Samstag, 7. November 2009

Indien droht Eskalation eines kaum beachteten Bürgerkriegs

Ein kaum bekannter Konflikt ist der Kampf  maoistischer Rebellen, Naxaliten genannt, die sowohl politisch, als auch militärisch gegen die Zentralregierung Indiens und die Zustände im Land agieren.


India Daily/AP


Es geht um die rudimentäre Nahrungsmittelversorgung, Landrechte, Waldnutzung, sowie das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem in ländlichen Regionen. Die Bedrohung des Friedens ist dabei immens. In einem Bericht aus der Jungen Welt vom Oktober heißt es:
Indien steht, dramatisch formuliert, am Rande eines Bürgerkrieges. So jedenfalls schätzen verschiedene Bürgerinitiativen die Lage angesichts des Vorhabens der Regierung ein, mit paramilitärischen Kräften – vornehmlich der Zentralen Polizeireserve (CRPF) und Sonderkommandos zur Bekämpfung der Naxaliten (Cobra) – eine Offensive gegen die in weiten Teilen des Landes operierende maoistische Guerilla zu starten. 
Militärisch gesehen erscheint es aber außerordentlich schwer die Probleme zu lösen. Denn die Kämpfer sind durchaus zurecht selbstbewusst. In einem aktuellen Feature von der Zeitschrift Economist äußert einer dann auch die Worte:
“No matter how many troops you send here, we will not be defeated, because we have the people’s support in this war.”
The Maoists, known as Naxalites, after the village of Naxalbari in West Bengal where the movement started four decades ago, have since expanded their reach. They are now active in 22 of India’s 28 states, up from nine in 2004.
Das zeigt auch folgende Karte:




Eine bedeutende indische Schriftstellerin, Arundhati Roy, sagte in einer Rede zur Eröffnung des Internationalen Literaturfestivals in Berlin im September:
Die Operation - und so werden Kriege heute ja genannt - soll im Oktober beginnen, wenn der Monsunregen endet, die Flüsse weniger reißend und das Terrain besser zugänglich sind. Die Bewohner der Wälder, darunter die Maoisten, die sich als im Krieg gegen den Staat Indien begreifen, sind Stammesvölker, die Ärmsten der Armen im Land. Sie leben dort seit Jahrhunderten, ohne Schulen, Krankenhäuser, Straßen, fließendes Wasser. Sie leben, und das ist ihr ebenso so altes ‚Vergehen’, auf Land, das reich an Eisenerz, Bauxit, Uran und Zinn ist. Diese Rohstoffe sind es, an denen die großen Bergbauunternehmen Tata, Vedanta, Essar, Sterlite und andere, hochinteressiert sind. Die Regierung stehe, so der Premierminister in einer Erklärung, in der Pflicht, den Mineralienreichtum Indiens auszubeuten, um die boomende Wirtschaft anzukurbeln. Die Maoisten nennt er die ‘größte interne Sicherheitsbedrohung Indiens’. ‚Ausrotten’ und ‚vernichten’ sind die Begriffe, mit denen die Wirtschaft in diesem Zusammenhang operiert. Wie die Sicherheitskräfte in den Wäldern zwischen Maoisten, Sympathisanten und Unbeteiligten unterscheiden sollen, weiß jedoch niemand.

Vor drei Wochen kündeten die Rebellen eine große Offensive an:


Ende Oktober kaperten Rebellen einen Zug, die Regierung hat ihren Kampf ausgeweitet. Dies geschieht nicht zufällig, seit Mitte des Jahres regiert in Indien eine Koalition, die nicht mehr auf Stimmen kommunistischer Parteien angewiesen ist. Etwa 22.000 Kämpfer sollen in Reihen der Rebellen kampfbereit sein. Deren Waffen kommen aus dem Kaschmir-Konflikt. Mehr als 1.000 Attacken wurden vergangenes Jahr gezählt. Doch der politische Prozess und eine gerechtere Einbindung und Berücksichtigung von Minderheiten und der Landbevölkerung kommt trotz des wirtschaftlichen Wachstums nicht voran. Denn sie profitieren einfach nicht davon.


Und Neues Deutschland schreibt:
Erschießungen in »präventiver Notwehr«, wahllose Verhaftungen und das Nichtbearbeiten von Anzeigen wegen Vergewaltigungen und Folter sind ein Ausdruck der alltäglich zu erfahrenen Abwesenheit der zivilen Ordnung in Jharkhand und Chhattisgrah. Für die Polizei und die von den Regionalbehörden aufgebaute anti-maoistische Bürgermiliz (Salwa Judum), gehören automatisch alle der Naxaliten-Bewegung an, die sich der Vertreibung auch mit friedlichem Protest entgegenstellen oder sich gegenüber den Behörden als nicht kooperativ zeigen. Wenn der Staat wirklich Entwicklung anstrebt, so die »Kampagne für das Überleben und die Würde«, »soll er zuerst einmal die eklatante Missachtung seiner eignen Gesetze beenden«.

Ressourcen

Ausführliche Doku hier, Hintergrund hier und hier.

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