Frequenz und Länge der
Beiträge hier sind leider stark zurückgegangen, bedingt durch eine sich
hinziehende Studiumsendphase. Trotzdem soll dieses Sammelsurium zum
Thema Krieg weitergeführt werden. Die folgenden Gedanken sind dabei
etwas weiter entfernt von der Thematik als sonst,
berühren dabei jedoch den eigentlichen Kern dieses Blogs:
Nicht zu vergessen,
versuchen zu verstehen und und sich vor Augen zu halten, dass
bewaffnete Auseinandersetzungen für uns zumeist bloße
Nachrichtenwerte sind, wieder verschwinden und die Narben nur für
die Betroffenen spür- und sichtbar bleiben.
Auch Libanon ist ein
krisengeplagtes Land. Jahrzehntelanger Bürgerkrieg, die
Auseinandersetzung mit Israel, fremde Einflussnahme und aktuell die
Sorge, dass der entbrannte Konflikt im Nachbarland Syrien noch
tiefere Spuren hinterlässt, haben das Land im Griff. Doch zugleich
drängen progressive Kräfte auf Veränderung, wollen das instabile
und zersplitterte Regierungssystem mit tatsächlicher Demokratie
ausfüllen.
In diesem Zwiespalt
inszenierte die libanesische Regisseurin Nadine Labaki den Film „Wer
weiß, wohin?“, welcher schon vor einigen Monaten in den deutschen
Kinos lief. Zum Filmstart erschien in der taz eine Rezension,
welcher an dieser Stelle trotz der fehlenden Aktualität etwas entgegengehalten werden soll. Denn der taz-Artikel
zeigt teilweise ein grundlegendes Missverständnis oder einen bias in
der Berichterstattung über Krisen- und Konfliktgebiete auf, welcher
bei aller noblen Absichten kaum hilfreich ist.
In einem imaginären Dorf, irgendwo im Libanon gelegen, beobachtet die Regisseurin das Miteinander von Christen und Moslems. Schon zu Beginn wird ein Blick auf die blutige Vergangenheit geworfen. Doch die Stimmung kippt erneut und es drohen alte Konflikte zwischen den Religionen wieder aufzubrechen. Letztlich sind es die Frauen, die in dieser Komödie eine Eskalation des Konflikts verhindern. Dazu Christina Nord am 22.03.2012 in der taz:
Gegen die jäh ausbrechende Aggression setzt Labakis Film eine einfältige Utopie: Die Frauen, gleich ob christlichen oder muslimischen Glaubens, nehmen am Kriegstreiben nicht nur nicht teil, sie versuchen zudem mit List und Tücke, die aufgebrachten Männer zu besänftigen.
Man muss diesen
preisgekrönten Film nicht in jedem Fall mögen und darf sicher an manchen Stellen
fehlende Tiefe bemängeln. Doch es handelt sich um eine Komödie und
viel wichtiger, um einen Film, der das Befinden der Menschen im Libanon
widerspiegelt.
Ein Befinden, das sich
nicht aus Debatten um die Verlängerung des UNIFIL-Einsatzes speist,
nicht auf Einschätzungen zur Gefahr eines Bürgerkrieges beruht,
oder sich aus Studien zu politischen Konflikten zwischen den
ethnischen Gruppen ergibt. Sondern aus der Betrachtung der Menschen
dort.
Denn so ist diese
"fundamentalistische Note", diese "einfältige Utopie" doch nur Ausdruck
der Gier nach Normalität, nach Glück und einem normalen Leben. Im
libanesischen Alltag ist der Konflikt tief verwurzelt, dies kommt
auch in jeder Minute des Films zum Ausdruck. Die Trauer und die
Narben sind jederzeit sichtbar. Die als Komödie inszenierte Reaktion der
Frauen könnte auch fatalistisch gedeutet werden, als einzig
bleibender Weg, soll nicht die gesamte Gesellschaft an diesen
Auseinandersetzungen zerbrechen.
Insofern muss der Film
sicher auch mit der Brille des Konflikts betrachtet werden, um ihn zu
verstehen. Bei dieser Betrachtung kann man die fehlende Komplexität bemängeln. Doch ergibt sich daraus eine Verpflichtung sich auf diesen
Konflikt zu fixieren? Eine Verpflichtung für Menschen aus Konfliktregionen sich nur ernsthaft damit auseinanderzusetzen?
Natürlich ist dies ein Zwiespalt. Eine Komödie
ersetzt keine Nachrichtensendung. Doch ermöglicht sie vielleicht hin
und wieder hinter die Mauer der Auseinandersetzung zu schauen. In die
Gesichter der Menschen, da diese bei der Betrachtung von politischen
Optionen, internationalen Bemühungen und der Analyse von Opferzahlen
zumeist unsichtbar bleiben.
Der taz-Artikel vergisst, dass die meisten Konfliktursachen auf
mangelndem Verständnis für den anderen beruhen. Das Beharren auf
eine jederzeit akkurate Darstellung verstellt den Blick darauf, dass selbst im längsten Konflikt Alltag existiert. Ein Alltag, der von der Utopie des Friedens befeuert wird.
Dies sollte man bei aller Beschäftigung mit dem Krieg und Konflikt nicht vergessen, sonst wird das Verstehen der Hintergründe unmöglich, egal wie hehr die Absichten sein mögen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen