Sonntag, 17. April 2016

Die Mär vom sicheren Herkunftsstaat: Zahl ziviler Opfer in Afghanistan bleibt auf hohem Niveau

Anfang Februar verkündete Innenminister Thomas de Maizière nach seiner Afghanistan-Reise, es gebe "positive Signale". Er meinte damit die Sicherheitslage im Land, die Gespräche mit der Regierung, was eine Rückführung von Geflüchteten angeht und seine eigenen Pläne für schnelle Rückführungen. Hindernisse oder Sicherheitsbedenken sieht er nicht.

Mit aktuellen Zahlen lässt sich diese Auffassung leicht als völlig aus der Luft gegriffen widerlegen. 2015 war ein "Rekordjahr", was die Zahl ziviler Opfer im Land angeht. Die Zahlen für 2016 zeigen, dass sich dieser Trend keineswegs umgekehrt hat. Im ersten Quartal des Jahres wurden mindestens 600 Zivilisten getötet, mehr als 1.300 verletzt. Ein Drittel davon waren Kinder.

Auch nach 15 Jahren militärischen Engagements konnte das Land nicht befriedet werden. Der Abzug internationaler Truppen konnte durch die lokalen Sicherheitskräfte nicht kompensiert werden, doch es wäre zu kurz gegriffen, die aktuelle Situation allein der afghanischen Armee und Polizei zuzuschreiben: Militante Kräfte fällt es in vielen Regionen leicht einer Verfolgung oder offenen Kämpfen zu entkommen. Bild: CC0 - ArmyAmber

Die afghanische UN-Mission UNAMA dokumentierte 2016 zwischen dem 1. Januar und dem 31. März knapp 2.000 zivile Opfer. Das entspricht einer Steigerung von zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es wurden zwar weniger Menschen getötet, dafür mehr verwundet. Es ist also schlicht falsch von einer Entspannung der Sicherheitslage zu reden. Stattdessen wäre es angemessen von einer Verstetigung der negativen Entwicklung und einer Stabilisierung der Opferzahlen auf sehr hohem Niveau zu sprechen.

Vor allem Kämpfe am Boden und Sprengsätze am Straßenrand oder Selbstmordattacken forderten die meisten Opfer. Auch gezielte Tötungen von politischen Aktivisten, Mitarbeitern von Koalitionsstreitkräften oder Menschen, die sich einfach nur gegen militante Elemente stellten, machten einen großen Teil der Opfer aus und nahmen in besonderem Maße zu.

Dabei zeichneten sich Taliban und und andere militante Gruppen für 60 Prozent oder mehr Tote und Verwundete verantwortlich. Etwa 20 Prozent der Opfer konnten eindeutig Handlungen von Regierungs- und Koalitionstruppen zugeordnet werden. Diese Zuordnungen sind jedoch immer mit Vorsicht zu genießen, zeigen jedoch, dass sich zivile Opfer nicht vermeiden lassen und jede neue Eskalation oder Offensive zwingend die Tötung von Unschuldigen nach sich zieht.


Quelle: unama.unmissions.org

Seit 2009 haben die Vereinten Nationen mehr als 60.000 zivile Opfer gezählt.

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