Sonntag, 25. Oktober 2009

Eine Frage des Anstands?


Mindestens 147 Menschen sind am Sonntag bei zwei kurz aufeinanderfolgenden Anschlägen in Bagdad getötet, mehr als 500 verwundet worden. Die Nachricht ist überall, es war der schwerste Anschlag in diesem Jahr. Die Bilder dazu sind drastisch, es existiert ein Handy-Video, auch Bilder, die kurz nach dem Anschlag gedreht wurden. Das meiste davon landet nicht in den offiziellen Fernsehnachrichten. Ist die Nicht-Ausstrahlung von Toten, von Explosionen, Rauch und Schreien einfach nur angemessen? Damit nicht alles dramatisiert wird und Gaffer nicht befriedigt werden? Oder sollte man sehen, was es heißt, wenn eine Explosion ganze Häuserblocks fortreißt, was die Wörter "dozens", oder "scores" bedeuten, welche die Nachrichtenagenturen bei solch großen Opferzahlen verwenden?

Handy-Video der zweiten Bombe:



CNN-Video:



Diese Bilder halten sich in Grenzen, auf anderen Sendern sieht das oft anders aus. Dort werden verwundete Kinder und Erwachsene ohne Scheu gezeigt. Um Mitleid zu erregen? Den Schrecken greifbar zu machen? Oder das Blut und die Schreie zu operationalisieren?



Oft hängt die Berichterstattung auch davon ab, ob spektakuläre, drastische Bilder vorhanden sind. Auch die Tagesschau muss sich immer wieder mit diesem Thema beschäftigen. Auszug aus dem Tagesschau-Blog:
Der Wetterbericht lief noch, als sich heute ein Zuschauer telefonisch bei uns über grausame Bilder in der Tagesschau beschwerte. Grund war ein Bericht über die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs zum Massaker von Srebrenica. Darin war eine Erschießungsszene von damals enthalten. Zu sehen ist der Rücken des Mörders im Vordergrund. Die eigentliche Tat sieht man nicht. Man hört Schüsse und erkennt schemenhaft, wie das Opfer zu Boden stürzt.
Grundsätzlich sind hier oft schreckliche Bilder zu sehen. Aber vielleicht muss man manchmal sehen, was es bedeutet, wenn Bomben auf Wohngebiete fallen. Mörser auf Marktplätzen einschlagen. Dadurch sollte man nicht abstumpfen. Und tut es vielleicht trotzdem. Doch muss man sich daran erinnern, dass ganz normale Menschen nur kurz einkaufen wollten, oder beim Abendessen saßen, als die Explosion alles aus der Normalität riß. Sie sich plötzlich dem Tod gegenüber sehen, Freunde verlieren, ganze Familien ausgelöscht werden. Die alles jeden Tag passiert und Realität ist. Dann sollte man wütend sein, trauern, oder bestürzt sein. Aber nicht gleichgültig.


Literatur

Petzold, Thomas 2008: Gewalt in internationalen Fernsehnachrichten - Eine komparative Analyse medialer Gewaltpräsentation in Deutschland, Großbritannien und Russland, Springer

Mikos, Lothar 2003: Von Kriegen und Verbrechen, TV Diskurs 24

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