Samstag, 20. August 2011

Anschläge von Eilat und die Folgen: Wie die alten Reflexe der etablierten regionalen Kräfte die Hoffnung auf Veränderung zunichte machen


Kaum ein paar Wochen sind vergangen, da machte Israel ungewohnte Schlagzeilen. Proteste, die mit denen in den arabischen Nachbarländern verglichen wurden, eher aber mit den Protestbewegungen in Spanien (wirtschaftliche Chancenlosigkeit) oder Chile (ungerechte Bildungspolitik) vergleichbar sind, zogen Hunderttausende auf die Straßen. Die Proteste wurzeln zunächst einmal in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. wsws.org schreibt:
Slogans included: “The people demand social justice”, “We want justice, not charity”, and “When the government is against the people, the people are against the government”. Protestors also made banners pointing to the influence of the recent uprisings in Egypt and other Arab countries. One read: “This is the Israeli spring”, and another, “Mubarak, Assad, Netanyahu!”
Auch die großen Nachrichtenagenturen, wie AP betonten den Massencharakter und die breite Unterstützung in der Bevölkerung:
“There was a feeling for a long time that the government and the tycoons could get away with whatever they wanted,” she said. “I feel that suddenly there’s a change and people are saying ‘no, and you can’t just do whatever you want on our backs.’” Recent polls have shown broad support for the protests and a sharp drop in Mr. Netanyahu’s approval ratings. Avraham Diskin, a political scientist at Jerusalem’s Hebrew University, said the protest has resonated with Israelis across the political spectrum because so many have been affected by the high price of housing. 


Doch durch den gestrigen Anschlag wurde all das in Frage gestellt, bzw. die lauten Stimmen des Protests wurden erst einmal erstickt. Acht Menschen starben, als Bewaffnete an mehreren Orten in der Nähe von Eilat zuschlugen:


Eine Verurteilung der Anschläge steht außer Frage. Auch eine Reaktion Israels ist ohne weiteres nachzuvollziehen. Doch es bedarf keiner Verschwörungstheorien, um glaubhaft darstellen zu können, wie willkommen den politischen Verantwortlichen die gestrigen Anschläge im Süden Israels sind. Unabhängig von der Dynamik in den Nachbarländern und den hoffnungsvollen Zeichen Anfang diesen Jahres, reagierten die Verantwortlichen wie immer:




Doch nicht nur Gaza wurde bombardiert. Auch in Ägypten wurde gekämpft, israelische Sicherheitskräfte töteten mehrere ägyptische Grenzsoldaten. Von einem Versehen ist die Rede, Ergebnis sind anti-israelische Proteste und Demonstrationen in Ägypten. Forderungen nach einem Abzug des israelischen Botschafters bestimmen den Ton. In Gaza starben derweil in den vergangenen Tagen mindestens 14 Menschen bei den Luftangriffen.

Die alten Reflexe greifen also wieder. Auf allen Seiten. Es ist wie gesagt nicht notwendig, irgendwelche Verschwörungstheorien aufzustellen. Es bedarf keiner fremdgelenkten Kräfte durch Geheimdienste, keinerlei Absprachen, oder die Frage, warum Hinweise auf die Anschläge nicht ernster genommen wurden, um zu konstatieren, dass die etablierten Kräfte in der Region kein Interesse an einem dauerhaften Frieden haben.

Die mutmaßlich verantwortliche Hamas hatte in Gaza mit Protesten zu kämpfen. Zunächst gegen den Dauerkonflikt zwischen Hamas und Fatah, dann auch gegen das Assad-Regime in Syrien. Auf jeden Fall verbunden mit dem Ruf nach Veränderung. Veränderung, welche die Machtbasis der Hamas in Frage stellt. Eine Zementierung der Belagerung von Gaza durch Israel schadet den Machthabern also nicht.

Auch in Ägypten hat nach dem vermeintlich demokratischen Umsturz, der in eine Machtübernahme des Militärs geführt hat, welche den institutionellen Umbau des Landes so verlangsamt, dass die Mubarak-Gewinnler auch im neuen System zu den Profiteuren gehören werden, das Feindbild Israel noch lange nicht ausgedient. Innere Konflikte und Probleme bei der Aufarbeitung der mehr als drei Jahrzehnte dauernden Diktatur verschwinden hinter Zwischenfällen an der Grenze zu Israel und Gaza.

Die israelische Regierung und die wirtschaftliche Führung des Landes schließlich profitieren am meisten vom Status Quo. Ein gesellschaftlicher Umbau würde massive Auswirkungen auf das verkrustete politische System haben, dessen Auswüchse bei Vetternwirtschaft und Korruption nur teilweise durchscheinen. Die Proteste in Israel sind zudem erst einmal unabhängig von der arabischen Dynamik. Eine Abschwächung oder Niederschlagung in den Nachbarländern hätte keine Konsequenzen, was sie umso gefährlicher für die Politik macht.

Die Todesopfer auf israelischer Seite werden durch solch eine Sichtweise nicht verharmlost. Im Gegenteil. Ihr Tod resultierte aus den friedensverwehrenden Strukturen auf allen Seiten. Auch wenn die Proteste in Israel gegen hohe Immobilienpreise und das zunehmende Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich abzielen, so bieten sie doch auch die Chance, einen neuen politischen Umgang zu forcieren.

Dieser könnte auch unmittelbare Auswirkungen auf die Außenpolitik und den Umgang mit dem neuen Regime in Ägypten, oder der moderaten, an einer Einigung zwischen Hamas und Fatah interessierten, palästinensischen Kräfte haben. Zumindest würden die Proteste verdeutlichen, dass die eigentlichen Herausforderungen der israelischen Gesellschaft in ihrem Inneren liegen. Die gestrigen Anschläge und die Reaktion Israels gefährden diese Erkenntnis fundamental.

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