Dienstag, 17. April 2012

Mehr als 30 Tote in den vergangenen zwei Wochen bei religiös motivierter Gewalt gegen Hazara in Pakistan

Die Angehörige der Hazara würden die Einschätzung wohl verneinen, dass es lange Zeit eher ruhig um den Konflikt zwischen der hauptsächlich schiitischen Minderheit in Pakistan und radikalen militanten sunnitischen Gruppen war. Das Konfliktbarometer 2011 stützt diese These, fiel dort die Intensität des Konflikts doch um einen Punkt von 4 auf 3 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Doch dies lag wahrscheinlich nur an den gesunkenen Zahlen der Anschläge und Opfer. Die grundlegende Konfliktlinie ist außerordentlich präsent. Auch 2011 kamen beispielsweise bei einem Anschlag auf eine Moschee während des islamischen Opferfestes im August zehn Menschen ums Leben, zahlreiche Andere wurden erschossen.

Verantwortlich dafür waren die radikalislamischen Lashkar-e-Jhangvi (LEJ). In den vergangenen zwei, drei Jahren gibt es zahlreiche Beispiele für religiös motivierte Gewalttaten. Ende 2009 wurden in Karatschi bei einem Anschlag auf eine schiitische Ashura-Prozession mindestens 40 Menschen getötet, 2010 gab es im Februar mindestens 30 Tote, die Liste ließe sich bedeutend länger fortsetzen.

In den vergangenen zwei Wochen haben sich im Speziellen nun die Angriffe auf die mehrheitlich schiitische Minderheit in Teilen des krisengeschüttelten Landes verstärkt. In Quetta, der Hauptstadt der Provinz Balochistan, wurden im genannten Zeitraum mindestens 30 Menschen getötet. Sie fielen gezielten Morden zum Opfer. Verantwortlich soll wieder die LEJ sein. Nach Angaben von Vertretern der Hazara wurden zwischen 1999 und 2011 mindestens 600 Menschen aus religiös motivierten Motiven getötet.


Die ersten Hazara kamen vor mehr als 150 Jahren nach Pakistan, als sie in Afghanistan zunehmend marginalisiert, diskriminiert und teilweise zwangsweise "paschtunisiert" wurden. Sie ließen sich in Pakistan vor allem in und um Quetta nieder. Balochistan galt bis vor einigen Jahren noch als eher säkular geprägt, doch im Zuge des Afghanistankrieges der Sowjetunion und der aufkommenden Mudschaheddin-Bewegung radikalisierten sich weite Teile des Landstrichs, der an die afghanische Provinz Kandahar und an den Iran grenzt, zunehmend.

Eine kurze Al-Jazeera-Reportage von 2007 zeigt die Lebensbedingungen der afghanischen Minderheit (welche zwischen 9 und 18 Prozent der Bewohner Afghanistans ausmachen):



Die religiös begründeten Vorbehalte entladen sich nun immer wieder in den intrareligiösen Gewaltausbrüchen, die ein normales Leben der etwa 500.000 Hazara unmöglich machen. Problematisch ist, dass die Behörden weder die Ursachen des Konflikts bekämpfen können, noch effektiv gegen die mutmaßlichen Drahtzieher vorgehen.

Die zusätzliche Entsendung paramilitärischer Einheiten des Frontier Corps können dabei genauso wenig als geeignete Maßnahme gelten, wie der ausgerufene Generalstreik seitens der säkular geprägten Hazara Democratic Party (HDP). Wenigstens unterstützten die anderen beiden großen Parteien, die Balochistan National Party (BNP) und die Jamiat-i-Ulema Islam-Fazal (JUI-F), die Arbeitsniederlegung.

Doch dies ändert nichts daran, dass vor allem der Kampf gegen die Taliban und andere militanten Gruppen in den Nordwest-Provinzen Beachtung findet. Die Hazara leiden unter der geringen Aufmerksamkeit für ihre Nöte, dem wachsenden Machtvakuum in manchen Regionen Pakistans und der teilweisen Radikalisierung von Politik und Gesellschaft.

Ein Besuch der Moschee, des Friedhofs oder mancher Schulen ist ihnen unmöglich geworden. Die Hazara selbst sprechen gar von einem Genozid. Im Gegensatz zu früheren Anschlägen ging die Zahl der Selbstmordattentate zurück, stattdessen eröffnen vermummte Angreifer das Feuer auf Passanten und fliehen auf dem Motorrad.

Es gibt aber auch Hinweise für eine gewisse Annäherung der politisch-religiösen Kräfte, wie ein Besuch paschtunischer Vertreter bei der HDP. Gleiches gilt für die erwähnte breite Unterstützung des Streiks. Doch ein wenig fehlt wohl auch der politische Wille für ein effektiveres Vorgehen, da auch solche Stimmen Gehör finden und unterstützt werden: "The two separate incidents Saturday were the handiwork of organised gangs and there should be no doubt in any body’s mind that it is a well orchestrated conspiracy by foreign powers to create ethnic and sectarian hatred in a strategically important part of the country", schreibt beispielsweise der Pakistan Observer.

Der Artikel plädiert für ein hartes Vorgehen, doch mit der geäußerten Einschätzung zur Ursachen des Konflikts wird dies wenig vielversprechend sein. Abgesehen von einem Abflauen des Konflikts und einer Ruhephase, welche mit einer größeren Präsenz von Sicherheitskräften einhergeht, sind die Hoffnungen der Hazara ein Leben ohne Angst führen zu können äußerst gering.

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