Freitag, 9. November 2018

Studie: 1000 Kilometer Mauer um Europa


"The Wall" - das Lieblingsprojekt von Donald Trump, ist mittlerweile auch hierzulande bekannt. Auch die Sperranlage zwischen Israel und den Palästinensischen Gebieten wird gerne genannt, wenn es darum geht den Trend zur Abschottung mit konkreten Beispielen zu belegen. Obwohl letzteres kaum taugt, um im Zuge von Flucht und Migration genannt zu werden. Weniger bekannt ist z.B. das milliardenschwere Grenzprojekt Saudi-Arabiens. Weitere mehr oder weniger bekannte Beispiele finden sich hier.

Kaum thematisiert sind aber die Mauern vor der "eigenen Haustür", nämlich in und um die Europäische Union. Eine aktuelle Studie zweier Wissenschaftler des Transnational Institute in Amsterdam mit dem Titel "MAUERN BAUEN - Politik der Angst und Abschottung in der Europäischen Union" schätzt, dass die Mitglieder der Europäischen Union und des Schengenraumes seit dem Ende des Kalten Krieges mittlerweile Mauern mit einer Länge von 1.000 Kilometer errichtet haben. Mauern, die in erster Linie Menschen den Zutritt versperren sollen. Mauern, die dem Gedanken der Personenfreizügigkeit und den humanitären Ansprüchen der Union entgegenstehen: Die Zahl der Mauern auf europäischem Boden ist von zwei in den 1990ern auf 15 im Jahr 2017 angestiegen, wobei allein im Jahr 2015 sieben neue Mauern entstanden. Zehn der 28 EU Mitgliedsstaaten (Spanien, Griechenland, Ungarn, Bulgarien, Österreich, Slowenien, Großbritannien, Lettland, Estland und Litauen), sowie Norwegen (welches zum Schengen-Raum gehört), haben an ihren Grenzen Mauern gegen Migration errichtet.

Quelle: Transnational Institute
Auch andere Zahlen belegen, dass Abschottung gegenwärtig ein treffender Begriff ist, um die Entwicklung an den Grenzen zu beschreiben. Denn gelingt es Menschen, die Hürden zu überwinden (und z.B. das Asylrecht in Anspruch zu nehmen), wird auch investiert, um eine Rückkehr zu erzwingen. Eine Analyse des Frontex-Budgets zeigt zum Beispiel, dass die Kosten für Abschiebungen von 83.000 Euro im Jahr 2005 auf 53 Millionen Euro 2017 gestiegen sind. Die Studie konstatiert auch einen Mentalitätswandel: "Das Narrativ der EU ist auf die Darstellung der Mobilität von Menschen als Sicherheitsproblem und der Wahrnehmung von Migrationsströmen als Gefahren ausgerichtet."

Letztlich seien auch interne Kontrollen im Schengenraum, die seit 2006 im Schengen-Grenzabkommen geregelt sind von der Ausnahme zur politischen Normalität avanciert: "Migration und politische Umstände stellen dabei die Hauptgründe für ihre Anwendung dar. Der Umstand, dass die Zahl der internen Kontrollen von drei im Jahr 2016 auf 20 im Jahr 2017 gestiegen ist, deutet auf eine Ausweitung von Maßnahmen hin, die die Bewegungsfreiheit der Menschen einschränken und überwachen."


Ob Mauer oder Zaun (wie hier Grenze die Grenze zwischen Spanien und Marokko bei Melilla): Migration wird zunehmend durch Abschottung und Kriminalisierung begegnet, auch wenn offensichtlich wird, dass am Ende keine Mauer hoch genug sein kann, um Migrationsströme zu steuern. Credits: Ongayo
Auch das EU-Programm Eurosur wird näher betrachtet: "Zusätzlich werden Programme und Werkzeuge geschaffen, um virtuelle Grenzen auszubauen, welche unsere Bewegungen überwachen. Doch die etablierten Methoden virtueller Grenzen tun mehr, als Systeme zur Bewegungskontrolle und Analyse aufzubauen. Sie errichten auch konzeptuelle Grenzen, welche die Dynamiken territorialer Machtverhältnisse reproduzieren. Länder, die entscheiden können, wer reinkommt, wer nicht und mit welcher Begründung, generieren Hierarchien in der Reisefreiheit. Das Geburtsland bestimmt über die Freiheit oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Menschen. Diese Aspekte sind nicht neu, doch die modernen Grenzkontrollsysteme, die entwickelt werden, erfassen all unsere Bewegungen in viel umfassenderer Weise."

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