Sonntag, 24. März 2013

Religiöse Gruppen und die syrische Revolution: Alles nicht so einfach

Ein heutiger Reuters-Artikel berichtet von alevitischen Demonstrationen in Kairo. Die Protestierenden teilen die Religion des syrischen Staatschef Bashar al-Assads, wenden sich aber gegen seine Herrschaft. Eigentlich sollte dies keine große Meldung sein, andererseits stellt sie Grundlagen der Syrien-Berichterstattung vieler Medien in Frage. 

Seit dem 11.September haben religiöse Zugehörigkeiten vermehrte Aufmerksamkeit erfahren. Dies hat dazu geführt, dass zahlreiche Konflikte vor allem auf der Basis religiöser Unterschiede erklärt werden. 


Auch in Syrien ist dies zum Teil der Fall. Sunniten (welche mit etwa 75 Prozent die deutliche Mehrheit bilden), lehnen sich demnach gegen Assad auf, die Minderheiten der Aleviten, Christen, Drusen, Schiiten und Juden stützen das alte Regime, da sie überproportional profitiert hätten. 

Eine Analyse von Al-Jazeera, welche dem Aufstand positiv gegenüber steht, sieht diesen wachsenden Einfluss von Religion als direkte Folge der Regierungspolitik:
The revolution introduced new and deep changes in the political landscape while also clearly reflecting the results of the government policies as expected. Thus, religious groups and their leaders have played a negative role in the revolution in the case of Aleppo and Damascus and a positive one in the case of Deraa, Hama, Homs, the Coast and Deir ez-Zor. Accordingly, the revolution has pushed the regime’s allies to defend it while those who opposed the regime policies moved further away from it (e.g. the Zaid group and its supporters). In addition, the revolution impelled its religious leaders to get directly involved in politics, an expected course of action based on their history and the effect of government policies that encouraged such political aspirations.
[...]
The revolution clearly differentiated between those who are pro- revolution and those who are anti-revolution. This has prompted both independent religious leaderships and social Islamist movement leaderships who always opposed government policies to take stances that are more clear in their opposition to the regime.
Diese Betrachtung ist sicherlich nicht falsch. Genauso, wie Aleviten gegen "ihren" Glaubensbruder demonstrieren und zusammen mit Christen und Drusen Teil der Rebellion sind, so stützen aber auch Sunniten die Regierung Assad. Dies verkompliziert die Sache für Journalisten, Politiker und Wissenschaftler ungemein, wenn religiöse Konfliktlinien für keine klare Trennung sorgen:
Among prominent Alawites currently in jail is free-speech advocate Mazen Darwish, who worked on documenting the victims of the crackdown against the revolt, and Abdelaziz al-Khayyer, a centrist politician who advocated peaceful transition to democratic rule.
Issam al-Youssef, another activist who is helping organize the conference, said the uprising had given the Alawites a chance to show the sect was not monolithic, and that it aspired like the rest of the population to live under a multi-party democracy, while fearing the rise of Islamist extremism.
Youssef recalled taking part in a pro-democracy demonstration at the beginning of the uprising in the Sunni district of al-Khalidiya in the central city of Homs when the protesters came under attack by a pro-Assad militia.
Aus dieser kurzen Darstellung ergibt sich kein Lösungsvorschlag. Jedoch wird deutlich, dass Konstrukte wie Religion und Ethnie komplexer sind als angenommen und so nicht als Basis für eine diplomatische Lösung taugen. Es ist verwunderlich, dass kaum Anstrengungen unternommen werden, regionale oder sozio-ökonomische Faktoren bei der Analyse des Konflikts mit einzubeziehen. 

Der Rücktritt des Vorsitzenden der Oppositionsgruppe der Nationalen Koalition, Moas al-Chatib, zeigt, wohin diese Sichtweise führt. Er trat zurück, nachdem er massiv für ein Gesprächsangebot an das Assad-Regime kritisiert worden war.   

Das Beispiel Irak hat deutlich gezeigt, dass die religiöse Radikalisierung ihren Ursprung in ganz anderen Bereichen hatte. Diese Erkenntnis könnte einen Weg zurück zur Politik und zu Verhandlungen ebnen.

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