Mittwoch, 8. Juni 2016

NSA in Deutschland: Der Spion, der in die Kälte kam

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So beginnt der SIDtoday-Newsletter vom 06. März 2003. SIDtoday ist der interne Newsletter der NSA. Viele Ausgaben wurden nach und nach via theintercept.com veröffentlicht. Neben Informationen zu neuen Tools und Personalien, gibt der Newsletter auch einen Einblick in das Selbstverständnis und die Arbeitsweise der NSA. Und natürlich stellt man - wie immer in solchen Kontexten - fest: Ups, auch bei NSA-Angestellten handelt es sich ja um normale Menschen. Menschen mit Wünschen, mit Familien und Kindern und mit Hobbies. 

Screenshot von theintercept.com

Hier ein Bericht eines Mitarbeiters (Namen werden keine genannt und grundsätzlich gilt für alle Artikel: "SIDtoday articles may not be republished or reposted outside NSANet without the consent of S0121 (DL sid comms)."), der in Deutschland Dienst tat. Genauer im European Technical Center der NSA in Wiesbaden. Er koordinierte dort die "technische Unterstützung" mit externen Akteuren in Europa und dem Nahen Osten. Seine Frau tat praktischerweise Dienst bei der NSA in Darmstadt. Die Kinder gingen in eine Schule getragen vom Verteidigungsministerium. Auch das Arbeitsklima war super: 

For a career Intelligence and Language Analyst, the most interesting and rewarding aspects of working at ETC were exposure to the engineering work that NSA does and to the superb group of people who carry it out. It was a pleasure, indeed, even an inspiration, to deal with the technical personnel who put SIGINT and related systems in place, to witness their expertise, and to gain greater awareness of technical support, maintenance, and logistics problems. The engineering and logistics friends I made in Wiesbaden are ones I would likely not have met in my regular career field back home, and I learned a lot from them.

Die Leute der Signals Intelligence, also der Fernmelde- und der elektronischen Aufklärung scheinen also nette Kolleginnen und Kollegen zu sein. Doch was wäre die Arbeit ohne den entsprechenden Freizeitausgleich? Auch hier ist Deutschland erste Wahl. Zentral gelegen, berichtet der Mitarbeiter, seien Reisen in ganz Europa kein Problem. Frankreich, Belgien, die Schweiz - alles nur ein paar Stunden Autofahrt. Speziell der Wintersport scheint es dem "Spion" angetan haben. Die Alpen sind ja auch nur "drei bis sieben Stunden" entfernt und auch in Tschechien, Ungarn, Slovenien, Kroatien und Italien gäbe es Berge, die leicht zu erreichen seien. Fliegen ist natürlich auch kein Problem von Frankfurt aus, "including low-cost air travel to many European destinations."

Neben der Spionagetätigkeit war offenbar auch genug Zeit für kulturelles Programm: 

It was a thrill to be able to visit sites of historical and cultural significance during our tour, and living in Germany has marked our children with a considerable appreciation for European history and culture. 

Auch landschaftlich hat die Rheinregion zwischen Wiesbaden und Koblenz einiges zu bieten und es ist leicht "German life" in sich aufzunehmen, besonders natürlich "gastronomic pleasures".  Guten Weißwein gibt es, der Rheingau, Rheinhessen und das Mosel-Gebiet laden zum Probieren ein: "Even lesser-known wine regions, like Franconia, are within reach." Die Küche ist wie beschrieben auch ein Highlight, "I have not had a bad German meal yet", schreibt der NSA-Mitarbeiter. Besonders Spargel habe es ihm angetan.  

Fazit:  

Working and living in the field is a great experience, and working at ETC and living in Germany was no exception. I'd do it again.

Nun soll der Ton hier nicht zu herablassend wirken. Zunächst ist ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin eines Nachrichtendienstes eben erst einmal nur ein Angestellter des Staates und diesem verpflichtet. Teil des Öffentlichen Dienstes also. Gepaart mit solch massiven strukturellen Problemen und Kontrolldefiziten wie bei der NSA ist es aber doch schwer zu vermeiden, diese netten Plaudereien, welche in der Form einer langen Urlaubspostkarte bei den NSA-Kolleginnen und -Kollegen ankommen, nicht doch aufs Korn zu nehmen. Denn sowohl der rechtliche Status, als auch die politischen Implikationen der nachrichtendienstlichen Tätigkeit auf dem Boden eines verbündeten Staates verleihen den Empfehlungen für die Arbeit in Deutschland dann doch eine unfreiwillige Komik.

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