Montag, 23. Juni 2014

Empört Euch! Oder lasst es besser sein?

Das Leid anderer Menschen fordert unser Innerstes heraus. Viele ziehen es vor zu vergessen und zu verdrängen, lassen sich doch so die schrecklichen Bilder von Konflikten am Besten auf Distanz halten. Andere empören sich, leiden also unter etwas, was einen doch eigentlich nur indirekt betrifft.

In der ARTE Philosophie-Folge vom vergangenen Sonntag geht es um genau diese Empörung. Dieses Gefühl, das so schnell in einen bloßen Reflex umschlägt. Empörung wird schnell unecht, stellt Raphaël Enthoven fest, aber auch: "Empörung ist eine Form des Staunens, es hat eine philosophische Dimension."

Empörung beginnt dort, wo man verweigert, was man bisher akzeptiert hat. Doch schließen sich daran sofort weitere Fragen an. Zum Beispiel nach der Wirkung der Empörung: Hat sie einen Einfluss? Oder ist sie Ausdruck der eigenen Ohnmacht?

Zunächst ist sie rein persönlich. Soll sie eine Wirkung haben benötigt sie eine allgemeine Form: die Auflehnung. "Ich lehne mich auf, also sind wir." Dieser Satz von Albert Camus zeigt, dass Empörung als Sammelbecken dienen kann, sie verschiedene Formen vereinigt und sich durchaus auf die Handlungsebene transformieren lässt (und die Revolte etwas völlig anderes als eine Revolution ist, da sie die Maßlosigkeit dieser ablehnt und immer mit der Welt verbunden bleibt). Gleichzeitig ist Empörung kritisierbar, wenn sie instrumentalisiert und von Ideologie "gekapert" wird.




Empörung bleibt so eine Mischung aus Wirklichheitsfremdheit und dem Leiden an der Realität. Ein komplexer Begriff, sich zu empören ist ein zweischneidiges Schwert. Man kann dadurch Teil einer Inszenierung werden, sich manipulieren lassen und Ursachen und Gründe vergessen. Sie kann ein bloßes Mittel sein, um sich ein gutes Gewissen zu verschaffen. 

Sich zu empören heißt ja nicht unbedingt wütend zu sein. Doch berührt vielleicht erst diese Wut das eigene Innere. Gleichzeitig darf man in seiner Wut über das unaufhebbare Leid die Verbindung mit der Welt nicht aufgeben. Eine entscheidende Frage lautet also: Wie kann aus einem bloßen Reflex Reflexion werden?

[EDIT 29.06.2014: Der Beitrag ist auf Deutsch nicht mehr in der Mediathek verfügbar, hier kann er aber auf Französisch angesehen werden]

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