Samstag, 4. Januar 2014

Zentralafrikanische Republik kein Schauplatz eines neues Religionskrieges

Noch einmal ein Nachtrag zum Konflikt in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Zum Teil sind die Vorgänge schon wieder aus den Medien verschwunden, der Südsudan oder Michael Schuhmacher haben den Platz eingenommen. Trotzdem laufen natürlich regelmäßig Agenturmeldungen oder aufbereitete Nachrichten über die Newsportale. Die legen wie selbstverständlich eine religiöse Dimension des Konflikts, oftmals auch gleich als alleinige Ursache zugrunde: "Die Kämpfe zwischen muslimischen Rebellen und christlichen Milizen belasten die Zivilbevölkerung massiv", heißt es da zum Beispiel.

Der Witz an der Sache ist, die Meldung stimmt natürlich. In der Frankfurter Rundschau erschienen in einem Artikel vom Oktober 2013 folgende Zeilen:
Da die Séléka-Kämpfer vor allem aus dem muslimisch dominierten Norden des Landes stammen und es sich bei den Anhängern Bozizés mehrheitlich um Christen handelt, hat der Konflikt auch eine religiöse Dimension. Djotodia ist der erste muslimische Präsident des Landes, in der Séléka werden auch Islamisten aus den Nachbarstaaten der Republik vermutet.
Diese Feststellung ist natürlich auch nicht falsch. Beschäftigt man sich jedoch ein wenig mehr mit der jüngeren Geschichte des Landes wird deutlich, dass die Wahrnehmung eines rein religiösen Konflikts nicht den Tatsachen entspricht und der Fokus auf die religiöse Dimension wichtige Konfliktursachen ausblendet.

4,5 Millionen Menschen leben laut Weltbank in der ZAR, ca. 80 Prozent davon sind Christen (51 Prozent Protestanten, 29 Prozent Katholiken), ca. 15 Prozent Muslime. Die religiöse Orientierung spielte bis vor kurzem keine große Rolle in dem Land. In einem Africa Review-Artikel machten bereits Ende März hochrangige Geistliche deutlich, dass sie sich vor der Instrumentalisierung ihrer Religion fürchten:
Imam Oumar Kobline Layama, president of the Islamic Community of Central Africa, said the rebels should not play into the hands of those "who want to turn this change into a religious problem. We must not destroy this cohabitation that we have had for more than 50 years," he said.

"I ask Muslims not to say: 'today it's our turn'. There is no 'turn', we are all Central Africans. The leaders of Seleka must keep to the principles of Islam. Islam does not encourage division or theft or looting," he said.
Auch die BBC schrieb im November zu den Konfliktursachen, dass er sich nicht auf eine Ursache reduzieren lässt:
However, the current conflict is unprecedented. For the first time in this small country, described as the heart of Africa, religious tension is taking centre stage. The Christian majority and Muslim minority always lived in harmony until March 2013 when Seleka leader Michel Djotodia seized power after his forces overran the capital, Bangui. Mr Djotodia became the first Muslim to rule CAR, installing himself as interim president and forming a transitional government that he says will organise democratic elections. The government denies targeting any group, but recognises the rise in inter-community violence.

Der regelmäßige Bericht zur weltweiten religiösen Freiheit des US-Außenministeriums kommt im Fall der ZAR zu folgendem Schluss:
The constitution and other laws and policies protect religious freedom and, in practice, the government generally respected religious freedom. The trend in the government's respect for religious freedom did not change significantly during the year. There were reports of societal discrimination based on religious affiliation, belief, or practice.
Peter Bouckaert, zur Zeit verantwortlich für die ZAR bei Human Rights Watch, sieht dies etwas anders. Offensichtlich resultiert dies aus seinen Erlebnissen vor Ort, bei denen Menschen wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit Opfer der Gewalt wurden. Insofern soll dies keine Verharmlosung der Vorgänge in der Zentralafrikanischen Republik sein. Allerdings sollte man bei der Auseinandersetzung beachten, dass Religion im Falle der ZAR (wie auch anderswo) als Instrument bestimmter Gruppen und Werkzeug zur Mobilisierung gebraucht wird. Die Deutsche Welle schrieb im Dezember dazu passend:
Sowohl die alten als auch die neuen Herrscher instrumentalisieren die Gläubigen im Land für ihren Machtkampf. Sie mobilisieren die Massen, indem sie Muslime und Christen gegeneinander aufstacheln. Leidtragend ist am Ende die Bevölkerung - egal, welcher Religion sie angehört.
Es wäre zu wünschen, wenn Religion weiterhin kritisch hinterfragt und deren Einfluss offengelegt wird. Gleichzeitig sollten Medien beachten, dass deren Nutzer oftmals zu sehr einfachen Schlüssen kommen, wenn Überschrift und Teaser immer wieder das Gleiche suggerieren. Nämlich, dass sich dort halt mal wieder Muslime und Christen die Köpfe einschlagen. Dass dies in einem jungen instabilen politischen System geschieht, dessen Bürger von ständiger Nahrungsunmittelsicherheit bedroht und von vielen Gesundheits- und Sozialleistungen ausgeschlossen sind, fällt dabei dann eben unter den Tisch. 

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