Samstag, 18. April 2015

Mehr als 25.000 Kämpfer aus mehr als 100 Ländern schließen sich Dschihad an - Analyse der Ursachen kommt zu kurz

Nach neuesten Angaben haben sich seit Mitte 2014 mehr als 25.000 Männer und Frauen aus mehr als 100 Ländern zumeist militanten Gruppen im Irak, Syrien und Afghanistan angeschlossen. Dabei werden folgende (korrekte) Zahlen zitiert:

- Frankreich: 1.200 Personen
- Großbritannien: 500-600 Personen
- Deutschland: 500-600 Personen
- USA: ca. 100 Personen


Trotz dieser beunruhigenden Zahlen und individuell verstörenden Biographien macht diese Statistik auch klar, dass der Großteil der rekrutierten Kämpferinnen und Kämpfer aus der umkämpften Region stammt. Die meisten sog. "Dschihadisten" sind also aus dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika. 

Es ist ähnlich wie bei der Migration. Grundsätzlich geben die gestiegenen Zahlen bei uns einen Hinweis auf eine äußerst problematische Entwicklung und komplexe Ursachen, die sich auch hier spürbar auswirkt. Doch sie müssen in dem Kontext interpretiert werden, dass in der MENA-Region mehr als sechs Millionen Menschen auf der Flucht sind, zählt man die fünf Millionen palästinensischen Flüchtlinge hinzu, sind es mehr als zehn Millionen Menschen. Trotz aller Probleme hier, wir werden nur am Rande mit dem wahren Ausmaß tangiert. 

So ist es auch bei den ausländischen Kämpfern. Die Zahlen sind bedenklich, aber 90 Prozent der Menschen, die sich dem bewaffneten Kampf anschließen stammen aus nicht-westlichen Ländern. Vor allem darf der Fokus auf das rein quantitative Ausmaß nicht den Blick auf die Ursachen verstellen. Dazu einige Aussagen des Kulturtheoretikers Klaus Theweleit in einem aktuellen Interview mit der Zeitschrift "Das Milieu". Sie mögen naiv wirken, aber vielleicht sind sie deswegen erfrischender als die ständige Analyse von Zahlen und Bedrohungslage:
DAS MILIEU: Welche Rolle spielt die Ideologie bei der Rechtfertigung ihrer Taten?
Theweleit: Die jeweils herbeizitierten Ideologien erfüllen vor allem den Zweck, dass der einzelne Täter oder der Täterverbund sich als »schuldlos« empfinden kann. Man handelt im Namen einer höheren Religion, einer höheren Rasse etc., die einen zum Töten beauftragen. Ob man das im Namen des Islam tut oder im Namen des Christentums, im Namen einer überlegenen Arierrasse, im Namen einer überlegenen politischen »Klasse« oder im Namen einer überlegenen Hautfarbe: das ist austauschbar. Die Tötungslust ist unabhängig davon da.
DAS MILIEU: Wie geht man nun mit dieser Herausforderung einer mordlüsternen Bande um? Wie könnte man Ihrer Meinung nach dem islamistischen Terror den Nährboden entziehen und ihre Strategien unschädlich machen?

Theweleit: In den im Nahem Osten entstandenen Machtvakuen, wo der IS herrscht, wird es nur militärisch gehen. Das müssen aber die dortigen Einwohner bewerkstelligen, nicht der »Westen«, dem es dort vorwiegend um Öl geht und nicht um die (angebliche) »Demokratisierung«, die man von außen nicht verordnen kann. Bei uns, in den westlichen Ländern, geht es darum, soziale Bedingungen zu schaffen, in denen sich die Fremden hier, insbesondere die hier geborenen Kinder aus kulturell/religiös gemischten Familien, nicht ausgegrenzt fühlen, sondern Lebensperspektiven bekommen, die »ihr Herz höher schlagen lassen«; die ihre Lust, hier zu leben, befördern. Pegida ist das reine Gift dagegen: erzeugt ganz direkt Terrorpotentiale.

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