Montag, 21. Januar 2013

Mali ist nicht der einzige Krisenherd: Guinea-Bissau droht im Schatten der zahlreichen Konflikte endgültig zu zerfallen und dabei die Gewalt weiter zu finanzieren

Während in Mali die Situation weiter recht unübersichtlich ist und die Menschen sowohl vor den unter Druck geratenen Rebellen, als auch vor den französischen Bomben fliehen, rückt die gesamte Region ein wenig mehr in den Fokus der Weltöffentlichkeit.

In Algerien, wo durch Anschläge, aber auch durch das kompromisslose Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen islamistische Terroristen bereits in den 1990er Jahren bis zu 200.000 Menschen getötet wurden, sind die Probleme keinesfalls neu. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Kämpfe mit zahlreichen Toten und Verletzten.

Algerien, Mali, Niger und Mauretanien haben bereits in den vergangenen Jahren größere gemeinsame Anstrengungen unternommen, um dem Terror Herr zu werden. Doch ohne fehlende internationale Unterstützung ist dies nicht gelungen. Vor allem weil offensichtlich wurde, dass es letztlich ein politisches Problem ist, welches sich in gewaltsamer Form äußert.

Ohne die terroristischen Vorgänge in der Region schmälern zu wollen, es sind hauptsächlich der kaum kontrollierte Drogenhandel, die wirtschaftliche und politische Marginalisierung von Minderheiten, die fehlende Offenheit der politischen Systeme und die rücksichtslose Ausbeutung von Ressourcen, ohne dass breite Bevölkerungsschichten davon profitieren, welche als Triebfedern der Gewalt wirken.

Zur Situation in der Sahelzone eine etwas ältere (die aktuelle, etwas eindimensionale Folge, gibt es bei Arte7) Ausgabe von "Mit offenen Karten":



Selbst wenn die Probleme der Region nun vermehrt ins Bewusstsein rücken, ein Land wird zumeist vergessen. Guinea-Bissau leidet seit vielen Jahren unter politischer Instabilität, Gewalt und wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit. Im April des vergangenen Jahres gab es den vorerst letzten Putsch. Der westafrikanische Staatenbund ECOWAS wollte danach den politischen Prozess anstoßen und sichern, auch mit eigenen Soldaten.

Im Ergebnis konnten aber kaum Erfolge erzielt werden. Guinea-Bissau gilt es großer Umschlagplatz für Kokain auf dem Weg von Südamerika nach Europa. Etwa ein Viertel des Verbrauchs in Europa soll durch das 1,5 Millionen Einwohner-Land bedient werden. Diese lukrative Geschäft weckt unter vielen bewaffneten Gruppen, auch von nun in Mali in Erscheinung getretenen, große Begehrlichkeiten.

Die Kontrolle und der Schutz der Routen finanziert zahlreiche bewaffnete Gruppen, darunter auch Terroristen. Die Auswirkungen der Bekämpfung des Drogenproblems sind dabei ebenfalls als negativ einzuschätzen. Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen zeugen von der Brutalität der Sicherheitskräfte. Das Land gilt als erster afrikanischer narco-state. Die Badische Zeitung schreibt in einem Artikel, anlässlich der Ernennung des neuen UN-Sonderbeauftragten, von Anfang Januar:
Die Interimsherrschaft wird im Ausland kaum anerkannt. Viele westliche Regierungen haben ihre Entwicklungshilfe eingefroren. Die Krise im Land spitzt sich zu. Die Wirtschaft ist im freien Fall. Im November wurde ein Cholera-Ausbruch gemeldet. Viele Aids-Patienten haben kein Medikamente mehr.
[...]
Mit Kokain lässt sich mehr verdienen als mit Cashewnüssen, dem offiziellen Exportschlager Guinea-Bissaus. Die Profite fließen in die Politik, vor allem aber zum Militär, das als Garant für ungestörten Drogenhandel gilt. Stabile politische Verhältnisse sind das letzte, was die Kartelle wünschen. Den Putsch im April nannten Experten einen "Coup cocaine".
Ein Video der International Crisis Group vom August 2012 zeigt die Hoffnungen und Notwendigkeiten für einen politischen Versöhnungsprozess:



Dieser ist jedoch steckengeblieben. Ein aktueller Artikel von IPS konstatiert:
The only countries listed as worse off than Guinea-Bissau in this respect were Eritrea, North Korea, Saudi Arabia, Somalia, Sudan, Syria, Turkmenistan, Uzbekistan, Equatorial Guinea and the territories of Tibet (China) and Western Sahara (Morocco).
[...]
In any other part of the world, “violence, military uprisings, coups and ethnic conflicts are, in principle, abnormal, but in Guinea-Bissau they have become normal,” said Costa Dias, a Guinean expert on African affairs at the Classical University of Lisbon. The reason, he said, is that in Guinea-Bissau the armed forces “were born directly out of guerrilla detachments (that fought the Portuguese colonial army between 1961 and 1974), whose commanders became officers.”
Der Sicherheitsrat der Afrikainschen Union beschäftigte sich vergangene Woche mit Guinea-Bissau. Dabei standen jedoch Absichtserklärungen im Vordergrund. Vor allem der letzte Abschnitt des Papiers zeigt die Hilflosigkeit des Bündnisses: Als konkreter Schritt solle zunächst die Möglichkeit eruiert werden, ob Analysen zum Drogenhandel und zur Geldwäsche angefertigt werden könnten.

So hilfreich dieser Schritt sein mag, so spät kommt er. Im Schatten der Eskalation in Mali und der möglichen Verschärfung der Lage in Algerien oder in Niger, könnte auch der ins Stocken geratene Staatsbildungsprozess in Guinea-Bissau nicht nur vollends erstickt, sondern ins Gegenteil verkehrt werden.

Doch nicht nur die Afrikanische Union hat es nicht geschafft regionale Stabilität herzustellen, auch die Politik der internationalen Gemeinschaft hat die grundlegenden Probleme bisher verkannt und ignoriert. Der nun erfolgte Einsatz in Mali und das "Lob" für das Vorgehen der algerischen Sicherheitskräfte spricht nicht gerade dafür, dass sich hieran etwas ändern wird.

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