Mittwoch, 23. November 2016

Wenn der Nachbar mit KZ droht

Sich zu empören ist einfach. Eine konstruktive Auseinandersetzung weniger. Folgende Geschichte macht eine sachliche Thematisierung, ohne das Ganze zu überspitzen oder einfach nur satirisch zu betrachten, aber sehr sehr sehr schwierig. 
 
Der Sachverhalt ist Folgender: Seit langem kämpft eine Alteigentümerin vergeblich um die Rückgabe ihrer Grundstücke auf dem früheren BND-Gelände in München. Neue Dokumente könnten Hinweise darauf liefern, dass der damalige Verkauf unrechtmäßig war und Entschädigungsansprüche bestehen. Denn sie verkaufte 1934 bzw. 1936 an Martin Bormann, einen der mächtigsten Männer des NS-Regimes und angeklagt als Hauptkriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen. Ob ein Anspruch besteht, ist noch nicht geklärt. 
 
Das Bemerkenswerte ist aber das zugehörige Gutachten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), die seit 2009 Eignerin des Grundstücks ist. Es ist... -nun ja, nennen wir es unsensibel. Gegenüber tagesschau.de argumentiert die BlmA, dass es nicht nachgewiesen sei, dass der Klägerin bzw. deren Erben überhaupt irgendein Unrecht widerfahren sei. 
 
Quelle: Screenshot tagesschau.de - http://www.tagesschau.de/inland/bnd-grundstuecke-101.html
 
Das Gutachten geht dabei auf einen Brief ein, in dem Bormann der damaligen Besitzerin schrieb, er würde sich zu seinem "Bedauern gezwungen sehen, alle mir nur möglichen Maßnahmen gegen Sie zu ergreifen." Da ging es um den Zustand der Wege in der Nachbarschaft. Über das Schreiben kommt die Studie zu dem Schluss: "Das Schreiben ist zwar scharf formuliert, belegt aber weder eine Schikanierung noch eine persönliche Bedrohung von Frau Pauckner, und schon gar nicht in Bezug auf die Veräußerung der Grundstücke". Vor allem - und hier wird es schon dreist, Bormann habe Pauckner nie "mit einer Einweisung in ein Konzentrationslager oder einer sonstigen Verfolgung von Leib und Leben gedroht." Es handle sich um einfach nur um eine "scharf geführte nachbarliche Streitigkeit."
 
So ungefähr? Mit einem Mann, der eine wesentliche treibende Kraft in jeder Phase der Judenverfolgung und Judenvernichtung war? Hitlers Trauzeuge? 
 
Man darf das alles nicht leichtfertig vermischen, es handelt sich um Vorfälle von 34 und 36 und letztlich wird ein Gericht die Frage klären müssen. 
 
Denn natürlich ist es von Relevanz ob es einen Zwang gab. Fraglich ist, ob dieser körperlich, oder durch die Drohung mit KZ hergestellt werden muss, um vorhanden zu sein. Ruft man sich die vielen Berichte von Zeitzeugen vor Augen, in denen das Klima der Einschüchterung, der Angst und der Repressionen, die meist gar nicht offen angedroht, sondern am Schluss einfach Realität wurden, geschildert wird, dann fällt es schwer die Antwort der BlmA ernst zu nehmen. Zudem es deutliche Hinweise auf einen Verkauf unter Wert gibt. Das Gutachten ist also bestenfalls naiv, mindestens historisch unsensibel und zielt - aus Eigentümersicht verständlich - vor allem darauf ab Ansprüche zu verhindern.
 
Die Überschrift müsste so wohl eher lauten “Wenn der Nachbar nicht mit KZ droht”, so oder so, bleibt man mit einem Kopschütteln zurück. 
 
Denn die Stellungnahme führt dazu, dass Martin Bormann so zu einem ganz normalen Nachbarn wird. Ein Nachbar, der bereits ab 1933 NSDAP-Reichsleiter war und die Bauarbeiten auf dem Obersalzberg verantwortete. Die gingen übrigens mit zahlreichen Enteignungen einher.

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