Samstag, 12. Oktober 2013

Opferzahlen: Bis zu 40.000 Flüchtlinge seit 2008 im Mittelmeer ertrunken

Mindestens 8.000, jedoch wahrscheinlicher mindestens 20.000 bis 25.000 Menschen sind seit 1990 bei dem Versuch ertrunken, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. 2011 war nach offiziellen Zahlen das tödlichste Jahr. Die Zahlen könnten allerdings noch weitaus höher liegen.

Denn verlässliche Statistiken gibt es  kaum, oftmals werden die Zahlen des Blogs Fortress Europe herangezogen. Dieser versucht Todesfälle zu dokumentieren und kommt dabei auf knapp 20.000 Tote seit 1988. Auch der italienische Journalist Fabrizio Gatti, der als langjähriger Kenner der Materie gilt, nennt in einem Interview mit SZ.de eine ähnliche Zahl:
Seit 1988 sind 19.000 Menschen auf dem Weg von Afrika nach Europa gestorben - und dabei sind nur die Ertrunkenen gezählt, von denen wir wissen. Der Friedhof in der Sahara, die viele Menschen auf dem Weg nach Europa durchqueren müssen, ist übrigens viel größer. Aber bei 19.000 Toten frage ich mich: Wenn das nicht genügt, um dieses Massaker zu stoppen, sollten wir dann nicht gleich die Menschenrechte aus unserer Verfassung streichen? Denn sie dort festzuschreiben, wäre dann eine Lüge. Doch die Realität zeigt: Was die Europäische Union in den vergangenen Jahren gemacht hat, besteht einzig aus Abschottung.
Der Versuch, alle migrationsbedingten Todesfälle zu erfassen, würde wohl eine weitaus höhere Zahl ergeben, wie Gatti andeutet. Denn die Toten in den Transitstaaten lassen sich kaum schätzen. Ruft man sich jedoch die Mortalitätsrate in Flüchtlingslagern (mehr hier) oder den Umgang der Behörden mit Asylsuchenden (mehr hier) vor Augen, lässt sich das tatsächliche Ausmaß erahnen. 

Aber auch im Mittelmeer könnten deutlich mehr Menschen ertrunken sein, als die genannten Zahlen nahe legen. Hinweise darauf ergeben sich aus einem Artikel der Frankfurter Rundschau:
Flüchtlinge, die mit dem Boot übers Mittelmeer nach Europa wollen, haben nur eine 75 %ige Überlebenschance. Im Schnitt ertrinkt jeder Vierte von ihnen. Das sei eine Schätzung der französischen Geheimdienste, berichtete die französische Zeitschrift L’Express.
Geht man von etwa 166.000 Flüchtlingen seit 2008 aus, welche die Route über das Mittelmeer wählten und legt oben genanntes Schema an, dann kommt man alleine seit 2008 auf eine ungefähre Zahl von 40.000 Toten.


 

Lampedusa mag also gerade ein Thema der Medien sein, doch zumeist wird das Schicksal der Flüchtenden ignoriert. Am Freitag starben mindestens 12 Menschen vor der ägyptischen Küste. Dies war den Nachrichten jedoch keine Meldung wert und zeigt, dass die Dunkelziffer der Todesfälle weitaus höher sein dürfte, da manche Vorfälle vermutlich gar nicht an die Öffentlichkeit gelangen oder dokumentiert werden.

Der Umgang mit Flüchtlingen ist nicht nur an den Außengrenzen der EU problematisch. Auch vor Australien kommen regelmäßig Flüchtlinge ums Leben. Vor kurzem wurden die Immigrationsgesetze verschärft, was Flüchtlinge jedoch nur zum Teil davon abhält ihr Glück zu versuchen. Seit 1989 starben mindestens 1.500 von insgesamt 70.000 Menschen, welche die Überfahrt wagten. Aber auch hier ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl höher sein dürfte. Eine Studie spricht von etwa 50 Todesfällen pro 1000 ankommenden Flüchtlingen. Das wären etwa 3.500 Tote in dem genannten Zeitraum. Auch eine andere Statistik listet mehr Todesfälle bzw. auf See vermisste Menschen auf, nämlich mehr als 1.700 Fälle nur seit dem Jahr 2000.  



Vergessen sollte man bei der ganzen Diskussion um Aufnahmekontingente und Rechtmäßigkeit von Migrationsbewegungen nicht, dass die meisten Menschen in ihren Nachbarländern Schutz suchen und nicht, wie oftmals implizit angenommen, sich bei jedem kleinen wirtschaftlichen Problem oder unbedeutenden Kontroverse mit der Staatsmacht auf den Weg nach Europa machen. Die Zahlen liefern auch einen Hinweis, warum.

1 Kommentar:

  1. Petition für die

    Rettung aller Flüchtlinge im Mittelmeer:

    https://www.openpetition.eu/petition/online/rettung-aller-fluchtlinge-im-mittelmeer

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