Freitag, 23. März 2012

Zum möglichen Iran-Krieg: Der an die Wand gemalte Teufel

Ein möglicher Militärschlag Israels gegen iranische Atomanlagen und damit der Beginn eines weitreichenden heißen Konflikts wird fast täglich in allen Medien thematisiert. Doch sehr oft wird einseitig die iranische Gefahr beschworen und dabei auf den demagogischen und radikalen Geist des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad verwiesen (z.B. die Welt: Wenn der Teufel zum moderaten Interview kommt). 

Oder es wird deutlich gemacht, dass die iranische Führung in jedem Fall Härte in der Frage einer möglichen Vergeltung zeigen würde, die USA deshalb einen Krieg fürchten und weiter für Sanktionen plädieren (z.B. die Süddeutsche: Chamenei zeigt sich kompromisslos).

Auch der zurückhaltende Ton fehlt in der Medienlandschaft nicht, beispielsweise wenn israelische Kommentatoren auf die Ungewissheit über das iranische Streben nach der Bombe und vor allem auf die schrecklichen Folgen für die Region im Falle eines israelischen Angriffs verweisen (z.B. der israelische Schriftsteller David Grossmann in der FAZ: Bevor unsere Ohren taub werden).

Die innenpolitische Lage in Israel wird ebenfalls heftigst analysiert, es wird Kritik an den zahlreichen Untergangsszenarien geübt und darauf verwiesen, dass der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu als Vollblut-Politiker kein unnötiges Risiko eingehen würde (z.B. in der ZEIT: Warum Netanjahu den Iran-Krieg nicht will). 

Jeder dieser Artikel hat durchaus seine Berechtigung. Auffällig dabei ist aber, dass kaum noch die grundsätzlichen Konfliktursachen hinterfragt werden. Ja, das mögliche Streben des Iran nach Atomwaffen ist zu verurteilen und dem Versuch ist politischer Widerstand entgegenzusetzen. Ja, die diplomatischn Bemühungen laufen ins Leere und es stellt sich die Frage nach einem wirksameren Vorgehen.


Doch verwundert es, dass kritische Stimmen so rar gesät sind, welche einen ganz anderen Blick auf den Konflikt wagen. Deswegen an dieser Stelle einige Auszüge aus einem wahrscheinlich kaum beachteten Interview mit dem Publizisten Michael Lüders von tagesschau.de, welcher die Gesamtlogik hinter der internationalen Konfliktbearbeitung hinterfragt. Dabei geht es nicht darum, dass Lüders Meinung in allen Punkten zuzustimmen ist. Im Gegenteil. Aber auf der Basis seiner Aussagen lässt sich doch für ein gewisses Maß an Nachdenklichkeit und Zurückhaltung plädieren:

tagesschau.de: Israelische Verteidigungsexperten gehen davon aus, dass der Iran innerhalb von sechs Monaten über waffenfähiges Uran verfügen könnte. Ist diese Einschätzung realistisch?

Lüders: Nein, das ist absoluter Unfug. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass der Iran nach der Atombombe greift. Der ranghöchste amerikanische General Martin Dempsey hat im vorigen Monat in einem CNN-Interview gesagt, die USA hätten keinen Beweis dafür, dass der Iran an einer Bombe baut und sie hielten den Iran für einen rationalen Akteur.

Die Behauptung Israels, der Iran hätte innerhalb von sechs Monaten waffenfähiges Uran, hat zwei Gründe: Erstens hat man in Israel Angst, dass die Iraner ihr gesamtes Nuklearprogramm unterirdisch in Stollen verlegen, die durch Bombardierung nicht mehr zu erreichen wären. Zweitens spielen bei der Frage des Timings eines Krieges die US-Wahlen eine große Rolle. Die Israelis hätten gern vor den Wahlen im November eine Entscheidung. Denn nach einer möglichen Wiederwahl Obamas hätten sie vermutlich große Probleme, die Amerikaner davon zu überzeugen, sich am Krieg zu beteiligen.

[...]

tagesschau.de: Israel argumentiert unter anderem damit, dass Teheran darauf aus sei, das Land zu vernichten. Ahmadinedschad hat sich in der Vergangenheit wiederholt so geäußert. Wie ernst muss man die Drohung Teherans nehmen?

Lüders: Ahmadinedschad ist ein furchtbarer Demagoge, er ist wiederholt durch antiisraelische Polemik aufgefallen und hat den Holocaust geleugnet. Er hat seinem eigenen Land einen Bärendienst erwiesen, denn er hat den Kriegstreibern in Israel und den USA damit eine Steilvorlage geliefert. Aber dieses Zitat, was immer wieder in den deutschen Medien zu vernehmen ist, ist sachlich falsch. Der Iran hat nicht damit gedroht, Israel zu vernichten. Das ist eine falsche Übersetzung einer Rede von 2005, wo Ahmadinedschad erklärte, dass der Zionismus vor der Geschichte keinen Bestand haben werde. Er hat gesagt, das Besatzerregime müsse Geschichte werden, so wie das Apartheitsregime in Südafrika Geschichte geworden ist.

Der Iran hat keinen Grund, Israel anzugreifen, es gibt keine territorialen Konflikte mit Israel, die beiden Länder liegen 2000 Kilometer auseinander. Es ist hier viel Ideologie im Spiel und es geht um Machtansprüche.

[...]

tagesschau.de: Aber warum macht Teheran keine Zugeständnisse, um zu deeskalieren?

Lüders: Welches Zugeständnis sollen die Iraner denn machen? Durch die wirtschaftlichen Sanktionen setzt man ihnen die Pistole auf die Brust. Und egal, welche Zugeständnisse sie in der Vergangenheit gemacht haben, es wurde ihnen immer negativ ausgelegt ...

tagesschau.de: ... der Iran könnte beispielweise der Atomenergiebehörde uneingeschränkten Zugang zu seinen Atomanlagen ermöglichen.

Lüders: Dazu muss man sich mal ganz genau die Arbeitsweise der Atomenergiebehörde anschauen. Wenn die IAEA beispielsweise auf ein bestimmtes Militärgelände möchte, dann sagt der Iran: 'Das ist militärisches Sperrgebiet, da lassen wir euch nicht drauf'. Dann sagt die IAEA hinterher: 'Wir haben nicht alles sehen können'. Lässt man die Inspektoren aber auf das Militärgelände, besteht die Gefahr, dass Amerikaner und Israelis die Informationen hinterher militärisch auswerten.

[...]

tagesschau.de: Welche Alternativen gibt es zu einem Angriff? Auch die wirtschaftlichen Sanktionen scheinen ja nichts zu bewirken.

Lüders: Der Westen muss seine Strategie ändern. Man muss beginnen, mit dem Iran ernsthaft zu verhandeln. Die Verhandlungen bisher hatten nicht das Ziel, Kompromisse herbeizuführen. Es waren Verhandlungen, bei denen man den Iranern die Pistole auf die Brust gesetzt hat, nach dem Motto 'Akzeptiert unsere Bedingungen oder wir werden euch wirtschaftlich in Grund und Boden boykottieren'. Und genau das passiert ja im Augenblick. Das ist keine Politik, das ist Erpressung und darauf lässt sich der Iran nicht ein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen