Mittwoch, 2. Mai 2018

Afghanistan: Schlimmer geht immer

Vierteljährlich veröffentlicht der Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction seinen Bericht. Zumeist wird er von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Das liegt zum einen an der generellen Aufmerksamkeit in Sachen Afghanistan, zum anderen an dem Berichtszeitraum an dem sich weniger plakativ Entwicklungen deutlich machen lassen als bei Jahresberichten, die über 12 Monate Bilanz ziehen. 

Die Zahl der Menschen, die aufgrund der Gewalt im Land zur Flucht gezwungen wurden, ist ein "guter" Indikator um die Entwicklung im Land nachvollziehen zu können. Die Grafik zeigt deutlich, dass keinesfalls von einer Befriedung der Situation im Land in den vergangenen Jahres gesprochen werden kann. Auch wenn 2017 ein besseres Jahr war als 2016 ist der Trend eindeutig abzulesen. Quelle: SIGAR-Report 30.04.2018, S. 147.

Doch hier mal einige Punkte aus dem Bericht, den auch Foreign Policy etwas näher unter die Lupe genommen hat:
Die Wirtschaft Afghanistans hat - gemessen am Bruttoinlandsprodukt - im Jahr 2012 aufgehört zu wachsen und stagniert/sinkt seitdem. Auch etwa 126 Milliarden US-Dollar an wirtschaftlichen Hilfen haben daran nichts geändert.

Afghanistan steht auf Platz 183 des Index für Geschäftsbeziehungen. "Doing Business" in dem Land ist sowohl gefährlich als auch langsam, korruptionsanfällig oder leidet unter der Infrastruktur. Weniger als ein Drittel der Menschen in Afghanistan haben zum Beispiel elektrischen Strom.

Die Zahl an Bomben, welche die "westliche Koalition" über dem Land abgeworfen hat, war die Höchste seit dem Jahr 2013.

Selbstmordanschläge sind 2017 um 50 Prozent gestiegen. Opferzahlen aus solchen Attacken oder koordinieren bewaffneten Angriffen steigen kontinuierlich. Angriffe von religiösen militanten Gruppen haben sich 2017 verdreifacht. 

Die USA haben seit 2002 knapp neun Milliarden US-Dollar ausgegeben, um die Produktion von Drogen einzudämmen. Doch der Opiumanbau wächst, allein 2017 gab es eine Erhöhung der Produktion um 63 Prozent. 

Nur etwa zwei Drittel der Menschen in Afghanistan leben unter Kontrolle der Regierung. Vor dem Hintergrund, dass knapp 80 Milliarden US-Dollar in den Aufbau der Sicherheitskräfte geflossen sind, ist dies eine erschreckend geringe Zahl, vor allem da sich laut Bericht die Entwicklung noch verstärkt hat: "Insgesamt bringen die Aufständischen immer größere Teile der Bevölkerung unter ihre Kontrolle", heißt es da. 

Insgesamt wurden mehr als 20.000 Militärangehörige der USA verwundet. 2017 waren es mehr Personen als 1015 oder 2016.

Die überall verbreitete Korruption lähmt das Land und verhindert die Entwicklung der Wirtschaft. Fälle werden nicht verfolgt, verurteilte Straftäter nicht verfolgt. Die USA sehen dafür den mangelnden politischen Willen der afghanischen Regierung als Ursache, doch auch die Ausgabepraxis trägt nicht zu einer wirksamen Strategie gegen Korruption bei.
Der Bericht kritisiert auch die grundsätzliche Ausrichtung und das Selbstverständnis der Akteure, die im Land tätig sind: "Wir haben Agenturen gefunden, aber nicht nur wir, auch der Generalinspekteur, die sehr viel Zeit dafür aufwenden den Input der Programme zu erfassen. Also die Höhe der Mittel, die verwendet werden, genauso wie den Output, zum Beispiel die Zahl von Klinken, die gebaut wurden. Doch zu wenig Aufmerksamkeit wird auf den Outcome und die Ergebnisse als Gradmesser des Erfolgs gerichtet."

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