Mittwoch, 4. April 2012

Vergeltung der LRA? Tausende seit Anfang März auf der Flucht vor neuen Überfällen

Die Kritik war massiv und so geben sich die Macher von Kony 2012 lernwillig und demütig. An ihrer Videokampagne aber halten sie fest, in einem zweiten Teil sollen jedoch auch Menschen aus der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo zu Wort kommen, wo sich die meisten Kämpfer der Lord's Resistance Army (LRA) nach ihren Angaben (andere Berichte gehen eher von Darfur aus) mutmaßlich aufhalten sollen. Eine detailliertere Berichterstattung könne der Kony 2012-Bewegung wieder mehr Auftrieb geben und Werbung um Spendengelder bei Prominenten erfolgreicher machen, sagen die Verantwortlichen.

Doch das Dilemma bleibt bestehen: Ist die riesige Aufmerksamkeit für einen einzelnen Mann gerechtfertigt? Verzerrt diese Fokussierung nicht massiv die Wirklichkeit? Und müsste der Ansatz nicht ein grundlegend anderer sein, als die bloße Unterstützung militärischer Operationen, welche bisher weder die LRA stoppen, noch zivile Opfer vermeiden konnten?

Ein wenig verbesserte sich in der jüngsten Vergangeneit die Lage, die entsandten Berater der USA haben das militärische Eingreifen effektiver gemacht. Eine neuerliche regionale Armeeoperation soll nun ebenfalls anlaufen. Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) begrüßt die regionalen und internationalen Initiativen, welche die  Verbrechen der LRA stoppen wollen. Gleichzeitig wird aber an die Militärs appelliert die Menschenrechte zu beachten und zivile Opfer zu vermeiden.

Seit Anfang März häufen sich zudem die Angriffe der LRA-Milizen, mehr als tausend Menschen flohen allein in der vergangenen Woche. Überlebende von LRA-Angriffen kommen hier zu Wort:



So stellt sich nun die Frage nach einem weiteren zwiespältigen Punkt der PR-Offensive: Kommt es aktuell zu Vergeltungsaktionen für die öffentlichkeitswirksame Jagd? Die taz schreibt in einem Artikel vom 04.04.12:

Allein im März wurden rund 70 Übergriffe gemeldet. Nach knapp einem Jahr relativer Ruhe sind die ugandischen Rebellen der LRA (Widerstandsarmee des Herren) des international gesuchten Warlords Joseph Kony seit Beginn dieses Jahres zurück im Nordosten des Kongo, aus dem sie 2009 Richtung Südsudan und Zentralafrikanische Republik geflohen waren. In kleinen Gruppen durchstreifen sie den Dschungel südlich des Garamba-Nationalparks. 

Es scheint, so die UN-Erkenntnisse, als würde sich keiner der hochrangigen Kommandeure oder gar Kony selbst im Kongo aufhalten. Er sei Hunderte Kilometer weiter nördlich, an der Grenze zwischen der sudanesischen Region Darfur und der Zentralafrikanischen Republik. Rund um Dungu werden etwa 60 LRA-Kämpfer vermutet, die in drei Gruppen durch die Wälder streifen. Aber vor ihnen sind Zehntausende auf der Flucht. 

Drohende Vergeltung kann kein Grund für eine Einstellung der Verfolgung sein. Doch auch die neuesten Versuche wirken kaum wie ein langfristiges, nachhaltiges Sicherheitskonzept, welches auch dann noch Bestand haben wird, wenn ein anderes Video die Marke von 100 Millionen Zuschauern überschreiten und die Masse der Facebook-User ihr digitales Mitleid über anderen Opfern ausschütten wird. Dann steht zu befürchten, dass sich die fehlenden grundlegenden Debatten um die Sinnhaftigkeit militärischer Operationen ohne Stützung zivilier Maßnahmen und der fehlende Versuch die regionalen Ursachen des LRA-Terrors zu verstehen deutlich bemerkbar machen werden.

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