Donnerstag, 4. März 2010

Erste Iraker geben ihre Stimme ab - 20 Menschen sterben bei mehreren Explosionen


Gestern waren es 33 Menschen, die bei drei Explosionen starben, heute forderten Bomben bis zu 20 Tote. Soldaten und Polizisten hatten schon heute, drei Tage vor dem eigentlichen Wahltag, ihre Stimme abgegeben. Dabei detonierten mehrere Sprengsätze. Da die Wahllokale schwer bewacht werden, wurden die Wähler auf dem Weg zur Stimmabgabe angegriffen. Auch sonst gibt es viele Probleme. So gab es erste Berichte, dass Menschen an der Wahl gehindert werden sollen und dass 26 Millionen Wahlscheine für 19 Millionen Wahlberechtigte gedruckt wurden. Daraus leiten manche politische Akteure geplanten Wahlbetrug ab. Mit der Wahl werden aber auch Hoffnungen verbunden. Dazu ein Bericht von Al-Jazeera:


Martin Gehlen beschreibt heute in einer Reportage für die ZEIT die Umstände der Wahl:
Die Nacht war kurz. Bis zum frühen Morgen hat Mithal al-Alusi in seinem Wohnzimmer am Laptop gesessen, Wahlslogans entworfen, Mails beantwortet und an dem Text für einen 40-Sekunden-Fernsehspot gefeilt. Erst das ausgiebige Frühstück mit starkem Tee und einem halben Dutzend Zigaretten machen ihn wieder munter. Noch ein prüfender Blick in den Spiegel, rasch steckt er seine Pistole hinten in den Hosengürtel und zupft das Jackett zurecht. Vor der Haustür wartet die gepanzerte Limousine mit Eskorte. In rasanter Fahrt geht es hinter getönten Scheiben durch die grauen Schluchten von Sprengschutzmauern in Richtung Innenstadt – hinein in den nächsten Wahlkampftag.
Am Sonntag wählen 18,9 Millionen Iraker ein neues Parlament und eine neue Regierung – zum zweiten Mal seit dem Sturz von Saddam Hussein, unter ständiger Gefahr neuer Terrortaten und im Schatten des nahenden amerikanischen Rückzugs. 6172 Kandidaten kämpfen um die 325 Sitze. Rund 500 sunnitische und schiitische Bewerber allerdings – darunter mehrere säkular eingestellte Spitzenpolitiker – wurden von einer obskuren Kommission zur Ent-Baathifizierung gestrichen, was hitzige Debatten und wütende Boykottaufrufe auslöste. Angetreten sind 308 Parteien und Gruppierungen, von denen manche kaum mehr vorweisen können als einen Computer, ein Telefon und einen ehrgeizigen Solo-Kandidaten. Dennoch ist der 7. März für den Irak, in dem nach wie vor nichts richtig funktioniert, die bislang wichtigste Reifeprüfung auf dem Weg in die volle Unabhängigkeit.

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