Dienstag, 3. Juli 2012

Mit freundlichen Grüßen aus Europa und den USA? Polizeigewalt in den Palästinensischen Gebieten


Die Botschaft der folgenden Meldung ist einfach und deutlich: der Aufbau von Institutionen, vor allem im Sicherheitsbereich, stärken nur dann den zivilgesellschaftlichen Entwicklungsprozess, wenn sie in einem ganz bestimmten Umfeld angestoßen werden. Ob demokratisch oder sich langsam öffnend, in jedem Fall aber politisch begleitet, unterstützt und kritisiert.

Die Unterstützung der palästinensischen Sicherheitsbehörden durch die USA und die EU wird gerne als außen- und sicherheitspolitischer Erfolg verkauft, welcher im ansonsten von Stillstand geprägten Nahost-Friedensprozess kaum zu finden ist. Doch am vergangenen Wochenende zeigte sich, dass die Ausbildung von Sicherheitskräften, die der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) unterstellt sind, auf der einen Seite einen Freiraum gegenüber Israel schafft (auch wenn deren Sicherheitskräfte im Zweifel die Autorität der Palästinenser gering schätzen), auf der anderen Seite das Regime von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, welches trotz der Annäherung zu Hamas, vor allem durch Korruption, Vetternwirtschaft und Ohnmacht gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft und den Entwicklungen der Region geprägt ist, stützt. Mit allen Mitteln.

Laut einem Bericht der Nichtregierungsorganisation Stop The Wall spielten sich am vergangenen Wochenende folgende Szenen in Ramallah ab:
Some 200 people gathered at Al-Manara Square in the centre of Ramallah, and began to move towards the Muqata'a, the fortress-like base of the PA. On their way people in the streets joined the protest and the crowd swelled to almost 1000 people. Before the protestors could reach close to the Muqata'a, lines of PA police formed human chains to block the road. Protesters managed to break through these and continued as far as the taxi stations on Al-Irsal street, where they were met by a second line of police 


Anlass war der geplante Besuch des ehemaligen Oberbefehlshabers der israelischen Streitkräfte und ehemaligen israelischen Verteidigungsministers Shaul Mofaz, welcher auf Einladung der Autonomiebehörde zu Gast im Westjordanland sein sollte. Die Opposition macht ihn für Kriegsverbrechen, die ihrer Meinung nach während der zweiten Intifada verübt wurden, verantwortlich. Nach Stop The Wall-Angaben sollte die Demonstration die Verurteilung der bloßen Einladung ausdrücken. Vor der PA eskalierte die anfangs friedliche Proteskundgebung:
The repression started with plain-clothed thugs attacking members of the crowd with telescopic batons and metal chains, dragging people along the ground to the police station next to Al-Manara Square. There the protesters were beaten and then released to be treated at hospital for their injuries. From witness reports, the majority of Saturday's violence was perpetrated by the mukhabarat, the plain-clothed secret police who often outnumber uniformed police at political events in Ramallah and other Palestinian cities. While the pale-blue shirts of the PA civilian police delegated much of the brutality to the plain-clothed mukhabarat on Saturday, yesterday (Sunday 1st July)'s violence surpassed that of the day before, with the PA police enthusiastically demonstrating their complete opposition to popular manifestations of discontent within Area A. While Saturday's march was organised specifically to protest Mahmoud Abbas's invitation to Mofaz, yesterday's demonstration was in response to the regime's violence, which resulted in some 20 people being treated in hospital for their injuries and three seriously injured. 
The police operation was chaotic and didn't appear to have any purpose other than to inflict as much pain and violence as possible on the crowd. Female protesters, many barely in their twenties, were not spared the violence, with many falling to the ground and being trampled by the police. As protesters went to the defence of others, they themselves became the target of this police rage. The situation was chaotic, with mukhabarat punching protesters in the face, and several police officers seeming to temporarily lose control of their own actions, screaming and lashing out at anyone within striking distance.
Der Vorfall kann sicherlich nicht zur grundsätzlichen Verurteilung jeglicher Bemühungen der EU und der USA am Aufbau der palästinensischen Sicherheitskräfte herangezogen werden. Jedoch zeigt der Vorfall, dass die European Union Police Mission in the Palestinian Territories (EUPOL COPPS) letztlich ein Regime stützt, welches Folter in Gefängnissen duldet und einen bedeutenden Anteil des Budgets für Ausgaben in Polizei und Militär reserviert. Auch die Bundesregierung trägt ihren Teil dazu bei.

Bei der Aktion am Wochenende wurden auch vier Journalisten Opfer der Polizeigewalt. Zuvor gab es in diesem Jahr bereits mehrere Verhaftungen von Journalisten und die Blockade regimekritischer Websites. Die Palestinian Independent Commission on Human Rights (ICHR) verurteilte das Vorgehen der PA und forderte eine Untersuchung, während sich palästinensische Offizielle für den Vorfall entschuldigten. 

Dabei kann nicht verschwiegen werden, dass die Sicherheitskräfte großen Herausforderungen gegenüberstehen. Eine andauernde Operation gegen illegalen Waffenbesitz traf auf zum Beispiel in den vergangenen auf den Widerstand zahlreicher bewaffneter Gruppen. Doch daneben werden eben immer wieder unliebsame Aktivisten oder Führer oppositioneller Gruppierungen verhaftet oder verschleppt. Die Hauptfinanziers EU und USA schweigen, um die fragile Lage in der Region nicht weiter zu destabilisieren, erreichen mit diesem Schweigen aber nur ein zunehmende Delegitimierung der palästinensischen Autonomiebehörde und eine damit einhergehende Schwächung politischer Strukturen .

Grund ist letztlich der fehlende politische Wille bei den meisten Akteuren unliebsame Themen anzusprechen, klare Kritik zu üben und zu erkennen, dass bloße Sicherheitspolitik weder auf israelischer noch auf palästinensischer Seite zu einer Neuausrichtung des Friedensprozesses führen wird. Dass die israelische Seite Vorfälle, wie die oben beschriebenen kaum beachtet und am Erhalt des Status Quo interessiert ist, zeigt die Tatsache, dass Israel bereit ist 100 Millionen Dollar des Internationalen Währungsfonds (IWF) an die PA weiterzuleiten, welche aufgrund der fehlenden Staatlichkeit keine direkten Zahlungen des IWF annehmen kann. Ohne die internationale Unterstützung können aber selbst die Löhne der Angestellten nicht mehr bezahlt werden.


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