Montag, 31. Mai 2010

Hintergrund zum israelischen Angriff auf Schiffskonvoi - Bis zu 20 Menschen sterben


Israelische Elitesoldaten haben im Mittelmeer mehrere Schiffe einer internationalen Hilfsflotte für den Gazastreifen angegriffen. Das größte der Schiffe wurde aufgebracht und gestürmt. Etwa 700 Menschen befanden sich an Bord der Mavi Marmara. welche zusammen mit den anderen Schiffen die Seeblockade vor der Küste Gazas durchbrechen wollten. Das komplette Live-Video zeigt die Erstürmung  und den Widerstand der Menschen. Dass die Menschen an Bord auf die Soldaten geschossen hätten (wie von Israel behauptet), beweisen diese Bilder nicht:


Soldaten des israelischen Elite-Kommandos sprachen von schwerem Widerstand. Bei CNN heißt es:
"They beat us up with metal sticks and knives," he said. "There was live fire at some point against us... They were shooting at us from below deck."
30 Militante sollen nach diesen Angaben den Angriff ausgeführt und eine Geiselnahme versucht haben. Insgesamt wurden mindestens zehn Aktivisten der Organisation Free Gaza getötet. In Medienberichten ist von bis zu 20 Toten und Dutzenden Verletzten die Rede. Gesichert ist die Zahl von neun Toten. Zehn israelische Soldaten sollen verletzt worden sein. Die israelische Regierung hatte unmittelbar nach dem Vorfall stundenlang eine Informationssperre verhängt. Die letzten Livebilder lieferte Al-Jazeera von einem Korrespondenten, der unmittelbar nach dem Angriff vom Schiff berichtete, bevor die Verbindung endgültig abbrach:


Die Konsequenzen und Reaktionen des Angriffes scheinen von scharfer Verurteilung, wie von der Türkei und der Arabischen Liga, bis hin zu zurückhaltenden Forderungen nach einer Untersuchung, wie ausDeutschland verlautete, zu reichen. Auch UN-Chef Ban zeigte sich bestürzt, ob des Vorfalls. In Israel gab es bereits gewaltsame Proteste, vor allem von arabischen Israelis und in Israel lebenden Arabern. Israel rückte die Aktivisten in die Nähe von Hamas und warf ihnen gezielte Provokation und die Provokation von Gewalt vor:


Die SZ kommentiert:
Gewiss hat niemand gewollt, dass es so schlimm kommt. Aber ebenso gewiss ist, dass es irgendwann so schlimm kommen musste. Denn die Regierung in Jerusalem hat - nicht nur in diesem Fall - das Maß verloren, mit dem sie für ihre Ziele kämpft.
Die israelische Politik kann nach diesem Desaster so handeln wie nach dem Gaza-Krieg vor anderthalb Jahren, der 1400 Palästinenser das Leben kostete, unter ihnen viele Zivilisten: Augen zu und durch, war hier die Devise. Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen werden bis heute kategorisch zurückgewiesen, der im Auftrag der Vereinten Nationen angefertigte Untersuchungsbericht wird als parteiisch verurteilt. Israel könnte sich also einrichten auf seinem Stammplatz am Pranger der Weltgemeinschaft - in dem kurzfristig sogar bequemen Bewusstsein, der feindlichen oder zumindest ignoranten Welt sowieso nicht erklären zu können, warum der Zweck fast alle Mittel heiligt.
Die WELT ist zurückhaltender und sieht auch die Schiffsbesatzung in der Verantwortung. Ihr Kommentator schreibt:
Bislang ist unklar, wer verantwortlich ist für das Desaster beim Aufbringen der Schiffe, die die Seeblockade des Gazastreifens durchbrechen wollten. Eins wird man jedoch sagen können: Beide Seiten tragen Mitschuld am Tod der Aktivisten und an den Verletzten auf beiden Seiten.  

Den radikalen Islamisten und linken Ideologen ging es bei dieser Aktion nie wirklich um die Menschen in Gaza, sonst hätten sie das Angebot Israels angenommen, die Hilfsgüter in einem israelischen Hafen überprüfen und auf dem Landweg nach Gaza bringen zu lassen, anstatt den Konflikt auf die Spitze zu treiben.

Man weiß bisher nicht, wer den ersten Schuss feuerte und ob die, die umkamen, aus Notwehr getötet wurden oder weil Soldaten in Panik gerieten. Aber gerade weil Israel wusste, dass es an den Pranger gestellt werden sollte, hätte die Armee behutsamer vorgehen müssen. Um Menschenleben zu schonen. Und um Israels Ruf nicht weiter zu beschädigen.
Zur Lage kurz nach dem Vorfall auch ein Interview mit dem ARD-Korrespondenten in Tel Aviv, Richard C. Schneider:
EinsExtra: Herr Schneider, noch sind die Umstände der Erstürmung nicht ganz klar, welche Informationen haben Sie?
Richard C. Schneider: Was wir bislang wissen, ist, dass die israelische Armee, nach ihren eigenen Angaben, die Schiffe mehrfach zunächst aufgefordert hat, umzudrehen. Nachdem das nicht geschehen sei, hätten die Schiffe geentert und seien dabei auf massiven Widerstand gestoßen. Die Leute auf den Schiffen hätten die Soldaten mit Messern, Eisenstangen und ähnlichen Dingen angegriffen. Man konnte das auf einigen der Bilder, die man von den Agenturen bekommen hat, tatsächlich auch sehen. Die israelische Armee hat jetzt gerade ein Statement veröffentlicht, demzufolge auch auf die Soldaten angeblich geschossen wurde und daraufhin sei erst das Feuer eröffnet worden von Seiten der Israelis - das können wir so bislang noch nicht bestätigen.

EinsExtra: Die Türkei hat Israel vor irreparablen Folgen gewarnt, was bedeutet das für die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei?

Schneider: Die Beziehungen sind in der letzten Zeit sowieso schon ziemlich auf dem Nullpunkt gewesen. Da gab es zunächst einmal die wütende Reaktion der Türken auf den Gazakrieg 2008 und über die Art und Weise, wie die Israelis diesen Krieg geführt haben. Sie waren wütend, dass die Israelis, die eigentlich mit der Türkei ein sehr gutes Verhältnis haben, die Türken vorher nicht darüber informiert haben, dass sie einen Krieg führen werden. Ankara war dann auch sehr brüskiert über die Art und Weise, wie Israel die Türken nicht mehr als Mediator bei geheimen Verhandlungen zwischen Syrien und Israel haben wollte und sie brüsk abgelehnt haben.
Einen Hintergrund zu der gesamten geplanten Hilfsaktion und dem der Aktivisten eine Inside Story von Al-Jazeera vom 31. Mai 2010:


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