Während sich in der Stadt Osch die Lage offenbar etwas beruhigt hat, kam es in Dschalalabad zu neuen ethnischen Zusammenstößen zwischen Kirgisen und Usbeken. Die Zahl der Toten stieg nach offiziellen Angaben auf 117, mehr als 1500 Menschen wurden verletzt. Es wird aber befürchtet, dass mehr als 500 Menschen bei der Gewalt getötet wurden. Zehntausende Usbeken sind auf der Flucht. Die Regierung mobilisierte in allen Teilen des Landes Reservisten, die so schnell wie möglich in die Krisenregion entsandt werden sollen.
Russland erwägt nun doch, militärischen Beistand zu leisten. Im Rahmen eines Treffens der Mitglider der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) sollen über mögliche Schritte in diese Richtung beraten werden. 150 Soldaten wurden bereits entsandt, um Militäreinrichtungen des großen Nachbarn zu schützen. An der kirgisisch-usbekischen Grenze zeichnet sich nach Angaben von Beobachtern eine humanitäre Katastrophe ab. Mehrere Zehntausend Menschen seien unterwegs - ohne Zugang zu Lebensmitteln, und Medikamenten. Das Nachbarland Usbekistan hat bereits mehrere Flüchtlingslager eingerichtet. Nach Angaben des usbekischen Katastrophenschutzministeriums sollen über 70.000 Angehörige der usbekischen Minderheit Kirgistan verlassen haben. Viele von ihnen hätten Schusswunden. Das Internationale Rote Kreuz schätzt die Zahl der Flüchtlinge jedoch als deutlich geringer ein.
Es wächst aber die Sorge, dass das Nachbarland Usbekistan unter dem Vorwand die usbekische Minderheit in Kirgistan, welche etwa 14,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, schützen zu wollen eine Invasion in Erwägung zieht. Dem Land wird nachgesagt, ein Auge auf die Wasserreserven des Nachbarlandes geworfen zu haben. Auch die kirgisische Armee selbst steht in der Kritik. Nach einem Al-Jazeera-Bericht sollen Teile der Soldaten ihre Neutralität aufgegeben und die Gewalt gegen die usbekische Minderheit unterstützt haben:
Die NZZ verweist auf die komplexe und undurchschaubare Zahl von Konflikthintergründen und kommentiert in ihrer Onlineausgabe:
Während das Blutvergiessen vom Juni 1990 klare Hintergründe hatte – ein Streit um die Stellung der usbekischen Minderheit sowie ein Konflikt um Landrechte –, ist der heutige Anlass undurchsichtiger. Vieles spricht dafür, dass die Anhänger des kürzlich gestürzten Präsidenten Bakijew die Hände im Spiel haben. Aber auch Banden im Dunstkreis des organisierten Verbrechens könnten zu den Provokateuren zählen. Sicher ist, dass diese das für Ende Juni geplante Referendum über eine neue Verfassung erfolgreich torpediert haben. Während eines nationalen Notstands kann schon von Gesetzes wegen keine Volksabstimmung stattfinden, und an eine demokratische Willensbildung ist nicht zu denken, solange sich die Einwohner eines Landesteils nicht aus den Häusern wagen.
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