Samstag, 10. Juni 2017

Kommentar zu Katar: Vergesst die WM

Eigentlich sollte es jedem Beobachter und jeder Beobachterin mit einem Funken Menschenverstand klar sein: Die gegenwärtige Krise im Nahen und Mittleren Osten lädt nicht dazu ein, Partei zu ergreifen. Eine Koalition aus Saudi-Arabien, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen Terrorismus? Kennt man die Geschichte des islamistischen Terrorismus dann wirkt das wenig glaubhaft. Doch auch wenn es tatsächlich darum geht terroristische Strukturen zu bekämpfen und nicht um ein "balancing" schiitischen Einflusses (v.a. durch den Iran) in der Region - eine Blockade und Isolation führen sicherlich nicht zum gewünschten Ergebnis. Letztendlich ist es grau - wie so oft. Die Schwarz-Weiß-Malerei wird der Realität nicht gerecht.

Katar bietet ein widersprüchliches Bild. Das steht außer Frage. Nun aber z.B. Al Jazeera als Propagandainstrument abzuurteilen und der Sicht Saudi-Arabiens auf Fragen von Medien und Pressefreiheit zu folgen, kann keine Option sein. Der Vorwurf im Zuge des Arabischen Frühlings ausschließlich die Muslimbrüder unterstützt zu haben, ist nicht haltbar und vergisst die komplizierte und bedauernswerte Situation in Ägypten, wo politische Gegner nach der Absetzung Mursis hart verfolgt werden. 

Im Fall Katar könnte man sogar die lächerlich wirkende Uneinigkeit zwischen US-Außenministerium und Trump bzw. dem Verteidigungsministerium als positives Signal sehen: Eine eindeutige Bewertung gibt es nicht, die Verhältnisse sind komplex und es gibt weder Helden noch Bösewichte. Die gewohnt dumbe Trump-Rhetorik ("So good to see the Saudi Arabia visit with the King and 50 countries already paying off. They said they would take a hard line on funding extremism, and all reference was pointing to Qatar. Perhaps this will be the beginning of the end to the horror of terrorism!") erinnert allerdings daran, wie Politik gedacht und gemacht wird im Weißen Haus. 


Ein ZEIT-Artikel von Michael Thumann macht deutlich, dass Zurückhaltung in der Wertung und Diplomatie wichtige Instrumente sein können - werden sie denn konsistent und kohärent eingesetzt. Heißt: Steter Tropfen höhlt den Stein und Glaubwürdigkeit ist das oberste Gut (da helfen dann eben Rüstungsexporte in die Region nicht weiter).

Ach ja, was bei der ganzen Debatte wirklich nur am Rande und nicht in jeder Einleitung und jedem Schlussteil auftauchen sollte: die Fußball-Weltmeisterschaft. Boykott-Forderungen von der Politik sollten getrost ignoriert werden. Warum? Die WM ist 2022, also in fünf Jahren. Es muss aber jetzt gehandelt werden. Außerdem ist eben Katar nicht der böse Bube und zum Beispiel die Ausbeutung der Arbeiter lange bekannt. Das macht es nicht besser, aber auch hier wieder die Stichworte Konsistenz und Kohärenz: Man kann die schlimmen Zustände nicht nur als Argument gebrauchen, wenn es gerade passt.

Zudem: Der WM eine solche Bedeutung zuzuschreiben, ist einfach unseriös angesichts der zahlreichen konkreten und drängenden außen- und sicherheitspolitischen Fragen in der Region. Da schrumpft die Symbolkraft eines solchen Turniers schnell dahin. Vielleicht mag dies uns in Deutschland so erscheinen - Stichwort: König Fussball. Aber das würde ja auch bedeuten, dass Deutschland als Nation an den Abgrund geraten würde, würde sich herausstellen, dass die WM im eigenen Land nur durch Korruption zustande... Oh, halt. Da war ja was. 

Also: Ausgleich und Mäßigung und deutliche Worte sind nun gefragt - ohne vorschnell zu urteilen. Da kann man nur den Worten Thumanns folgen: "Die eskalierende Krise fordert dreierlei: Erstens die Lage verstehen. Zweitens schlichten. Drittens keinen Unfug zur Unzeit fordern."

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