Sonntag, 30. Dezember 2012

Einblicke in den syrischen Bürgerkrieg

Das Magazin VICE thematisiert regelmäßig den Konflikt in Syrien mit Reportagen. Diese erlauben einen recht intensiven Einblick in den Alltag der Kämpfe aus Sicht der Freien Syrischen Armee (FSA). Ein Artikel beschäftigt sich zum Beispiel mit dem Waffenschmuggel aus der Türkei:
Über unseren Köpfen kreisten Kampfjets, als der Oberst und ich die zerstörte Schnellstraße nach Aleppo entlangbretterten. Das Dröhnen ihrer Motoren wurde immer lauter, bis schließlich ein Jet direkt über uns auftauchte und unsere Verfolgung aufnahm. Unser Fahrer trat aufs Gas und dann stieg dann voll in die Eisen, was den Wagen quietschend in den Schatten eines verlassenen Bauernhauses manövrierte. Ich hielt meine Splitterschutzweste fest umschlossen und zog mir den Helm ins Gesicht. Ich zitterte.
Außerdem zeigen Videos Bilder und Facetten, welche von den normalen Nachrichtemedien kaum aufgegriffen werden:



Mehr Videos finden sich hier. Interessant auch ein Artikel über die technologische Seite des Kampfes. Philipp Zürcher interviewt einen schwedischen IT-Spezialisten, welcher Mitglieder der FSA im Umgang mit Computern und anderen digitalen Kommunikationsmitteln schult:
Wo liegen denn besondere Schwierigkeiten?
Für mich ist es sehr schwer, einen genauen Überblick über die Bedrohung und verifizierbare Informationen über das syrische Netzwerk und die Praktiken der syrischen Behörden zu erhalten. Die Situation kann sich abrupt ändern, wenn das Regime neue Methoden anwendet. Wir müssen ständig alles neu überprüfen, um nicht auf kaltem Fuße erwischt zu werden. Die Verantwortung ist gewaltig. Wir sind die Firewall, wenn wir versagen, gibt es Tote. Am schwierigsten ist es aber immer noch, die Schüler sicher in den Libanon zu bringen. Manche kommen nicht an, weil sie an der Grenze schon abgefangen und im schlimmsten Fall auch verhaftet werden.

Du unterrichtest also gesuchte Terroristen?
So würde es das Assad-Regime wohl ausdrücken. Die Schüler werden ziemlich gut ausgewählt. Die meisten gesuchten Aktivisten bleiben im Untergrund. Aber Syrien ist voller Spitzel und willkürlicher, absurder Einschränkungen. Überall Militärkontrollen. Die Bewegungsfreiheit ist ein schlechter Witz. Aber neben den Syrern besuchen auch Libanesen oder andere Araber unsere Kurse. Das Ganze ist recht professionell und ziemlich anonym, ich kenne die Wenigsten im Voraus.
Dass alles zwei Seiten hat, muss an dieser Stelle eigentlich nicht erwähnt werden. Da die Verbrechen des Assad-Regimes aber weithin sichtbar sind, ist es schwierig diese andere Seite darzustellen, ohne Kriegsverbrechen zu legitimieren. Jedoch folgend einige Beiträge die zeigen, dass der Ruf nach der Absetzung Assads und der Einsetzung der Opposition nicht ganz der Landesrealität entspricht. Ein Interview von Ende November beschäftigt sich mit Menschen, welche die Rebellen nicht unterstützen:
Don't you think Syrian people only wanted to follow the path of countries like Tunisia or Libya?
Mustapha: Apart from the Muslim brothers, most of the rebels are not even from Syria. I come from Aleppo, so let’s take my city as an example. The German weekly newspaper Die Welt published a note by the BND – the German secret service – estimating that 95 percent of the rebels occupying the city came from Turkish rear bases where Islam fighters from all over the world gather before going to war.
Wissam: Take a look at what’s currently happening in Antakya, where my father was born. Foreign fighters financially supported by various Arabic businessmen are invading the city. The people can't handle it anymore.
I see. In terms of brutality, though, don’t you think the government is going way too far?
Khaled:
Again, this is misinformation. Let’s look at the Houla massacre of last May, for instance. Out of 108 killed, 39 were close family members to an elected representative of the Ba’ath party, including his brother, his sister-in-law and their kids. Twenty others were trying to protect them and the remaining 50 were part of the attacking forces. The media then said that 108 people were killed by governmental forces and published terrifying pictures to emphasise the situation. It’s ridiculous.

Dima: The governmental forces hire conscripts to fight in their own cities as there aren't any available professional soldiers anymore. Why would they kill their own neighbours?
Ein Beitrag auf WSWS.org beschreibt das teilweise brutale Vorgehen der Rebellen gegen die eigenen Landsleute: 
The British daily Guardian Thursday carried a report from a correspondent in Aleppo detailing the extent of the looting, which it said “has become a way of life” for the so-called rebels. “‘Spoils’ have now become the main drive for many units as battalion commanders seek to increase their power.” The report quoted a pharmacist who explained why he was running out of penicillin. The “rebels” had seized a pharmaceutical company’s warehouse in Aleppo and then re-sold its contents, shipping all of the drugs out of the city.
Der UN-Vermittler Lakhdar Brahimi mag hilflos wirken, seine Warnungen vor dem Glauben, dass eine Absetzung Assads alle Probleme lösen werde, sollten jedoch beachtet werden. Ein politischer Prozess scheint die einzige braucbare Option zu sein. Eine weitere fremde Einflussnahme auf die Rebellen, eine zunehmende Radikalisierung und noch mehr Gewalt werden das Assad-Regime nicht unbedingt schwächen.

Debatten im Internet zeugen von ideologischen Grabenkämpfen, bei denen beide Seiten aber offenbar großes Mobilisierungspotential haben. Ereignisse, die von den etablierten Medien bereits etikettiert wurden, stellen sich dabei nicht immer so eindeutig dar. Nachbarstaaten, wie die Türkei, verhalten sich nicht so neutral, wie dies gerne berichtet wird. So stellt sich eine gewisse Ratlosigkeit ein, die mit einfachen Antworten nicht beseitigt werden kann.

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