen das
Klima der Einschüchterung, der Angst und der Repressionen, die meist
gar nicht offen angedroht, sondern am Schluss einfach Realität wurden,
geschildert wird, dann fällt es schwer die Antwort der BlmA ernst zu
nehmen. Zudem es deutliche Hinweise auf einen Verkauf unter Wert gibt.
Das Gutachten ist also bestenfalls naiv, mindestens historisch
unsensibel und zielt - aus Eigentümersicht verständlich - vor allem
darauf ab Ansprüche zu verhindern.
Die
Überschrift müsste so wohl eher lauten “Wenn der Nachbar nicht mit KZ
droht”, so oder so, bleibt man mit einem Kopschütteln zurück.
Denn die Stellungnahme führt dazu, dass Martin Bormann so zu einem ganz
normalen Nachbarn wird. Ein Nachbar, der bereits ab 1933
NSDAP-Reichsleiter war und die Bauarbeiten auf dem Obersalzberg
verantwortete. Die gingen übrigens mit zahlreichen Enteignungen einher.
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